Beschreibung
Mit dem posthum veröffentlichten Roman Bouvard et Pécuchet (1881) wollte Flaubert eine Enzyklopädie in Romanform schreiben. Dabei bildet der enzyklopädische Diskurs in seiner weiten, philosophisch-wissenschaftsgeschichtlichen Bedeutung eine Deutungsvoraussetzung für die Gesamtinterpretation des Romanfragments. Die roman-konstitutive Makrostruktur des orbis doctrinae wird im ersten, narrativen Teil des Romans durch romanspezifische Systemstrukturen (realistischer Roman, Bildungsroman) sowie diskurstypische intertextuelle Szenographien (Dialog, Gelehrter, Experiment) angereichert. Daneben werden die Einzelwissenschaften über eine Fülle von Textreferenzen greifbar. Unverhohlen werden Begriffe oder ganze Absätze, Strukturen und Stileigenschaften zeitgenössischer Wissenschaftstexte in eine Logik der erzählten Welt verwandelt: Ideen und Theorien werden in statu nascendi zurückversetzt und entfalten sich zum Wissenschaftsspektakel. Neben den angestammten Disziplinen gilt Flauberts Aufmerksamkeit auch jüngeren Wissenschaftszweigen wie der Agronomie, der Lebensmittelkunde sowie der Phrenologie. Ausgewählte Textanalysen zeigen, daß die Vielzahl der Bezüge in einem breiten Spektrum ernsthafter, ludischer, komischer, farcenhafter, polemischer und satirischer Textverarbeitung ihre Entsprechung findet. Als vergleichsweise unterdeterminierte Gattung bietet der Roman eine narrativ-figurale Ermöglichungsstruktur zur Hybridisierung der in der überlieferten Idee der Enzyklopädie greifbaren disziplinären Spezialdiskurse.
Inhalt
Einleitung
1 Zwischen Enzyklopädie und Roman
1.1 Zum Textstatus von Bouvard et Pécuchet
1.2 Der Diskurs der Enzyklopädie
1.2.1 Blütenlese, Weltbuch, Universalwissenschaft
1.2.2 Enzyklopädik im klassischen Zeitalter
1.2.3 Das Jahrhundert der Wörterbücher
1.3 Intertextualität
2 Boulevard und Bildung (Affektion)
2.1 Incipit-Modelle
2.2 Derelaisierung
2.2.1 Tempus
2.2.2 Raum
2.2.3 Personenerwähnung
2.3 Bildungsroman
3 Studieren auf dem Lande (Rezeption)
3.1 Intertextuelle Szenographien (Systemreferenz)
3.1.1 Der Dialog
3.1.2 Der Gelehrte
3.1.3 Das Experiment
3.2 Wissenschaftsprosa und Erzählung (Textreferenz)
3.2.1 Agronomie
3.2.2 Lebensmitteltechnologie
3.2.3 Okkultismus
4 Dozieren in der Stube (Applikation)
4.1 Bouvard und Pécuchet als Museumspädagogen
4.1.1 Vom Sammeln (Exkurs)
4.1.2 Liebhabersammlung
4.1.3 Industriekunstwunder
4.2 Bouvard und Pécuchet als Erzieher
4.2.1 Philanthropische Erziehung
4.2.1 Autoritäre Erziehung
4.2.3 Szientistische Erziehung
4.3 Bouvard und Pécuchet als Autoren
4.3.1 Artikulationen
4.3.2 Notizen
4.3.3 Werke
Schluß
Bibliographie
Ein letztes Wort