Beschreibung
Wladimir Korolenko, ein russischer Erzähler, hat hier den alten Glöckner porträtiert, einen, der sein ganzes Leben auf den Turm steigt und "seine" Gemeinde von oben betrachtet und jeden einzelnen mit seinen Sorgen und Nöten kennt. Er ist wie immer in Gedanken. Was wird wohl in einem Jahr mit ihm sein?
Das Heft hat 18 Seiten.
Es wurde im Handsatz von Schülern einer neunten Klasse aus einer 16 Punkt Antiqua gesetzt.
Auf den jeweils rechten Seiten hat Michael Kupfermann ganzseitige Zeichnungen beigefügt.
"Micheitsch steigt auf den Glockenturm und bald hängt seine kleine Laterne wie ein Stern, der sich in die Luft geschwungen hat, im weiten Raum.
Dem Alten fällt es schwer, die steile Treppe hinaufzugehen. Die müden Beine versagen den Dienst, er ist verbraucht, die Augen sehen schlecht. Es ist Zeit für ihn, zur Ruhe zu kommen, aber Gott will den Tod nicht schicken. Er hat die Söhne begraben und die Enkel, hat Alte und Junge zu Grabe geleitet - er selbst ist immer noch am Leben. Ein schweres Los. unzählige Male hat er das Frühlingsfest begangen, er kann sich nicht mehr entsinnen, wie oft er die festgesetzte Stunde erwartet hat hier auf dem Glockenturm. Und nun hat Gott ihn wieder hergeführt.
Autorenportrait
Wladimir Galaktionowitsch Korolenko (1852-1921)
Schriftsteller und Publizist. Während der Zarenzeit von 1881 bie 84 Verbannung nach Jakutien.
Seine wichtigsten Erzählungen: Der blinde Musikant, Der Fluss regt sich, Ohne Sprache, Die Nacht vor dem Auferstehungsfest.
"Die Geschichte meines Zeitgenossen" ist seine Selbstbiografie, die nicht bloß ein Kunstwerk ersten Ranges, sondern auch ein hervorragendes kulturhistorisches Dokument aus der Zeit der 'großen Reformen' Alexanders II. darstellt."
So empfahl Rosa Luxenburg den ersten Teil von Korlenkos Lebensbericht einem Verleger.
Was der Dichter aus der Distanz von rund fünfzig Jahren schildert, seine Kindheit und frühge Jugend, ist zwar chronologisch geordnet, die Präzision der Fakten, wie sie sie nur ein phänomenales Gedächtnis wiederzugeben vermochte, verblüffend - aber es ist zugleich die Präzision, die den Träumen eignet, dem kindlichen Erleben, das in urtümlicher Weise den Erscheinungen begenet.
Korolenko hat sich nie einer Partei verschrieben; sein christlich fundierter Humanismus redet die einfache Sprache des Menscheherzens"
Heinrich Riggenbach