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Denkanstößiges ¿

eBook - Marxistische Blätter 1_2023

Erschienen am 21.06.2023
CHF 10,50
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783961703616
Sprache: Deutsch
Umfang: 188 S., 0.69 MB
Auflage: 1. Auflage 2023
E-Book
Format: EPUB
DRM: Nicht vorhanden

Beschreibung

Mit Beiträgen von: Manfred Sohn, Anne Rieger, Lucas Zeise, Murat Çakir, Claudio Ottone (Argentinien), Stephan Krüger, Klaus MüllerWeitere Themen: Aktuelle Bedeutung und Rezeption des apallo-Vertrages, Ulrike Hörster-Phillips; Sicherungsverwahrung Illusion von Sicherheit, Franziska Schneider; Klima und Lenins Lösung, Alexander B. Vögele; Iran auf dem Weg zur Explosion?, Michail Magid (Moskau); Diskussion; Rezensionen

Leseprobe

Thema: Inflation

Editorial

Im vergangenen Jahr also schon vor den drastischen Energiepreiserhöhungen stieg die Zahl der Haushalte, denen in Deutschland aufgrund unbezahlter Rechnungen der Strom gesperrt wurde auf 235 000. Die Zahl der Gassperrungen stieg um 12 Prozent auf rund 27000 an. So die offiziellen Zahlen von Bundesnetzagentur und -kartellamt. Das lässt für den kommenden Winter Schlimmes befürchten. »Inflationssorgen« stehen in Meinungsumfragen aktuell auf Platz 1.

Inzwischen zählt jeder zweite Bundesbürger (49 %) die steigenden Preise zu den drei größten persönlichen Sorgen, gefolgt von Angst vor Armut sowie sozialer Ungerechtigkeit (38 %) und den Folgen der Klimakrise (33 %). Angst vor militärischen Konflikten, COVID 19, aber auch Einwanderung, Kriminalität, Arbeitslosigkeit und Terrorismus werden derzeit davon überlagert. (Quelle: ipsos.de)

Die Inflationsrate hat im September die 10-Prozent-Marke geknackt. Dieser Durchschnittswert ist aus Sicht eines Normalverdieners klar unterzeichnet. Preissteigerungen für Lebensnotwendiges, d.h. für Nahrungsmittel, für Energie und für Mieten sind deutlich höher. Die Auswirkungen auf die Lebenssituation arbeitender Menschen sind dramatisch, in längerer Perspektive verheerend. Was für mittlere Einkommen Verlust, das Abschmelzen von Ersparnissen und die Gefährdung der Rückzahlung fälliger Kredite bedeutet, bedeutet für Geringverdienende dramatische Schritte in Richtung Hunger und Obdachlosigkeit.

Politische »Deckelungsmaßnahmen« der Ampelkoalition wirken allenfalls lustlos, wie insbesondere auch die Weigerung zeigt, gigantische Profitzuwächse der Krisen- und Kriegsgewinnler durch eine Extrasteuer zu begrenzen. Hilfsmaßnahmen liegen, wie etwa die Anhebung der umgetauften Hartz IV-Sätze, unterhalb der realen Einkommensverluste ihrer Bezieher. Oder sie sind, wie Spritpreis-Subvention oder Energiekostenzuschuss, zeitlich befristet. Die Maßnahme läuft aus, das Preisniveau steigt weiter. (Monopol)Unternehmen können sich hingegen der wohlwollendsten Fürsorge ihrer Regierung gewiss sein. Nach unten knausert Rosa-Gelb-Grün, nach oben wird verteilt im Übermaß. Die Gewinnentwicklung bleibt phänomenal, nicht nur bei Einzelhandels- und Energiekonzernen. »Dass die Unternehmen offenkundig die Inflation auch dafür verwendet haben, ihre Gewinne deutlich auszuweiten.«, resümiert selbst der linker Regungen ziemlich unverdächtige Ökonom Joachim Ragnitz die Ergebnisse einer aktuellen Studie des Dresdener Ifo-Instituts.

Vor diesem Hintergund wachsen nicht nur Sorgen, sondern auch Unmut und Zorn im Wahlvolk. Bei Redaktionsschluss zeichnete sich eine Zunahme an Protest und Bewegung auf der Straße ab, von unterschiedlichen Zielgruppen, mit unterschiedlichen Losungen: »Genug ist genug!«, »Für Heizung, Brot und Frieden«, »Inflationsmonster stoppen Solidarisch durch die Krise«. Von »heißem Herbst« und vereinter Kraftanstrengung ist das auch im Vergleich mit europäischen Nachbarländern allerdings noch einiges entfernt. Was also ist speziell für uns als politisch-theoretische Zeitschrift zur Unterstützung zu tun? Wie immer: Aufklären! Aufklären! Aufklären!

Wer die inflationäre Welle bekämpfen will, muss ihre Ursachen verstehen und Verursacher beim Namen nennen. Dass die Erzählung »Putin ist schuld« wenig über ökonomische Sachkenntnis, hingegen vielüber das intellektuelle Niveau von Politik und Medien aussagt, muss hier nicht ausargumentiert werden. Welche Rolle aber spielt der militärische Konflikt in der Ukraine, welche der westliche Wirtschaftskrieg gegen Russland? Warum stiegen die Preise bereits Monate vor dem 24. Februar deutlich an? Ist die gegenwärtige Lage eine historische Sondersituation oder war sie mit Blick auf längerfristige Tendenzen kapitalistischer Entwicklung vorhersehbar? Liegt sie in weltpolitischem Pech begründete, in bewussten Anstrengungen zur Reduzierung des Lebensstandards der Bevölkerung, in einem Durchschlagen der Gesetze kapitalistischer Akkumulation? Oder in einer Mischung aus alledem?

Die Autoren unseres Schwerpunktes nähern sich dem Thema von verschiedenen Seiten. Manfred Sohn befasst sich mit Schlaglichtern zur Geschichte des Kampfes gegen die Inflation und das lange Ringen um den Wert des Lohnes zu Marx Zeiten, in der Weimarer Republik, in den 1970ern und er zieht fünf Schlussfolgerungen für heute. Anne Rieger setzt sich mit der Mär von der »Lohn-Preis-Spirale« auseinander, charakterisiert Inflation als »Raubzug auf unsere Einkommen« und plädiert für eine offensivere Tarifpolitik. Lucas Zeise fragt, ausgehend von empirischen Eckdaten zu Preissteigerungen und Geldentwertung, nach Sinn und Erfolgsaussichten der durch die Notenbanken initiierten Zinserhöhungen, die aus seiner Sicht nicht mehr als Symbolpolitik sind. Die internationale Situation wird exemplarisch von Murat Cakir und Claudio Ottone mit ihren detaillierten Darstellungen und Bewertungen der Situation in der Türkei bzw. in Argentinien beleuchtet. Beiden Aufsätzen ist gemein, dass sie Ursachen der Teuerung in den von ihnen betrachteten Ländern lange vor dem Krieg in der Ukraine verorten. Stephan Krüger und Klaus Müller schließlich thematisieren nicht immer leicht verständliche theoretische Aspekte der Geldentwertung, ersterer vorwiegend vor historischem Hintergrund, letzterer anhand einer marxistischen Modellierung.

Aufmerksamen Leserinnen und Lesern wird auffallen, dass unsere Autorinnen und Autoren bei aller Einigkeit über den sozialen Inhalt der Inflation nicht in allen Punkten übereinstimmen. Wir hoffen jedoch, dass die Vielzahl der von ihnen gelieferten Ansätze zum Verständnis beiträgt und dazu, tragfähige Strategien gegen den eskalierenden Raubzug am Vermögen der arbeitenden Bevölkerung zu entwickeln. HW/LoG

Inhalt

KommentareEin Transparent und der Frieden (Dr. Artur Pech)Kriegs- und Krisengewinner zur Kasse! (Lothar Geisler)AktuellesProtest gegen die Folgen der Krise ohne Nennung ihrer Ursachen? Einige notwendig polemische Einwände (Knut Mellenthin)Europa auf dem Weg nach rechts (Ulrich Schneider)250 000 bei Gewerkschaftsaktionstag in Frankreich (Georg Polikeit)Revolutionäre Realpolitik: Eine Stadtregierung an der Seite der Menschen (Anne Rieger)Eine Bilanz der documenta 15 (Ulrich Schneider)Thema: InflationEditorialDas lange Ringen um den Wert des Lohns: Schlaglichter zur Geschichte des Kampfes gegen die Inflation (Manfred Sohn)Preise steigen nicht sie werden erhöht: Es gibt keine Lohn-Preis-Spirale (Anne Rieger)Höhere Zinsen sind (bestenfalls) Symbolpolitik (Lucas Zeise)Die Türkei im Abgrund? Über die aktuelle türkische Finanz- und Wirtschaftskrise (Murat Çakr)Das Hochinflationsregime in Argentinien (Claudio Ottone)Inflation zurück auf der Agenda (Stephan Krüger)Ein marxistisches Inflationsmodell (Klaus Müller)DiskussionLehnt die Kritische Psychologie in objektivistischer Tradition eine Wahlfreiheit des Subjekts ab? Morus Markard zu Claudius Vellays Kritik der Kritischen Psychologie in MB 4, 2022Wertgesetz im Sozialismus Ja oder Nein? Hermann Jacobs zu Lucas Zeises Buchbesprechung in MBl 4_22Positionen100 Jahre Rapallo-Vertrag Zu seiner aktuellen Bedeutung und Rezeption (Ulrike Hörster-Philipps)Sicherungsverwahrung die Illusion von Sicherheit: Politisch-publizistischer Verstärkerkreislauf vs. rechtsstaatliche Prinzipien (Franziska Schneider)Klima und Lenins Lösung (Alexander B. Voegele)Iran auf dem Weg zur (revolutionären) Explosion? (Michail Magid)Rezensionen

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