Beschreibung
Ein farbenprächtiger Roman vor der Kulisse des alten Palästina
Erez Ysrael, 55-73 n. Chr. Seit einhundert Jahren ist das Land Teil des römischen Imperiums. Doch die fremden Machthaber missachten die jüdischen Bräuche und erheben Steuern, die das Volk kaum aufbringen kann. In den Herzen der Aufständischen von Erez Ysrael lodert die Sehnsucht nach Freiheit und Gerechtigkeit.
Inmitten dieser von blutigen Unruhen geprägten Zeit lebt die junge Halbjüdin Daya, deren Mutter bei einem Brand ums Leben kam. Nur ihre Aufzeichnungen über ihre Zeit als enge Vertraute Jeschuas aus Nazeret blieben unversehrt, doch wurden sie heimlich versteckt. Daya damals noch ein kleines Kind verliert ihre Sprache und einen Großteil ihrer Erinnerungen. Um die wenigen, wiederkehrenden Bruchstücke nicht zu vergessen, notiert sie diese auf Tonscherben.
Auf der Suche nach ihrer Vergangenheit, begegnet Daya dem Freiheitskämpfer Mattaji, der für seine Vision von einem unabhängigen Volk bis zum Äußersten geht. Daya steht vor einer weitreichenden Entscheidung: Soll sie ihren Gefühlen für den faszinierenden jungen Mann nachgeben, oder weiter nach den Papyrusschriften ihrer Mutter suchen?
Während sie Unterschlupf bei den Anhängern des getöteten Nazareners sucht, rüstet Mattaji mit den Rebellen zum finalen Kampf gegen die Römer auf der Wüstenfestung Mezada
Nach ihrem erfolgreichen Debüt "Das Mirakelbuch. Historische Erzählungen aus dem Westerwald" folgt nun der erste Roman der bekannten Westerwälder Autorin Michaela Abresch.
Autorenportrait
Michaela Abresch, Jahrgang 1965, lebt mit ihrer Familie in einer Kleinstadt im Westerwald. Sie ist tätig in pflegerisch-beratender Funktion innerhalb einer Einrichtung für Menschen mit schweren Mehrfachbehinderungen.
Verschiedenen Veröffentlichungen in Anthologien und ihrem 2012 erschienenen Erzählband Das Mirakelbuch folgt ein Jahr später ihr erster historischer Roman Ostrakon. Die Scherbenhüterin.
Homepage der Autorin: www.michaela-abresch.de
"Die Arbeit an einem Roman verlangt dem Schreiber viel mehr ab als nur Zeit. Immer wieder in die selbst erschaffene Welt aus Worten einzutauchen, führt dazu, sich irgendwann als ein Teil von ihr zu fühlen und die Figuren darin werden wie gute Freunde, die man vermisst, sobald man sie ein paar Tage nicht gesehen hat."
Leseprobe
Leseprobe aus Teil 2, Erez Ysrael, 60-68 n. Chr., Kapitel 2Am Morgen darauf bat Jochanan Daya, ihn auf einem Spaziergang zu begleiten. Verunsichert erhob sie sich von ihrem Platz an der Getreidemühle. Um diese Zeit gehörte sie an den Mahlstein, wusste er das nicht? Erst als Tante Ester ihr aufmunternd zunickte, lief sie ihren Kopfschleier holen. Warum wollte er sie bei sich haben? Befangen und mit gesenktem Kopf schritt sie neben ihrem Onkel her, der den direkten Weg zum Hafen einschlug. "Gibt es einen Platz in der Stadt, den du besonders magst?", fragte er. Augenblicklich wies sie mit ausgestrecktem Arm hinunter zum See, der silbrig glänzend vor ihnen lag. Seevögel kreisten am wolkenlosen Himmel und stießen die vertrauten, kreischenden Laute aus. [] Die Leute, denen sie unterwegs begegneten, hielten sie auf, weil sie Jochanan begrüßten und Gespräche mit ihm anfingen, ihn Dinge fragten, deren Sinn Daya nicht verstand und sie wunderte sich über die gleichbleibende Freundlichkeit, mit der er auf ihr Drängen antwortete. Sie hörte, wie er die Leute zu einer Zusammenkunft ins Haus seiner Schwester einlud, noch am gleichen Abend, sobald die Sonne untergegangen sei. Daya wusste um die regelmäßig abgehaltenen Zusammenkünfte, denen auch Caleb und ihre Tanten bisweilen beiwohnten, und über die man im Haus nicht viel sprach. Nie hatte sich jemand die Mühe gemacht, ihr Genaueres über deren Zweck zu erzählen oder sie gar gebeten, einmal mitzukommen.[]Sie durchquerten das schattige Laubwäldchen, hinter dem sich jener Teilabschnitt des Ufers anschloss, den Daya am liebsten mochte. Die flache, nur wenige Schritte vom Ufer entfernte felsige Erhebung, die bisher ihr allein gehört hatte, bot genügend Platz für sie beide. Sie setzten sich, schwiegen, lauschten dem Wind, der über den See und mit einem sanften Raunen durch die Halme der Schilfrohre strich. Leise schwappte das Wasser ans steinige Ufer, überschwemmte die glatten Kiesel und brachte sie zum Glänzen. "Ein wunderschöner Ort." Dayas Herz hüpfte vor Freude, weil ihr Onkel ebenso empfand. "Ein Ort, an dem keine Worte nötig sind", fuhr er fort, "deshalb magst du ihn, nicht wahr?" Er suchte ihren Blick. Ein Nicken bestätigte seine Worte. "Und er mag dich ebenso." Sie lächelte. "Ein Ort, an dem für gewöhnlich nicht gesprochen wird." Er wandte sein Gesicht dem See zu. "Und doch kann es keinen besseren Platz geben, um von Menschen und Ereignissen zu sprechen, die es wert sind, sich ihrer zu erinnern." Daya verstand nicht, worauf er hinaus wollte. Er schwieg, und schien in Gedanken weit fort zu sein. "Ich will dir etwas über deine Mutter erzählen, Daya." Seine Worte ließen sie unmerklich zusammenfahren. "Nur wenn du magst", fügte er lächelnd hinzu, den Kopf zur Seite geneigt. Etwas Junggebliebenes haftete ihm an, trotz seines Alters und des struppigen, graubraunen Bartes. Sie mochte ihn, weil sie spürte, dass er es gut mit ihr meinte. Die Angst flog davon. "Vielleicht haben dir andere Menschen Dinge über sie erzählt, meine Schwester Merab möglicherweise. Oder auch Ester. Vielleicht auch die Frau, mit der du hierher kamst. Jeder von ihnen kannte deine Mutter auf eine andere Weise. Ich will dir davon erzählen, wie ich es tat." Wieder schwieg er einen Augenblick und es war, als sammle er seine Gedanken, um sie in der richtigen Reihenfolge zu ordnen oder um nichts Bedeutungsvolles zu vergessen. Als er zu erzählen begann, lag in seiner Stimme eine Festigkeit, die Daya die innere Wahrheit begreiflich machte, die aus seinem Herzen aufstieg und nun über seine Lippen kam.
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