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polar 18: Politik der Lebensformen

eBook - Selbst gemacht, polar

Erschienen am 02.04.2015
CHF 21,50
(inkl. MwSt.)

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593430522
Sprache: Deutsch
Umfang: 192 S., 9.82 MB
Auflage: 1. Auflage 2015
E-Book
Format: PDF
DRM: Digitales Wasserzeichen

Beschreibung

In zahlreichen Initiativen erleben wir eine Renaissance der Suche nach alternativen Lebensformen. Selbst denken, selbst handeln so lautet die politische Devise von der Share-Ökonomie über die Commons-Debatte bis zu einem neuen Genossenschaftsgedanken. »polar« nimmt diese Renaissance zum Anlass, sich mit dem Verhältnis von Politischem und Privatem zu befassen. Die neue Do-it-yourself-Mentalität geht mit einer Skepsis gegenüber dem Staat und seinen Institutionen und der Verlagerung politischer Entscheidungen in einen vorstaatlichen Raum einher. Die neue Ausgabe von »polar« fragt, ob es eine Politik alternativer Lebensformen gibt, wie mit Lebensstilen und -formen Politik gemacht werden kann, von welcher Warte aus sie beurteilt werden können und ob es gute und schlechte Lebensformen gibt.

Leseprobe

Liebe Leserin, Lieber Leser,in einer Vielzahl von Initiativen und Publikationen erleben wir gerade eine Renaissance der Suche nach alternativen Lebensformen. Selbst denken, Selbst handeln so lautet die Parole gegen die institutionelle Politik von der Share Ökonomie über die Commons-Debatte bis zu einem neuen Genossenschaftsgedanken. Gleichzeitig erleben wir von rechts, wie Lebensformen nicht nur gegen andere Menschen in Stellung gebracht werden sondern auch gegen die Institutionen der Demokratie.polar nimmt diese Phänomene zum Anlass, um Politiken der Lebensform kritisch zu befragen und sich mit dem Verhältnis des Politischen zum Privaten zu befassen. Die neue DIY-Mentalität ist ohne Zweifel auch einer Ungeduld gegenüber dem Staat und seinen Institutionen geschuldet. Doch die Verlagerung des Politischen ins Private hat ihren Preis. Politische Entscheidungen ziehen sich ins Gemeinschaftliche und Individuelle zurück, anstatt öffentlich ausgetragen und demokratisch entschieden zu werden. Politiken der Lebensform werden auch als Mittel der Milieu-Distinktion eingesetzt, man trägt nicht nur die besseren Klamotten, sondern hat auch noch die höhere Moral.Was ist eigentlich eine Lebensform? Inwieweit ist sie Privatsache und wo fängt eine Politik der Lebensform an? Inwiefern sind Lebensformen kritisierbar? Lässt sich über Lebensformen sagen, sie seien gut, geglückt oder rational? polar hat sich mit der vorliegenden Ausgabe auf die Suche gemacht und das Abenteuer nicht bereut.Rahel Jaeggi versteht in ihrem Eröffnungsbeitrag Lebensformen als Reaktionen zur Lösung sozialer Probleme. Kulturelle Verschiedenheiten bilden so einen sozial unverzichtbaren experimentellen Pluralismus (S. 9). Stefan Huster setzt dem eine liberale Ordnung entgegen, nach der zwar das Prinzip der Neutralität gelte, die aber von manchen Lebensformen mehr abverlange als von anderen (S. 23). Peter Siller entwickelt demgegenüber unterschiedliche Sphären der Lebensform, die unterschiedliche Formen der Kritik nach sich ziehen. Dabei richtet er sich gegen einen Trend der Privatisierung des Politischen in Umkehrung der alten Formel, das Private sei politisch (S. 29).Anna-Catharina Gebbers zeigt am Beispiel von Wagner, Beuys und Schlingensief auf, wie sich ein Leben als Gesamtkunstwerk als gesellschaftlicher Gegenentwurf lesen lässt (S. 37). Was Künstler ins Extrem treiben, findet aber im Kleinem bei jedem von uns statt. Wir probieren uns aus. Wir suchen nach dem Leben, das uns entspricht. Thomas Schramme denkt über diese Suche anhand von Mills Idee der Lebensexperimente nach (S. 51). Dass eine solche Suche nach dem guten Leben auch an einem »grausamen Optimismus« scheitern kann, zeigt Lauren Berlant (S. 43).Ängste vor dem Scheitern sind oft auch ein Grund, warum sich Menschen politisch nicht engagieren. Christian Neuner-Duttenhofer plädiert für mehr Mut zum Risiko im politischen Leben (S. 57). Ein entscheidender Faktor der Lebensform ist dabei die Zeit. Das wirft unter anderem Fragen des Umgangs mit dem Altern auf, denen Stephan Lessenich nachgeht (S. 73). Bevor wir ins Alter kommen, rennen wir meist der Zeit hinterher. Wolfgang Kaschuba beschreibt, wie unser Umgang mit Zeit die Lebensform prägt (S. 79).Alexandra Deak und Arnd Pollmann gehen dem exorzistischen Kult ums Essen genüsslich nach (S. 85). Johanna Gonçalves Martin berichtet von der Geburtspraxis der Yanomami im amazonischen Regenwald (S. 91). Ulrike Martiny beschreibt am Beispiel von Straßenreinigern und Müllwerkern, wie kleine alltägliche Dinge und familiäre Beziehungen Selbstbilder prägen (S. 101). Tatjana Hörnle untersucht am Beispiel des Niqab die rechtlichen Grenzen von religiösen Lebensformen (S. 105). Michael Eggers stellt sich der Frage, welche Form der Kritik uns die Literatur empfiehlt (S. 111).Dass jede Kritik normativer Lebensformen eine politische Angelegenheit ist, führt uns Julia Roth vor (S. 116). Einen Ausstellungsort bestimmter Lebensformen besucht Kerstin Carlstedt im Sozialkaufhaus Hamburg (S. 121). Christian Berkes kritisiert den neuen »Plattformkapitalismus« am Beispiel von »Airbnb«, der größten Vermittlungsplattform privater Reiseunterkünfte (S. 165).Einen theoretischen Unterbau für eine Selbstreflexion unserer Selbstentwürfe liefert Christoph Menke. Das Paradoxe seiner Lesart von Selbstbestimmung ist dabei, dass Autonomie immer auf einen externen Akt der Befreiung angewiesen bleibt (S. 145). Die Gleichzeitigkeit von Autonomie und selbstvergessender Hingabe reflektiert schließlich Viktor Tóth in seiner Selbstbetrachtung über Techno als Lebensform (S. 169).Künstlerisch begleitet uns Marlene Hausegger durch die Zimmer ihrer Installation »Behind the Wall« (S. 6). Die Auswirkungen unserer Art zu Leben auf die Umwelt thematisiert Jürgen Dreschers Installation »Kapiert es« (S. 64). Eine eigene künstlerische Lebensform haben Sonja Cvitkovic, Marianne Drouan, Birgit Megerle und Michaela Meise mit ihrem Performance-Kollektiv »Sappho« geschaffen (S. 136). Nicht auf der Bühne, sondern im ländlichen Alltag testet das Projekt »The Land« neue Formen des Zusammenlebens aus (S. 161).Für die RedaktionPeter Siller, Bertram Lomfeld

Inhalt

InhaltAuswegExperimenteller Pluralismus 9Lebensformen als Experimente der ProblemlösungRahel JaeggiIn Freiheit leben 23Die transformative Kraft einer liberalen OrdnungStefan HusterMacht es nicht selbst! 27Vom Rückzug des Politischen ins Private geschlossener LebensformenPeter SillerLeben als Gesamtkunstwerk 37Wagner Beuys SchlingensiefAnna-Catharina GebbersGrausamer Optimismus 43Warum Fantasien des guten Lebens scheiternLauren BerlantDie Formung des menschlichen Lebens 51Nachdenken über Mills Idee der LebensexperimenteThomas SchrammeAbgetaucht 57Warum wir politisch an uns selbst scheiternChristian Neuner-DuttenhoferDer wahre Text:>Landkommunen< 62Neue Berliner SprachkritikAlltagAlles so schön jung hier? 73Lebensführung im AlterStephan LessenichSchnelle Fluchten 79Vom Umgang mit der ZeitWolfgang KaschubaMarinieren, Tranchieren, Ignorieren 85Der exorzistische Kult ums EssenAlexandra Deak/Arnd PollmannLeben geben 91Geburten in Amazonien und im WestenJohanna Gonçalves MartinIst es links?:>Veggieday< 96Arnd Pollmann/Bertram Lomfeld/Stefan Huster/Peter SillerLeben im Kapitalismus:>Die Leiter zum Eigenheim< 98Ina KernerStraßenreiniger und Müllwerker 101Wenn Flexibilisierung auf Familialisierung trifftUlrike MartinyAm Beispiel des Niqab 105Zu den rechtlichen Grenzen von LebensformenTatjana HörnleWie spricht man über die Einrichtung des Alltags? 111Zur undeutlichen Evidenz der LiteraturMichael EggersIt's fucking political! 116Die notwendige Kritik normativer LebensformenJulia RothWarenhaus Hamburg 121Mit Martin für einen Euro sechzig unterwegsKerstin CarlstedtHallo Karthago/Hallo Rom:>Wir leben, und sind nicht allein< 126Susann Neuenfeldt/Simon StrickMein halbes Jahr>Literatur< · Johanna-Charlotte Horst 130>Musik< · Christoph Raiser 132>Film< · Matthias Dell 134AutonomieSo sind sie  So leben sie 145Autonomie und BefreiungChristoph MenkeAirbnb, Wohntourismus 16520 Thesen zum Plattformkapitalismus am konkreten FallChristian BerkesTechno als Lebensform? 169Ein SelbstexperimentViktor TóthBildpolitik:>Heimatschutz< 172Martin SaarSchönheitenKraaaaaah 175Pete Docters ObenThomas BiebricherDreck-an-sich 176Müll bei Mary Douglas und Julia KristevaNiklas HenningEltern an der Macht 177Vom Kinderladen zur crèche parentaleFranziska HumphreysGemeinsam allein 178Herbert Marcuses Triebstruktur und GesellschaftJohannes KleinbeckNicht gestattet 179Foucaults La Société PunitiveArthur LochmannIn der Identitätsfalle 181Gegenentwürfe zu Huntingtons Kampf der KulturenBertram LomfeldAlle mal mitkommen 182Jens Rachuts Alte SauMalin NagelSmartphone mit Gewissen 183»Heldenmarkt« ohne HeldenAnna SailerMittelschicht unter Druck 184Cornelia Koppetschs Die Wiederkehr der KonformitätFriederike AlbertyAuf dem Gleis 185Bong Joon-ho's SnowpiercerPatrick Thorpolar Edition 186Roundtable 188Autorinnen und Autoren 190Impressum 192

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