Beschreibung
Gestaltungsfaktoren bilden als Einflussfaktoren auf den Entwurf einer Designlösung die Basis für Konzeption und Design. In diesem Buch wird ein Ansatz zur vernetzten, kontextbezogenen Repräsentation und Kommunikation von Gestaltungsfaktoren durch Charaktere entwickelt und anhand einer ihrer Ausprägungen untersucht, den dazu eingeführten Boundary Actors.Charaktere sind Modelle, die Gestaltungsfaktoren zu Eigenschaftsprofilen zusammenfassen. Sie fungieren im Entwurfsprozess als Akteure, die in Szenarien eingebunden, den Lösungsraum begrenzen und Designlösungen abstrakt beschreiben. Sie nutzen die Eigenschaft von Modellen, Zusammenhänge ganzheitlich vernetzt darzustellen und auf relevante Aspekte zu fokussieren. Zugleich nutzen sie die Stärke mentaler Modelle und von Charakter als Wesensart, Eigenschaftsprofile ganzheitlich greifbar und prägnant zu kommunizieren. So bilden sie eine interdisziplinäre Kommunikationsbasis für ein besseres gemeinsames Verständnis der Projektbeteiligten.Design factors are requirements constituting the basis for conception and design in an informally outlined way. The definition of characters is introduced as representation of linked design factors. These characters make use of model properties to focus on relevant aspects and illustrate interrelations holistically in a cross-linked way. Simultaneously, they employ the power of mental models and human character to communicate a property profile holistically and concisely. This empowers characters to establish a basis for transboundary communication between knowledge domains. Besides, they enhance the team members shared understanding of the design factors relevant to find a design solution.
Autorenportrait
Als selbstständiger Designer hat Markus Schweitzer langjährige Erfahrung im Produkt-, Interaktions- und User Interface Design. In der Auseinandersetzung mit komplexen gestalterischen und strategischen Fragestellungen in den Bereichen Industrieautomatisierung, Kommunikation, Medizin- und Energietechnik vertritt er einen ganzheitlichen und anwenderzentrierten Gestaltungsansatz. Die Projekte erfordern dabei eine kontinuierliche Zusammenführung von und Vermittlung zwischen nutzungsbezogenen, wirtschaftlichen und gestalterischen Interessen.Er studierte Industrial Design an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Seit dem Studium beschäftigt er sich zudem mit den Charakteristika von Entwurfsprozessen und Entwurfsmethoden. Im Fokus steht dabei vor allem die Kommunikation und Repräsentation von Anforderungen in umfangreichen Projekten mit interdisziplinären Teams.
Leseprobe
Textprobe:Kapitel 3.3, Repräsentation von Wissen:Für den gemeinschaftlichen Entwurf kann auf eine explizite Wissensrepräsentation nicht verzichtet werden, deren Grundlage die implizite, individuelle Wissensrepräsentation darstellt. Wissen sichtbar zu machen, um es besser in Anspruch nehmen, diskutieren, bewerten und managen zu können, ist ein seit jeher bestehendes Ziel im Wissensmanagement (vgl. z. B. Eppler&Burkhard, 2007: 112). Explizite Wissensrepräsentation macht individuell repräsentiertes Wissen im Entwurfsprozess verfügbar und dient so der Modellierung von Zusammenhängen und zukünftigen Situationen.3.3.1, Zukunft modellieren:Gestaltung ist zukunftsorientiert. Nach Simon (1996: 111) gestaltet jeder, der durch Handlungen existierende Situationen in bevorzugte Situationen verwandelt. Jonas (2007: 200) bezeichnet allerdings das Befassen mit dem Zukünftigen, mit dem, was noch nicht ist, gleichzeitig auch als größtes erkenntnistheoretisches Problem in der Designdisziplin. Denn es ist zwar möglich, eine Vorstellung der Zukunft zu entwickeln, jedoch kann diese aufgrund der Struktur von Designproblemen und vielen unbekannten Faktoren niemals eindeutig sein. Insofern entwerfen Designer nach Krippendorff (2006: 29) lediglich Alternativen einer möglichen Zukunft, die allerdings nicht nur auf Ableitungen aus Gegenwart und Vergangenheit, sondern auch auf der Erkundung neuer Ideen beruhen. Dazu vergleichen sie die Alternativen bezüglich ihrer Wünschbarkeit und suchen nach veränderbaren Faktoren und Wegen zur Umsetzung dieser Alternativen.Zur Beschreibung zukünftiger Situationen, die zur Beurteilung von vorgeschlagenen Designlösungen dienen, fehlt Designern eine exakte Sprache. Begreift man einen Lösungsentwurf im Designkontext als ein Modell einer möglichen, zukünftigen Realität (vgl. van Aken, 2005: 391), so können Modelle die Elemente einer repräsentierenden Designsprache bilden, die das Kommunikationsproblem zumindest teilweise lösen kann (vgl. Jones, 1992: 23). Modelle formulieren nicht nur konkrete Zusammenhänge, sie lassen auch Spielraum für Interpretationen, bieten Ansatzpunkte für Kommunikation und Diskussion und fungieren gleichzeitig als Lösungsartefakte auf dem Weg zum fertig gestalteten Produkt. Nach Bucciarelli (2002: 227ff.) sind Artefakte, und somit auch Modelle, im gesamten Entwurfsprozess aktive, linguistische Elemente einer Annäherung an das zu gestaltende Produkt und dienen dem wissensgebietsübergreifenden Austausch und der Definition wichtiger Aspekte. Der gemeinsame Wissensbildungsprozess sei dabei viel entscheidender als die Exaktheit der gemeinsamen Sprache. In dieser Funktion können Modelle auch zu Boundary Objects werden, sofern sie veränderbar sind.[] the object of design is not a real object; it doesnt exist yet inprocess. What does exist are things like charts, acronyms, sketches,diagrams, models, mock-ups, last years product line, specificationswritten out in a contractual document, etc. These artifacts stand infor the object of design (Bucciarelli, 2002: 228f.).Modelle können den ständigen Wechsel zwischen Abstraktion und Konkretisierung (vgl. Sanders&Stappers, 2008) abbilden, der besonders am Anfang eines Entwurfsprozesses ausgeprägt ist, und stellen daher eine geeignete Strategie dar, um mit der Unsicherheit von Designproblemen und Zukunftsgestaltung umzugehen. So beruhen Entwurfsprozesse zu großen Teilen auf der iterativen Modellierung von Designlösungen auf unterschiedlichen Konkretisierungsebenen. Modelle selektieren, setzen einen Fokus auf bestimmte Eigenschaften und Beziehungen, die so besser verstanden, diskutiert und visualisiert werden, während weniger wichtige in den Hintergrund treten (vgl. Cooper et al., 2007: 76; Dubberly, 2009: 56; McMenamin&Palmer, 1988: 37; Pahl et al., 2005: 205). Sie filtern interessante Eigenschaften ohne das Verständnis des Ganzen zu zerstören (vgl. Lim et al., 2008: 24) und machen damit Komplexität in der Produktentwicklung beherrschbar (vgl. Jones, 1992: 28). Partsch (2010: 36) bezeichnet diese Fähigkeit, das Verkürzungsmerkmal, als wichtigste Eigenschaft von Modellen, wichtiger als das Abbildungsmerkmal (Repräsentation der Realität) und als das pragmatische Merkmal (Substitution der Realität). Zugleich ist das Verkürzungsmerkmal der größte Nachteil von Modellen, da nur ein künstlicher Ausschnitt der Realität betrachtet wird. Zur ganzheitlichen, nahezu vollständigen Beschreibung eines Produkts werden daher immer mehrere Modelle benötigt (vgl. Lindemann, 2009: 32). Mendel (2012: 81ff.) beschreibt die Verwendung unterschiedlicher Modellarten zu verschiedenen Zeitpunkten im Entwurfsprozess: In der Anforderungserhebung dienen sie zur Organisation und zum Vergleich der Information, in der Anforderungsklärung werden sie zur Bildung eines Verständnisses der aktuellen Situation verwendet, während der Konzeption dienen sie der Erkundung von Lösungsideen und während des Designs können Ideen durch Modelle konkretisiert und spezifiziert werden.Im Entwurfsprozess wird eine Repräsentation von Gestaltungsfaktoren benötigt, die quasi als linguistisches Entwurfselement dient und die vielfältigen Aspekte auf die zum jeweiligen Zeitpunkt relevanten Gestaltungsfaktoren verkürzt.3.3.2, Schemata, Frames und Scripts:Wie genau Wissen und Information im Gehirn gespeichert, repräsentiert und abgerufen wird, ist ein in der Psychologie, Neuro- und Kognitionswissenschaft noch immer breit diskutiertes Thema. Im Rahmen von Entwurfsprozessen ist hier insbesondere von Interesse, wie die kognitive Repräsentation von Wissen kreative Prozesse unterstützen kann und welche ihrer Eigenschaften sich für eine explizite, entwurfsbezogene Wissensrepräsentation nutzen lassen. Kukla (1992: 219ff.) bezeichnet kognitive Systeme allgemein als Modellkonstrukteure, die Information von interpretierten und normalerweise unvollständigen Modellen als Argumente für die von ihnen ausgeführten Funktionen verwenden. Stärker regelbasierte und unflexiblere Konzepte der Wissensrepräsentation beschreiben Schema-Theorien, sogenannte Frames, Scripts und Schemata, die Wissen mit Hilfe kaum bewusst beeinflussbarer Prozesse repräsentieren. Dies lässt sie als Grundlage expliziter Wissensrepräsentation ungeeignet erscheinen, trotzdem werden sie zur Abgrenzung von mentalen Modellen kurz dargestellt.Minsky (1974: 1) stellt die Frame-Theorie anderen Theorien der Wissensrepräsentation gegenüber, die er für zu lokal verortet und zu unstrukturiert hält. Argumentation, Sprache, Gedächtnis und Wahrnehmung seien von strukturierterer Natur und müssten übergreifender betrachtet werden. Zudem müssten das Faktenwissen sowie das prozedurale Wissen stark verknüpft sein, um die Fähigkeiten mentaler Aktivitäten überhaupt erklären zu können. Diese Struktur bilden nach Minsky (1974: 1f.) miteinander verknüpfte Frames, die Rahmenkonzepte auf hoher Abstraktionsebene darstellen. Ein Frame sei eine Datenstruktur, die eine stereotypisierte Situation repräsentiert und verschiedene Arten von Wissen beinhaltet, u. a. über die Nutzung des Frames, was als nächstes zu erwarten und wie mit nicht erfüllten Erwartungen umzugehen sei. Die von Schank&Abelson (1988) beschriebenen Scripts sind den Frames ähnlich: Sie bilden schematisierte oder stereotypisierte Ereignisse bzw. Handlungssequenzen ab, sind dabei aber stark geprägt von individueller Erfahrung. Nach Waldmann (1990: 20f.) bezeichnen Scripts Schemastrukturen, die auf spezifische, komplexe Routineereignisfolgen Bezug nehmen. Dabei beziehen sich Scripts im Gegensatz zu lokalem Detailwissen auf komplexe Ereignisfolgen, wie etwa einen typischen Restaurantbesuch, und wecken zudem Erwartungen über das nächste und auch später folgende Ereignisse. Schemata wiederum können auf allen Abstraktionsebenen verwendet werden und unterscheiden sich dadurch von Frames. Sie sind nach Rumelhart et al. (1986: 18ff.) Datenstrukturen, die im Gedächtnis gespeicherte, generalisierte, generische Konzepte von Objekten, Situationen, Ereignissen, Ereignissequenzen, Handlungen und Handlungssequenzen repräsentieren. Sie seien so etwas wie Modelle der Außenwelt, von denen zur Informationsverarbeitung jeweils die am besten passenden ausgewählt würden, die als Schemata-Konfiguration zusammen die Information bzw. eine Situation interpretieren. Bisher könne allerdings keine der Schema-Theorien alle den Schemata zugeschriebenen Eigenschaften bestätigen, wie z. B., dass ein Schema flexibel und generativ ist, aber stark strukturierte Interpretationen von Ereignissen und Situationen produzieren kann. Schemata seien keine im Gedächtnis gespeicherten Objekte, sondern würden in dem Moment gebildet, in dem sie gebraucht werden. Rumelhart et al. (1986: 40ff.) schlagen deshalb eine Verbindung von dieser aktiveren Definition von Schemata mit mentalen Modellen vor (Parallel Distributed Processing): Durch Schemata werden regelbasiert Handlungen erzeugt und dann durch mentale Modelle verarbeitet, wodurch eine Antizipation von Handlungen ermöglicht wird. Auch diese Theorie ist nicht unumstritten, zeigt aber auf, dass nebeneinander verschiedene mentale Repräsentationsmechanismen existieren und mentale Modelle aufgrund ihrer Flexibilität und Fehlertoleranz, die mit Inkonsistenzen und Unvollständigkeiten umgehen können, einen wichtigen Teil der mentalen Repräsentationen darstellen.Auch nach Glenberg (1999: 79) reicht Weltwissen in Form von vorher gespeicherten Prämissen alleine nicht aus, um zwischen sinnvollen und nicht sinnvollen Aussagen zu unterscheiden, da Menschen immer wieder mit neuen Situationen konfrontiert werden, für die das bekannte Weltwissen, anders als mentale Modelle, nicht anwendbar ist. Mentale Modelle als Bestandteil des kreativen Teils der mentalen Repräsentation bilden hingegen keine Stereotype, so wie Schemata, sondern verknüpfen das vorhandene und neues Wissen flexibel. So können sie Basis für die Wissensbildung sein und Vorhersagen erlauben. Insofern erscheint die Repräsentation durch mentale Modelle im Rahmen der Kommunikation von Gestaltungsfaktoren im Entwurfsprozess für eine nähere Betrachtung ergiebiger als die stark auf nicht beeinflussbaren, unbewussten Regeln basierenden Frames, Scripts und Schemata.Die Kommunikation von Gestaltungsfaktoren durch ihre ganzheitliche und vernetzte, explizite Repräsentation kann implizite Zusammenhänge und Abhängigkeiten vermitteln, wenn es gelingt eine Repräsentationsform zu finden, die auf den bewussten und beeinflussbaren Mechanismen der kognitiven Wissensrepräsentation aufbaut. Da die Entwicklung neuer Designlösungen mit der Antizipation und Integration neuer Information verbunden ist, sind dafür flexible Strukturen besser geeignet als starre regelbasierte.
Informationen zu E-Books
Individuelle Erläuterung zu E-Books