Peripher oder polyzentrisch?
Alternative Romanwelten im 18. Jahrhundert
Kuhn, Barbara / Scherer, Ludger
Erschienen am
16.01.2009, Auflage: 1., Aufl.
Beschreibung
Der Titel dieses Sammelbands zielt auf die nach wie vor fragwürdige Stellung des Romans im 18. Jahrhundert, insbesondere an den Rändern dessen, was als Zentrum Europas wahrgenommen wird. Entsprechend beziehen sich die Begriffe ‹peripher› und ‹polyzentrisch› in unterschiedlicher Weise kontrovers auf dieses eine, alles dominierende Zentrum, als das im Zeitalter der Aufklärung für die romanischen Länder wie selbstverständlich Frankreich gesetzt wird. Durch die Entdeckung alternativer Romanwelten sollen die Topoi der Literaturgeschichtsschreibung überdacht und durch neue Lektüren allzu bekannter oder längst vergessener Romane in Frage gestellt werden.
Bietet schon der französische Roman bei näherer Betrachtung ein überaus heterogenes Bild, zeigt sich, weitet man den Blick auf England, Italien, Spanien und die französischsprachige Schweiz, ein desto differenzierteres Spektrum interessanter Texte, die zu Unrecht vom Kanonisierungsprozess übergangen wurden. Das selbst in neuerer Forschungsliteratur wiederholt vor allem für Spanien und Italien vorgetragene Klischee, es gebe in diesen Ländern keinen ernstzunehmenden modernen Roman, scheint nach den hier vorgelegten Lektüren, Relektüren und Gegenlektüren von narrativen Texten des 18. Jahrhunderts einer Überprüfung wert.
Inhalt
BARBARA KUHN / LUDGER SCHERER: Der Roman, die Romania und das 18. Jahrhundert. Einleitende Bemerkungen
ROLF LESSENICH: Antike, Romania und die Gattungstheorie des englischen Romans im 18. Jahrhundert
MICHAEL BERNSEN: Ägypten im französischen 18. Jahrhundert: der Roman Sethos des Abbé Terrasson
CHARLOTTE KRAUß: Die alternativen Welten des Bernardin de Saint-Pierre
ULRIKE SPRENGER: Aporien der Empfindsamkeit – Einfühlung und Verausgabung in Prévosts Manon Lescaut
ANSGAR THIELE: Jean Potockis Manuscrit trouvé à Saragosse und das Individuum der Unterhaltung
SUSANNE KREPOLD: Zwischen Predigt und Satire. Zu Jacob Vernes’ Briefroman Confidence philosophique und den Missverständnissen seiner Rezeption
BARBARA KUHN: 'J’étois deux personnes'. Briefästhetik und Subjektentwurf in den Romanen Isabelle de Charrières
ROBERT FAJEN: Imaginäre Reisen der Stadt. Venedig und der venezianische Roman im 18. Jahrhundert
SUSANNE WINTER: Theaterwelten im italienischen Roman des 18. Jahrhunderts
LUDGER SCHERER: Don Quijote im Settecento. Eine Relektüre von Pietro Chiaris Filosofessa italiana
MONICA BANDELLA: 'Qualche pennellata presa d’altronde'. Saverio Bettinelli und der europäische Briefroman: Lettere d’un amica (1785)
ROLAND ALEXANDER IßLER: Polyzentrisch, peripher? – eine späte Übersetzung für die Repubblica Letteraria. Der Pentamerone delle Metamorfosi d’Ovidio (1777) eines anonymen Prosatore toscano zwischen Epik, Novellistik und dem neuen Genus des Romans
MANFRED TIETZ: Roman und Theater im spanischen 17. Jahrhundert. Geschichte eines Niedergangs
HANS-JOACHIM LOPE: Geträumtes Baltikum. Vicente Martínez Colomers ‹nordischer› Traum in El Valdemaro (1792)
MANFRED LENTZEN: Der Roman als Schule der Moral. Pedro Montengóns Eudoxia, hija de Belisario (1793) in der Nachfolge Marmontels
HENRIETTE PARTZSCH: El medio con que se oculta el veneno. Sexualität, Libertinage und Empfindsamkeit in Pedro Montengóns spanischem Erziehungsroman Eusebio
CHRISTIAN von TSCHILSCHKE: Das Primat der Ethik. Strategien kultureller Rezentrierung in José Cadalsos Cartas marruecas (1774/1789) – mit einem Ausblick auf Pedro Montengóns Eusebio (1786-1788)
SABINE SCHMITZ: Konstruktionen des ‹Orient› in José Cadalsos Cartas marruecas. Identitätsformationen im Zeichen von Orientalism, Afrophilie und Ethnozentrismus?
JAN-HENRIK WITTHAUS: Vom Vater zum Sohn. ‹Patriotische Inschriften› in José de Cadalsos Cartas marruecas
Zu den Beiträgerinnen und Beiträgern