Beschreibung
Gleich sieben Künsten widmet sich der Autor in diesem Buch, worin die erste jene die Kunst zu lachen ist. Auch dort kommt Branstner bald auf sein eigentliches Thema zu sprechen auf die Kunst zu leben, also auf die Lebenskunst, wie er am Beispiel einer anderen Kunst erläutert:Eine LebenskunstEin Mann verwendete die beste Zeit seines Lebens darauf, die Kunst des Drachentötens zu erlernen; und er hatte sein ganzes Vermögen dafür hingegeben.Einen Drachen aber bekam er niemals zu Gesicht.Also: Kunst und Leben treffen sichmitunter nur gelegentlichAuch in diesem ersten Kunst-Kapitel finden sich einige seiner Nepomuk-Anekdoten wie die beiden folgenden:LogikNepomuk sollte nach B. fahren. Er erkundigte sich auch alsbald nach einem passenden Zug, schob jedoch die Reise immer wieder hinaus. Als aber auf der Strecke nach B. ein Zugunglück geschah, sagte er: So, jetzt haben wir das Unglück hinter uns, und ich kann beruhigt fahren.CharakterNepomuk hatte etwas außerhalb der Stadt, gut zwei Wegstunden von seiner Wohnung entfernt, ein Gartengrundstück erworben und stellte, noch bevor der Zaun errichtet war, eine Gartentür auf und versah sie mit einem sicheren Schloss. Eines Tages, vor der Tür stehend, musste er feststellen, dass er den Schlüssel vergessen hatte. Ohne Zögern kehrte er um, den Schlüssel zu holen.Es hätte ein schlechtes Beispiel gemacht, erklärte er, wenn ich mein Eigentum neben der Tür betreten hätte.Und da haben wir einen guten Eindruck von der hintergründigen Sicht des Autors auf zwei der von ihm behandelten Künste.Auch die anderen fünf Künste behandelt Gerhard Branstner auf ähnliche Weise. Greifen wir als Beispiel und Einladung zum Selber-Lesen und Mit-Denken nur die Kunst zu lästern heraus. Was würde man erwarten?Auch hier präsentiert Branstner einige Nepomuk-Anekdoten:Gegen SpontaneitätNepomuk stand gewöhnlich morgens auf und legte sich gewöhnlich abends zu Bett. Die Selbstverständlichkeit, mit der er das tat, verdross ihn. Er beschloss, es fortan bewusst zu tun.BerufsverkehrIn einem Gespräch wurde die Ansicht geäußert, dass der Besitzer eines Autos mehr von der Welt zu sehen bekomme als ein Benutzer der volkstümlichen Verkehrsmittel.Von welcher Welt?, fragte Nepomuk.
Autorenportrait
Geboren am 25.Mai 1927 in Blankenhain/Thüringen, Volksschule, drei Jahre Verwaltungslehre.1945 Soldat im 2. Weltkrieg, bis 1947 in amerikanischer, französischer und belgischer Kriegsgefangenschaft.1949 1951 Abitur an der ABF Jena, 1951 bis 1956 Studium der Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin, 1963 Promotion (Dr. Phil.).1956 - 1962 Dozent an der Humboldt-Universität, 1962 1964 Lektor, 1966 - 1968 Cheflektor Eulenspiegelverlag/ Das Neue Berlin.Ab 1968 freiberuflicher Schriftsteller.2008 in Berlin verstorben.
Leseprobe
Gerechter Lohn für schöne Worte*Ein Dichter hatte auf einen Würdenträger ein überschwängliches Loblied gemacht. Darauf sagte der Würdenträger zu dem Dichter: Komm morgen zu mir, und ich will dir ein reiches Geschenk machen.Am nächsten Tage kam der Dichter schon bei Morgengrauen und wollte das Geschenk abholen. Der Würdenträger aber sagte: Du hast ein Gedicht geschrieben, das nicht der Wahrheit entspricht, und ich habe ein Versprechen gegeben, das nicht der Wahrheit entspricht. Somit haben wir uns gegenseitig mit schönen Worten erfreut und sind quitt. Was willst du jetzt noch?Also: Nicht immer und an allen Ortengewinnt die Kunst mit schönen WortenVom Nutzen der Gleichnisse*Weshalb sprichst du immer in Gleichnissen?, fragte ein Mann seinen Freund. Die Leute halten dich deshalb für hochmütig und machen sich über dich lustig. Es ist mir allmählich peinlich, dein Freund zu sein.Du gleichst einem Papagei, erwiderte der Freund und ging seiner Wege.Der andere lief ihm wütend hinterher. Wie kannst du mich so beleidigen!, rief er und bedrohte den Freund mit Schlägen.Weshalb bist du so wütend?, fragte dieser. Hast du denn überhaupt verstanden, was ich mit dem Gleichnis sagen wollte?Aber das versteht doch jedes Kind, erwiderte der Gefragte ärgerlich. Du wolltest damit sagen, dass ich gedankenlos nachplappere, was andere reden; dass ich keine eigene Meinung habe; dass ich leere Worte von mir gebe, ohne zu wissen, was sie bedeuten; dass ich Siehst du, unterbrach ihn sein Freund, wie viele Worte du brauchst, um das zu sagen, was ich mit einem Wort gesagt habe? Eben deshalb spreche ich in Gleichnissen, und jeder kann sie verstehen. Sie sind das Bekannte, durch das wir uns das Unbekannte verständlich machen, indem wir dieses mit jenem vergleichen.Du hast recht, gestand der andere, und ich bin stolz darauf, dein Freund zu sein.Also: Im Gleichnis liegt verkürzt,was eine Rede würztBelohnung eines schwierigen Talentes*Ein Derwisch behauptete, mit der Spitze einer Nadel über drei Schritte Entfernung hinweg in das Öhr einer anderen Nadel treffen zu können.Der König ließ den Mann rufen und forderte ihn auf, seine Kunst vor dem versammelten Hofe zu beweisen. Der Derwisch gehorchte dem Befehl, legte eine Nadel auf den Boden, trat drei Schritte zurück und warf eine andere Nadel mit der Spitze in das Öhr der am Boden liegenden.Die Hofleute bekundeten ihr Erstaunen, der König aber befahl den Schatzmeister und einen Prügelknecht zu sich und sagte: Gebt ihm dreißig Silberstücke und dreißig Stockschläge!Die Hofleute bekundeten abermals ihr Erstaunen und wussten nicht, wie dieser Widerspruch zu verstehen sei. Da erklärte der König: Ein Talent soll man belohnen, seine nutzlose Verwendung aber bestrafen.Also: ist ein Talent nicht einfach,so nimm es eben zweifach.Das alte Lied*Ein neu eingesetzter Beamter gab für die Würdenträger seines Amtsbereiches ein Fest. Zur Unterhaltung der Gäste trat auch ein Sänger auf, der sich wie folgt vernehmen ließ: Fort mit dem Alten, herein mit dem Neuen; fort mit dem Unglücksstern, herein mit dem Glücksstern!Der Beamte fühlte sich über die Maßen geschmeichelt. Das ist ein schönes Lied, meinte er, es hat mir sehr gefallen. Das war auch die Meinung Eures Vorgängers, sagte der Sänger stolz.Wie!, rief der Beamte, singst du dieses Lied jedes Mal bei Ankunft eines neuen Beamten?Es ist das einzige Lied, das ich kenne, sagte der Sänger.Also: Das Lob im Allgemeinenpasst immer, will es scheinenEin Hühnerdieb rettet einen Brunnenbauer*Am Rande einer Landstraße, die das Dorf mit der Stadt verband, wurde auf halber Strecke ein Brunnen gebaut. Die Leute freuten sich darüber und lobten den Brunnenbauer, denn bisher konnte man auf diesem Wege keinen Tropfen Wasser bekommen, um seinen Durst zu löschen. Nur wenige Tage danach fiel des Nachts ein Mann in den Brunnen und ertrank. Da schimpften die Leute auf den, der an dieser Stelle einen Brunnen angelegt hatte und forderten seine Bestrafung.Als sich aber herausstellte, dass der in den Brunnen gefallene Mann ein seit langem vergeblich gesuchter Hühnerdieb war, da lachten die Leute und brachten dem Brunnenbauer einen Korb Eier.Also: Verschmähe Lob und Tadel nicht,doch wisse stets: sie ändern sich.Das unbedachte Lob*Meine Schilde sind so fest, dass nichts sie durchbohren kann, rief ein Händler, der Schilde und Speere auf dem Markt feilbot, und meine Speere sind so spitz, dass sie alles durchstechen können!Da fragt ihn jemand: Und was geschieht, wenn einer deiner Speere auf einen deiner Schilde trifft?Also: Du magst es drehn und wenden das höchste Lob kann man nur einem spenden.Der Mond über der großen Stadt*Nachdem ein junger Bursche das erste Mal in der Hauptstadt des Landes gewesen war, erzählte er den Leuten seines Heimatdorfes die wunderbarsten Dinge.In der Hauptstadt, sagte er, sind die Häuser viel schöner und die Straßen viel breiter und die Schulen viel höher und die Schüler viel klüger. Und die Frauen haben mehr Gefühl und die Männer mehr Verstand; und schon die kleinen Kinder sind dort gescheiter als bei uns ein Erwachsener.So ging das den ganzen Tag, und allmählich wurde dieses Gerede den Leuten im Dorf lästig. Aber der Bursche wusste immer neue Herrlichkeiten zu berichten.In der Hauptstadt ist der Mond viel größer als bei uns, sagte er eines Tages.Da wurde es seinem Vater zu viel, und er gab dem Schwätzer eine gewaltige Ohrfeige.Und die Ohrfeigen, sagte der unbeirrt, sind in der Hauptstadt viel kräftiger als bei uns.Also: Das Großmaulist selten faulDie größten Zeiten sind mit den kleinlichsten Ärgernissen verbunden. Das kommt daher, dass die große Ordnung der kleinen vorangeht. Geschichte ist das, was sich die Menschen nicht aussuchen können, sowenig sich die Geschichte die Menschen aussuchen kann, von denen sie gemacht wird. Daher kann man die Zukunft nicht nach der gegebenen Beschaffenheit derer beurteilen, die sie vollbringen werden. Die Geschichte hebt ihre Vollbringer auf das Niveau ihrer Taten. Darin besteht ihre Dankbarkeit.Rote werden diejenigen genannt, die sich an den Faden der Geschichte halten.Zum ersten Mal seit ihrer Existenz ist die Menschheit in der wunderbaren Lage, ihre Gegenwart angesichts eines deutlichen Bildes von der Zukunft aufzubauen. Daher erhält aber unser heutiges Werk die Weihe des Zukünftigen, des über unsere Zeit Hinausweisenden; oder umgekehrt; wir holen die Zukunft bereits in unser jetziges Leben herein, und wir können in einem völlig neuen Sinne ausrufen: Bereichert euch! Denn die Zukunft ist unendlich reich, und sie wird nicht ärmer, wenn wir ihr etwas vorwegnehmen. Die Exkremente einer neuen Gesellschaftsordnung sind die Merkmale der alten.Leider gibt es keine Scheuerfrauen der Geschichte, auch keine Müllabfuhr. Der ganze Dreck muss verarbeitet werden.In Zeiten gesellschaftlichen Umbruchs wird unvermeidlich die Dummheit aufgerührt und bloßgestellt, weil dem schöpferischen Denken entgegengestellt. Daraus entspringt immer wieder die Auffassung, dass es noch nie so viel Dummheit gegeben habe wie gerade heute, obwohl diese optische Täuschung einen Zuwachs an aufrührender Klugheit zur Voraussetzung hat.Das höchste Vergnügen ist das Vergnügen, Zeitgenosse zu sein. Es setzt allerdings voraus, dass uns diese Zeit im Sinne des Wortes gegenwärtig ist.Manche fragen, ob es nicht eintönig sei, nur eine Weltanschauung, nämlich die marxistische, zu besitzen. Bezeichnenderweise wird diese Frage nur von denen gestellt, die sie nicht besitzen.Die marxistische Philosophie ist die erste Wissenschaft, die das volle Bewusstsein ihrer selbst besitzt. Das ist aber identisch mit der Selbsterkenntnis des Menschen, denn die Souveränität der Philosophie ist die geistige Souveränität des Menschen.Die logische KonsequenzNepomuk hörte sich einen Vortrag an. Als der Redner am Ende Beifall klatschte, verbeugte sich Nepomuk höflich.Das Glück des TüchtigenNepomuk war bei einem Verkehrsunfall zu Schaden gekommen. Als man ihm sagte, dass er von Glück reden könne, noch mit dem Leben davongekommen zu sein, wehrte er bescheiden ob.Naive und sentimentalische DichtungEin Genie zu sein, äußerte Nepomuk einmal, ist keine Kunst. Wir übrigen dagegen, die wir so tun, als ob wir welche wären, müssen wirklichen Verstand aufbringen.In Deutschland (und nicht nur in Deutschland) werden Feiertage etc. gewöhnlich am Vorabend begangen, während der Feiertag selbst öde und leer ausgeht. Dieses Bestreben, es schon hinter sich gebracht und nichts mehr vor sich zu haben, ist ein Zeichen mangelnder Lebensart.Die bloße Heiterkeit wird oft der Oberflächlichkeit geziehn.Der ernsten Oberflächlichkeit jedoch ist sie weit vorzuziehn.Der arme MannIhm starb das Weib und auch die Kuh,da war er übel dran.Die Nachbarn boten als Ersatzihm ihre Töchter an.Er fand vor Weibern keine Ruh,man wollt ihm zehne schenken.Doch keiner schenkt ihm eine Kuh das gab ihm viel zu denken.
Inhalt
Die Kunst zu lachenHerein, ihr Narrenvolk!Von einem Manne, der sich zu Tode lachte, nachdem er sein Testament gemacht hatteDas Ende der WeltEin lahmer Schreiber kann keinen eiligen Brief schreiben*Der wundertätige Schelm*Ein Geizhals begleicht eine Rechnung*Erkenntnis des Wesens der Schweine*Ein Gelehrter kauft einen Esel*Eine Lebenskunst*Die Liste für alle Fälle*Der strenge Lehrer im Brunnen*Die doppelte Lehre*Die Antwort des Verrückten*Eine Frage an Gott den HerrnWelthumorDer rettende BeweisLogikCharakterWie ein Pfarrer den lieben Gott ankündigte, und was darauf geschahWie Onkel Fritz den Teufel in der Flasche erschlug, und wie es dazu kamWie zwei sich ausmachten, dass einer von ihnen einen Sparren haben solle, und der Förster hat es geglaubtWie ein berühmter Mann von einem unberühmten Manne besucht wurde, und was der unberühmte davon zu berichten wussteDie Kunst zu liebenTreu und GlaubenAus der überlieferten Aufzeichnung eines Chronisten, welcher von der merkwürdigen Art berichtet, wie einmal ein König seinem Sohne einen Lehrmeister der Liebeskunst beschaffteEin altes Hausmittel gegen Unbotmäßigkeit*Das vollkommene VerbrechenDer nicht zu fromme Pilgrim*Der allzubescheidene Dieb*Politik des GeschmacksVon einem Manne, der nicht vom Frühstückstisch aufstand, ohne seine Kaffeetasse zu zerschmetternEin Traum ohne Ende, und weshalb es fehlteEin Flickschneider wollte seine Liebe flüstern und warum er keine Gelegenheit dazu fandDer GefoppteDavon, wie einmal eine Frau verreiste und der Mann in großer Sorge zu Hause bliebEin Mann ohne Weib ist ein Deckel ohne TopfWomit der Würdenträger nicht gerechnet hatte*Der außerordentliche Fall*Es ist ein eigen DingenDie Kunst zu leidenDer Unglücksmensch*Wie einer einen Gimpel fing*Der Tischler, der ungestört arbeiten wollte*Der bezeichnende Gesichtsausdruck*Geteiltes LobSteckbrief des (Literatur-) Kritikers, der als Ausnahme die Regel beschädigt:Der BuchungsfehlerWissenschaftliches Theater
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