Beschreibung
Der Markt für Bio-Lebensmittel boomt. Die weltweite Wachstumsrate für Bio-Produkte von knapp +90% innerhalb des letzten Jahrzehnts bringt dies zum Ausdruck. Trotzdem bleibt der Marktanteil dieser Produkte auch hierzulande mit etwa 5% auf einem relativ geringen Niveau. Diesem Phänomen widmet sich die vorliegende Studie, welche am Beispiel des für den Bio-Markt sehr relevanten Segments der Lebensmittel Hintergründe für die weiterhin geringe Marktbedeutung herausarbeitet. Das Augenmerk richtet sich darauf, inwiefern die Konsumentenwahrnehmung der Preisfairness, der Produktqualität sowie des -risikos von der Besonderheit des Produktes (Bio) beeinflusst werden. Ebenso interessiert eine Analyse des Einflusses des Preislevels und der Preisfarbe sowie der externen Einflussfaktoren des Preisbewusstseins und der Bio-Affinität der Konsumenten auf die Zielvariablen. Die gewonnenen Erkenntnisse tragen zum besseren Verständnis der Wirkungen von Bio-Hinweisen sowie der farblichen Anpassung der Preisfarbe bei. Die Studie liefert somit wertvolle Implikationen für die Vermarktung und Bepreisung von Bio-Produkten.
Autorenportrait
Chiara Heldmann studierte Management an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und erhielt 2020 ihren Master of Science. Derzeit ist sie bei dem Marktforschungsunternehmen Nielsen als Insight Analyst im Bereich Retailer Services tätig.Sebastian Schneider ist Lehrbeauftragter am Lehrstuhl für Marketing Analytics der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Center of Market-Oriented Product and Production Management sowie Gastdozent an verschiedenen Universitäten weltweit.Frank Huber ist Inhaber des Lehrstuhls für Marketing Analytics an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Direktor des Center of Market-Oriented Product and Production Management sowie Mitgründer und wissenschaftlicher Berater der Strategie- und Managementberatung 2hm& Associates GmbH.
Leseprobe
Textprobe:Kapitel 2.2, Theoretische Grundlagen:2.2.1, Equity Theory und Dual Entitlement Prinzip:Um die Zusammenhänge zwischen der Wahrnehmung der Preisfairness, der Qualität, des Risikos und der Bio-Affinität zu verstehen und somit Vermutungen über Ursache-Wirkungsbeziehungen zu formulieren, die dann eine empirische Überprüfung erfahren, eignen sich ausgewählte Theorien und Prinzipien. Die Equity Theory, die unter anderem auf den Überlegungen von Adams (1965) basiert, widmet sich der Erklärung des Zustandekommens von wahrgenommener Fairness. Adams versucht mit diesem Ansatz die distributive Gerechtigkeit von Ergebnissen bzw. Verteilungen von Austauschbeziehungen zu erläutern. Ferner interessiert ihn, was Individuen als gerecht wahrnehmen und wie sie reagieren, wenn ihnen eine Austauschbeziehung als ungerecht erscheint (Fassnacht& Mahadevan, 2010, S. 298 f.). Seine Überlegungen zugrunde gelegt, setzen Individuen ihren Outcome mit dem Input ins Verhältnis und vergleichen dieses Ergebnis mit einem Referenzpunkt, um ein Gerechtigkeitsurteil fällen zu können (Bechwati et al., 2009, S. 761 f.; Fassnacht& Mahadevan, 2010, S. 299; Homburg et al., 2005, S. 41). Zu dem Outcome zählen die erhaltenen Erträge einer Austauschbeziehung wie der Lohn oder die erhaltene Leistung in Form von Qualität oder Nutzenstiftung. Währenddessen können Investitionen in den Austausch, z.B. der Produktpreis und die investierte Zeit, den Input in eine Austauschbeziehung darstellen (Fassnacht& Mahadevan, 2010, S. 299; Koschate, 2002, S. 77). Der Vergleich mit dem Referenzpunkt kann entweder in direkter Art und Weise erfolgen, bspw. durch ein Vergleichen des Verhältnisses zwischen Käufer und Verkäufer, oder in indirekter Form, wie durch den Vergleich mit anderen Kunden. Auch Gruppenvergleiche oder solche, die sich auf die eigenen Erfahrungen der beurteilenden Person selbst beziehen, sind möglich (Bechwati et al., 2009, S. 761 ff.). Unterscheiden sich die gegenübergestellten Verhältnisse von Input und Output nicht (signifikant) voneinander, so empfinden Individuen diese Austauschbeziehung als gerecht bzw. fair (Fassnacht& Mahadevan, 2010, S. 299). Weichen diese Verhältnisse allerdings voneinander ab und das Input-Outcome-Verhältnis einer Person stimmt nicht mit demjenigen des Bezugspunktes überein, nimmt die Person dies als Ungerechtigkeit wahr (Bechwati et al., 2009, S. 762; Huppertz et al., 1978, S. 250). Erklärungen für die auf eine solche Situation folgenden Konsumentenreaktionen kann die Theorie der kognitiven Dissonanz von Festinger (1957) liefern. Der Theorie zufolge streben Individuen nach einem inneren kognitiven Gleichgewicht (Konsonanz). Dieses liegt vor, wenn die kognitiven Elemente, wie Wissen, Erfahrung, Einstellungen und Meinungen eines Kunden miteinander vereinbar sind (Fassnacht& Mahadevan, 2010, S. 299; Homburg& Koschate, 2005, S. 404). Ein kognitives Ungleichgewicht (Dissonanz) zeigt sich hingegen, wenn bspw. ein Kunde mit einem bisher positiv bewerteten Austauschpartner negative Erfahrungen macht. Dies ist der Fall, wenn der Austauschpartner die Preise erhöht oder die Qualität eines Produktes sinkt (Homburg& Koschate, 2005, S. 404). In einer solchen Situation der Ungerechtigkeit oder Ungleichheit streben Individuen danach, diese Inkonsistenz und bzw. Unfairness zu überwinden (Carrell& Dittrich, 1978, S. 203; Homburg& Koschate, 2005, S. 404). Das Zustandekommen von Preisfairness erklären Kahneman et al. (1986a, 1986b) mit Hilfe des Prinzip des Dual Entitlement. Beim Dual Entitlement (Bechwati et al., 2009, S. 761) wird neben der distributiven Fairness, die sich auf einen offerierten Preis im Vergleich zu einem anderen Preis bezieht, auch die prozedurale Fairness berücksichtigt (Kukar-Kinney et al., 2007, S. 326; Xia et al., 2004, S. 3). In das Prinzip fließen sowohl die Ansprüche des Kunden als auch diejenigen des Anbieters ein (Bolton et al., 2003, S. 474). Erstere beziehen sich auf die Bedingungen einer zentralen Referenztransaktion. Dies zeigt sich in Erwartungen, einen Preis zu zahlen, der sich nicht wesentlich von einem Referenzpreis unterscheidet. Sowohl der durchschnittliche Marktpreis als auch der zuletzt gezahlte sowie der von anderen Kunden gezahlte Preis können einen solchen Referenzpreis repräsentieren (Homburg& Koschate, 2005, S. 403). Gleichzeitig hat der Anbieter einen Anspruch auf einen Referenzgewinn (Diller, 2008, S. 164; Homburg& Koschate, 2005, S. 403). Hierbei sehen Forscher vor allem die Motive der Preissetzung eines Unternehmens und dessen Reputation als entscheidend an. So empfinden Konsumenten Preiserhöhungen als fair, wenn externe, von einem Unternehmen nicht beeinflussbare Faktoren, wie z.B. Qualitätsunterschiede oder gestiegene Kosten der Grund für die Preisanpassung sind (Bolton& Alba, 2006, S. 258; Bolton et al., 2003, S. 488; Campbell, 1999, S. 197; Fassnacht& Mahadevan, 2010, S. 298; Sinha& Batra, 1999, S. 241; Vaidyanathan& Aggarwal, 2003, S. 456). Sinha und Batra (1999, S. 241) stellen in diesem Zusammenhang dar, dass Konsumenten einen mäßigen Profit als akzeptable Entlohnung des Verkäufers hinnehmen. Jedoch empfinden sie es als unfair, wenn sie eine deutliche Marge zahlen müssen, die nicht durch erhaltene Vorteile des Produktes gerechtfertigt ist. Da die Käufer jedoch über kein konkretes Wissen bezüglich der internen Produktionskosten der Hersteller verfügen, können sie diese Kosten nicht mit Sicherheit kalkulieren, sondern leiten sie durch eine Bewertung der Qualität sowie durch Preisvergleiche mit anderen Marken oder Produkten ab (Thaler, 1985, S. 205 ff.). Ferner nehmen sie gestiegene Preise als unfair wahr, wenn diese aus der Marktdominanz einer Firma resultieren und/oder sie lediglich der Gewinnmaximierung des Unternehmens dienen. Ein Gefühl der Ausbeutung der Konsumenten durch ein opportunistisches oder unmoralisches Verhalten des Unternehmens führt demnach bei den Kaufinteressenten dazu, dass sie die Preise als unfair wahrnehmen (Bechwati et al., 2009, S. 762; Campbell, 1999, S. 197; Campbell, 2007, S. 261; Sinha& Batra, 1999, S. 248). Auch ein Mangel an Ressourcen oder eine steigende Nachfrage rechtfertigt für den Nachfrager eine Preiserhöhung nicht, sodass er Unfairness empfindet (Campbell, 1999, S. 197; Kahneman et al., 1968b, S. 735). Sinha und Batra (1999, S. 248) heben hervor, dass somit Standards von Fairness als Beschränkungen für die Profite der Firmen dienen. Wahrnehmungen von Preisfairness basieren gemäß des Dual Entitlement Prinzips also auf den Vorstellungen der Konsumenten hinsichtlich mehrerer Kriterien, die sowohl Preise als auch Firmenfaktoren berücksichtigen (Bolton et al., 2003, S. 474). Bei Annahme eines Referenzpreises, der aus in der Vergangenheit gezahlten Preisen, Wettbewerbspreisen oder dem Durchschnittspreis am Markt abgeleitet wird, lassen sich die genannten Erkenntnisse auf konstante Preise übertragen (Bolton et al., 2003, S. 474; Diller, 2008, S. 164), sodass das Prinzip auch in der vorliegenden Studie Anwendung finden kann.
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