Beschreibung
Kam uns aus Betlehem die Kunde Von einer Lieb im Weltenrunde; In Cusa sprach ein weiser Mund: Lieb, Welt, und All und eins ist rund. Als Drittes lernet noch hinzu: Das Ipse stirbt und schafft das Tu. So wird aus Etwas Nichts und All, Erlöst aus Egos Höllenqual. Die Lieb ist eins, von eins zu eins, Und Eins und Eins und Eins ist eins; So drei zwei eins ist urselbstein, Wo's All ist muss ein Nichts auch sein - Das aber ist der Sündenfall: Etwas und Ego, Teil und Zahl. Umlernen muss die Mathematik, Astronomie auch, und Physik. Und wollen wir das Heil ergründen: Nur in der Kugel lässt sich's finden. Das Nichts, der Punkt, die Kugel, All - Rund ist der Cubus und der Ball. Der schnellste Weg? Die Grade sei's? Das ist allein der Kugelkreis. Werft fort die Kraft- und Richtungsell Und greift zum Kugelparallel, Das alles Endes Anfang ist: Dieweil es seiner selbst vergisst: Im Anschaun seinerselbst sich schafft Mit urselbsteiner Opferkraft: Und urselbsteiner Stell und Stund Als Nichts und All sich fügt zum Rund. Es stösst im Raum sich das Quadrat, Dieweil's kein Immerwannszentrum hat; Und in der Zeit rückt es nicht fort: Ihm fehlt der Allerwo'smittelort. Doch wollen wir das Heil ergründen: Nur in der Kugel lässt sich's finden. Suh suh die Welt ist rund, Ein Traum, ein Urakkord; Terz und Quint aus Gottes Mund, Septime Menschenwort.
Autorenportrait
Otto zur Linde war der Sohn eines Kolonialwarenhändlers und Gastwirts. Er wuchs ab 1878 in Gelsenkirchen auf. Seine Kindheit war geprägt von schweren rachitischen und skrofulösen Erkrankungen, die früh zu einer Hornhauttrübung führten. Nach dem Abitur studierte zur Linde ab 1893 an den Universitäten in Berlin, Halle/Saale und Freiburg im Breisgau Philosophie, Anglistik und Germanistik. 1899 promovierte er an der Universität Freiburg mit einer Arbeit über Heinrich Heine zum Doktor der Philosophie. Anschließend hielt er sich ohne festen Beruf in London auf, wo er in der Bibliothek des British Museum Studien betrieb; gelegentlich war er daneben als Korrespondent für deutsche Zeitungen tätig. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland ging zur Linde 1902 nach Berlin, wo er ein zurückgezogenes Leben in ärmlichen Verhältnissen führte. Von 1904 bis 1914 gab er die mit Rudolf Pannwitz begründete Zeitschrift Charon heraus. 1925 stellte er seine schriftstellerische Arbeit ein. Seine letzten Lebensjahre waren von einsetzender Erblindung, pathologischer Melancholie und Depressionen geprägt.