Beschreibung
DAS WELLENFIEBER (Erstsendung 7.5.50)
Im Funk und bei seinen verwirrten Hörern war ein Wellenfieber ausgebrochen, eine Art Panik. Wie sich das äußerte? Nun - Manche Rundfunmkwellen haben nur kurze, und andere große Reichweiten. Daß zum Beispiel München jahrzehntelang auf Mittelwelle 405 Meter in ganz Europa, bis Nordafrika zu hören war, ärgerte die Siegermächte. Sie nahmen uns in Kopenhagen auf einer Wellenkonferenz mit Neutralen und Unbeteiligten einfach die guten Frequenzen weg. Unserem zerbombten Land - dem Radio d a s Informations- und Unterhaltungsmedium war, weil die meisten Theater und Kinos noch immer in Trümmern lagen und die Zeitungen infolge Papiermangels dünn waren. Nun auch noch ein kratziger und störanfälliger Radioempfang? das ärgerte uns. Der gutmütige Komponist und Schriftsteller Ludwig Kusche, ein Urgestein unter Münchens Rundfunkkünstlern, verfaßte vor Zorn sogar eine groteske Brummlg'schicht.
Man wußte damals noch nicht, daß unsere Ingenieure schon an einer Wunderwelle arbeiteten, die uns aus dem Schlamassel helfen konnte: dem Ultra-Kurz-Wellen-Bereich, der kaum störungsanfällig und ungeahnt leistungsfähig war. Hatten Mittelwellen trotz riesiger stromfressender Sendeturmanlagen nie leise Töne eines Orchesters oder Geräusche in einem Hörspiel klar übertragen können. UKW Sender konnten es, wie heute Jeder weiß. Ihr einziger Nachteil war, daß sie nur in Sichtweite senden konnten, weil die UK-Wellen sich, wie das Licht, stangengrad verbreiten und nicht über Berge kriechen können. Dem begegneten die Techniker, indem sie mehrere kleine Sendeanlagen auf Berggipfeln für das selbe Programm aufstellten. UKW Sender paßten in zimmergroße Räume und waren viel billiger als Großanlagen.
Der Welt erster UKW Rundfunksender und nahm in München Ende Februar 49 den Betrieb auf. Damit begann eine neue Radio-Epoche. Heute sendet alle Welt auf UKW. Die Radioindustrie erwachte jäh, und baute neue Empfänger, die nun 'Reciever' hießen. UKW ermöglichte Neues, wie Stereo, Spartenprogramme, Autoradios, etc. und förderte das Fernsehen. Lauter Fortschritte, nur weil man uns die Mittelwelle nahm. Es hat eben alles auch sein Gutes.
Autorenportrait
LUDWIG KUSCHE - Über die ersten Tage dieser technischen Revolution schrieb der Komponist Ludwig Kusche grimmig eine Brummlg'schicht. Unter Pseudonym, weil sowas nichts mit seinem Musiker-Beruf zu tun hatte. Er kannte die Brumml-Darsteller und den Stil aus leidvoller Erfahrung, er saß ja bei 43 Vorstellungen des Brumml-Theaterstücks 'Hypnose' im Volkstheater am Klavier. Es ist nervtötend für einen Musiker, den ganzen Abend da zu hocken und immer wieder die gleichen Pointen anhören zu müssen, nur um ein paar Szenenübergänge zu spielen..
Trotzdem war es gut, daß er das kannte. Über unser beider Verehrung für Richard Strauss kamen wir einander nahe. Auf der Omnibusfahrt zu einem Brumml-Gastspiel in Garmisch saß ich hinter ihm und summte bei der Ankunft ein Thema aus der damals noch selten gespielten 'Alpensinfonie' Da riß es ihn herum: Wer summt das? Dieser Unterhaltungsheini? Wieso der? Sein Weltbild wackelte, wir begannen ein Gespräch und beendeten es als gleichgesinnte Freunde.
Als der stolze Programmdirektor bei Folge 12, der Goethefeier, meinte, Mozart gegen uns Banausen schützen zu müssen, (er ahnte nicht mal, daß es das Menuett nicht von Mozart sondern von von Boccherini war) und Neukomposition befahl, bat ich Kusche, stilistisch kontrastierende neue Nummern zu schreiben, die des Direktors Befehl dezent derbleckten, Er tat es gern.
Daß die Internationale Kopenhagener Wellenkonferenz den Deutschen alle guten Mittwellen nahm, ärgerte den Rundfunkpionier Kusche sehr. Er gehörte seit den Anfangstagen anno 1927 zu den Rundfunkstars der 'Deutschen Stunde in Bayern' und war als Komponist und Pianist ein Liebling des Publikums. Ärger gebiert Rachegelüste, Rache ist süß, und Künstlerrache findet am treffendsten in Werken statt. Hat er Humor, sogar in gaudigen, ironischen Kusche.
Er war des Wortes mächtig. Er schrieb im Lauf dieser Jahre 100 Folgen seiner Reihe 'Musikaleum' , die ich mit Annette von Aretin, Fritz Wilm Wallenborn und mir als Trialog-Terzett realisierte. Dartin machten wir mit Kusches Worten den Hörern die klassische Musik schmackhaft. Später habe ich noch 28 Sendungen im Fernsehen unter diesem Titel mit solchen Inhalten gemacht, bei denen er, den man bald den 'Musikprofessor' nannte, selber im Bild mitwirkte. Zusammen mit Prof. Hans Gebhart, und nach dessen Tod dem Schriftsteller Hugo Hartung (der u.a.' 'Ich denke oft an Piroska' und 'Wir Wunderkinder' schrieb) Der dritte, Kurt Wilhelm, also ich, war Kusche durch gemeinsame Arbeiten und jahrelange Freundschaft über zwei Jahrzehnte eng verbunden. Sein Wissen um alle Themen der Musik schlug sich auch in über 20 amüsanten Büchern nieder, die er zu Lebzeiten veröffentlichte. Sie trugen dazu bei, ihn weiten Kreisen, auch Fernseh-Verächtern zum Begriff zu machen. Er war Jahrgang 1901, und starb 1983. Ein von Humor und Musik erfülltes, für alle Freunde amüsantes Leben war zuende.