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Wege zum digitalen Papsttum

eBook - Der Vatikan im Wandel medialer Öffentlichkeit, Religion und Moderne

Erschienen am 04.10.2018
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593439686
Sprache: Deutsch
Umfang: 283 S., 3.61 MB
Auflage: 1. Auflage 2018
E-Book
Format: PDF
DRM: Digitales Wasserzeichen

Beschreibung

Das Papsttum hält sich stabil im Strukturwandel der Öffentlichkeit. Seine Fähigkeit, Innovationen der Medienlandschaft aufzugreifen, setzt es dabei ein, um moralische Leitlinien für politisches Handeln und eigene Machtansprüche zu formulieren. Dieser interdisziplinäre Band zeigt, welche Kommunikationsstrategien der Vatikan nutzt, um den Papst im Zusammenspiel von Text und Bild als politischen Akteur zu inszenieren, und wie diese medial aufgegriffen und verwandelt werden.

Autorenportrait

Mariano Barbato, Dr. phil., ist Heisenberg-Stipendiat der DFG am Centrum für Religion und Moderne (CRM) der Universität Münster.Melanie Barbato, Dr. phil., forscht an der Universität Münster und am Oxford Centre for Hindu Studies.Johannes Löffler ist wiss. Mitarbeiter am CRM.

Leseprobe

VorwortSetzt man den Aufstieg der Öffentlichkeit in der Aufklärung und mit der Französischen Revolution an, erscheint das Papsttum als deren vermeintlich unweigerlich niedergehender Antipode. Selbst im fortgeschrittenen Strukturwandel spät- oder postmoderner Öffentlichkeit verschwand das Papsttum jedoch weder in privaten Nischen noch im Museum. Entgegen den Erwartungen einer linearen Säkularisierungstheorie erlebte das Papsttum vielmehr eine globale Renaissance. Die Parameter einer aufziehenden digitalen Öffentlichkeit erscheinen erst undeutlich. Anzeichen für einen Abschwung der päpstlichen Konjunktur sind jedoch keine in Sicht - im Gegenteil.Auf dem Titelbild dieses Bandes flattert die Trikolore grüßend über dem Haupt des Papstes, während er durch die Pilgermassen des Petersplatzes die Runden seines modernen römischen Triumphzugs zieht. Hinter dem Papst erkennt man die exklusive Fernsehkamera des Vatikans, die alle Medien mit päpstlichen Bildern versorgt. Im Vordergrund halten Papstpilger die Kameras ihrer mobilen Geräte gezückt, vermutlich auch um die Bilder in den sozialen Medien zu teilen. Solche und ähnliche Szenen spielen sich nicht nur auf dem Petersplatz ab. Überall, wo der Papst in der Öffentlichkeit auftritt, um seine oft kontroversen Positionen zu äußern, schlägt ihm nicht nur öffentliche Kritik, sondern auch öffentlicher Jubel entgegen. Der Band versucht zu klären, wie das passieren konnte.Die Beiträge beruhen überwiegend auf ausgewählten Vorträgen der internationalen und interdisziplinären Tagung "Popes on the Rise! Mobilization, Media, and Political Power of the Modern Papacy/Der politische Aufstieg des Papsttums: Mobilisierung, Medien und die Macht der modernen Päpste", die in Zusammenarbeit des Centrums für Religion und Moderne der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster mit dem Römischen Institut der Görres-Gesellschaft vom 22. bis 26. März 2017 in der Aula Papst Benedikt XVI. am Campo Santo Teutonico in Rom stattfand. Die vertieften Konferenzbeiträge wurden ergänzt durch die Beiträge von Mariano Barbato, Melanie Barbato, Axel Heck und Gerulf Hirt. Während die Tagung die Frage nach dem Aufstieg des Papsttums breit anging, konzentriert sich der vorliegende Band auf das Interesse an der historischen Entwicklung der vatikanischen Kommunikations- und Inszenierungsstrategien und deren medialen Resonanzen in der Perspektive des heraufziehenden digitalen Zeitalters. Die Interdisziplinarität und Methodenvielfalt der Beiträge erlauben den Versuch, den auf sehr unterschiedlichem Terrain verzweigten Wegen zum digitalen Papsttum in einigen wichtigen Wegabschnitten zu folgen. Mit diesem Versuch möchte der Band einen zentralen Mosaikstein zum Puzzle des Papsttums im Strukturwandel der Öffentlichkeit bereitlegen - freilich ohne den Anspruch zu erheben, das mediale Wegenetz der Päpste damit vollständig darstellen zu können. Über das spezifische Interesse am Papsttum hinaus zielen die Analysen des unerwarteten Phänomens päpstlicher Stabilität im Wandel auf ein breites und vertieftes Verständnis des Strukturwandels der Öffentlichkeit.Als Publikation der genannten Tagung am Campo Santo steht der Band im Zusammenhang bereits erfolgter Publikationen von Konferenzbeiträgen mit anderen Auswahlkriterien. Unter dem Titel Popes on the Rise! erschienen 2017 als special issue der Review of Faith& International Affairs Beiträge mit politikwissenschaftlicher Schwerpunktsetzung auf den internationalen Beziehungen des Heiligen Stuhls. 2017 und 2018 erschienen eingeleitet von einem programmatischen Tagungsbericht historisch orientierte Beiträge als Forum der Römischen Quartalsschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte. Der Publikationsprozess der Konferenz läuft weiter.Die Konferenz und ihre Publikationen gehören zu den Arbeiten des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Forschungsprojekts "Legions of the Pope: A Case Study of Social and Political Transformations/Die Legionen des Papstes. Eine Fallstudie sozialer und politischer Transformation", das seit Herbst 2015 am Münsteraner Centrum für Religion und Moderne umgesetzt wird. Den Druckkostenzuschuss für diesen Band stellte das Excellenzcluster Politik und Religion der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster zur Verfügung.Als Herausgeber bedanken wir uns bei den Verantwortlichen der DFG und des Excellenzclusters für die gewährte Finanzierung. Bedanken möchten wir uns auch bei Stefan Heid, Direktor des Römischen Instituts der Görres-Gesellschaft, mit dem zusammen die Tagung organisiert und aus dessen Mitteln ebenfalls ein gewichtiger Beitrag zur Finanzierung der Konferenz geleistet wurde. In den herzlichen Dank schließen wir alle Unterstützer und Gäste der Konferenz ein. Unser herzlicher Dank gilt auch den Kolleginnen und Kollegen am Centrum für Religion und Moderne für ihre Unterstützung und die gute Zusammenarbeit, namentlich Astrid Reuter, Daniel Gerster und Ulrich Willems. Danken möchten wir schließlich den Reihenherausgebern für die Aufnahme des Bandes, dem Lektor des Campus Verlages, Jürgen Hotz, für seine freundliche und effiziente Betreuung und nicht zuletzt den Autoren für die angenehme Zusammenarbeit.Münster, 29. Juni 2018 Mariano BarbatoMelanie BarbatoJohannes Löffler Das Papsttum im Strukturwandel der ÖffentlichkeitMariano BarbatoGehört der Papst mit Bild und Wort in die Öffentlichkeit und wenn ja, in welche? Seinem Selbstverständnis nach spricht der Papst jedenfalls nicht nur zum binnenkirchlichen Publikum einer Teilöffentlichkeit, sondern zu einer integrativ eingestellten politischen Weltöffentlichkeit. Der Papst richtet seine sozialethischen Rundschreiben nicht nur an Katholiken, sondern an alle Menschen guten Willens. Er greift appellativ tagespolitische Themen beim allsonntäglichen Angelusgebet am Fenster des Papstpalastes auf und hält auf seinen Weltreisen vor Massen auf den Plätzen und Abgeordneten in den Parlamenten Ansprachen mit allgemeinem Gültigkeitsanspruch. Bereits im Zeitalter der Massenmedien versuchte der Pontifex mit Radioappellen und Fernsehansprachen ins Weltgeschehen einzugreifen und trägt im aufziehenden digitalen Zeitalter zum Grundrauschen der sozialen Medien mit Twitternachrichten und Instagrambildern bei. Eine positive Antwort auf die Frage nach der Möglichkeit einer öffentlichen Rolle für das Papsttum ergibt sich so schon aus dem empirischen Augenschein der auf mediale Dauerpräsenz gestellten Kommunikationsstrategie des Vatikans, die ohne breite Resonanz, kritische wie affirmative, nicht möglich wäre.Den ohnehin aus säkularisierungstheoretischer Perspektive nicht unproblematischen Befund päpstlicher Omnipräsenz verschärft das Papsttum durch die praktische und explizite Verweigerung, sich als Nichtregierungsorganisation in die Logik einer zivilgesellschaftlich strukturierten oder auch autoritär formierten Öffentlichkeit einzufinden. Wie es dem Papsttum gelang, als Heiliger Stuhl seinen Status als Völkerrechtsubjekt in den internationalen Beziehungen ohne Einordnung in die Systemlogik oder Werteordnung der Staatengemeinschaft zu erhalten, so gelang ihm auch die Verteidigung seiner Rolle in der Öffentlichkeit ohne Unterordnung unter die Regeln der Zivilgesellschaft oder einer formierten Öffentlichkeit autoritärer oder totalitärer Prägung. Die eigenwillige Performanz päpstlicher Machtinszenierung und päpstlichen Machtanspruchs variiert, steigt aber gegenläufig zu linearen Säkularisierungsthesen eines kontinuierlichen Verschwindens der Religion aus Öffentlichkeit und Politik im Lauf der Moderne eher an. Nicht nur in die säkulare Weltpolitik der Staaten, sondern sowohl in die vornehmlich nationalen Öffentlichkeiten der Staatsbürger wie in die sich vermeintlich nach kosmopolitisch-säkularen Vorstellungen entwickelnde Weltöffentlichkeit klinkt sich das Papsttum ein. Das Papsttum hält sich stabil im Strukturwandel der Öffentlichkeit, obwohl deren analytische wie normative Implikationen etwas anderes erwarten ließen. Damit deutet sich an, warum und wie sich die Frage nach der päpstlichen Rolle in der Öffentlichkeit überhaupt stellt. Die Frage nach der Qualität verschiedener Öffentlichkeiten zielt zunächst auf die Analyse rasanter Transformationsprozesse, die sich andeutungsweise als aktuelle Metamorphosen der massenmedialen nationalen Öffentlichkeiten in digitale Öffentlichkeiten der Globalisierung umreißen lassen und sich mit der Sorge um den Erhalt einer normativ aufgeladenen politischen Öffentlichkeit verbindet. Bezogen auf das Papsttum konzentriert sich das Frageinteresse auf die Resilienz auch im neuerlichen Wandel. Eine tragfähige Antwort darauf findet sich, so die These des historisch angelegten interdisziplinären Bandes, jedoch nur dann, wenn sich das Rätsel lösen lässt, wie das Papsttum trotz der Spannung zum normativ exklusiven Gehalt der liberalen Idee von Öffentlichkeit bisher im Spiel bleiben und nicht ins Private abgedrängt werden konnte. Denn der Fall "Papsttum" ist alles andere als trivial, da keine Institution des Ancien Regime so sehr gegen die moderne Konzeption der Öffentlichkeit mit ihren Säulen der Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit stand wie das Papsttum des 19. und frühen 20. Jahrhunderts und trotzdem überlebte. Gegen das Ideal einer aufgeklärten, egalitären und immanentnational orientierten Öffentlichkeit der liberalen Moderne vertrat das Papsttum eine eigene Idealkonzeption einer rational-offenbarungspositiven, hierarchischen, transzendent-global orientierten Öffentlichkeit. Die päpstliche Resilienz in der Auseinandersetzung der Ideale erklärt sich einmal durch die eigene Fähigkeit, soziale und technologische Innovationen der Medienlandschaft aufzugreifen und zu adaptieren, die mit der Zeitungsgründung des Osservatore Romano im Pontifikat von Pius IX. einsetzte und sich kontinuierlich bis zur digitalen Medienreform im Pontifikat von Franziskus fortsetzt. Zum anderen erreichte gerade auch die päpstliche Intransigenz eine Attraktivität als Projektionsfläche in politischer Auseinandersetzung, die dazu verhalf, die nötige Aufmerksamkeitsschwelle zu überschreiten und so Teil konkreter Öffentlichkeiten jenseits gegenläufiger Ideale zu bleiben. Beide Ideale haben sich im Strukturwandel der real existierenden Öffentlichkeiten abgeschliffen, aber offensichtlich hat das liberale Ideal gegenüber dem päpstlichen Ideal die Diskurshoheit behalten. Kein Papst würde heute grundsätzlich gegen Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit predigen. Wie kam es zu dieser Modifizierung? Lässt sie sich als strategische Anpassung oder als Veränderung des Ideals verstehen? Verstärkt der Strukturwandel zur digitalen Öffentlichkeit diese Modifikationen oder stößt er andere Entwicklungen an?Zur Struktur des BandesDie neun Beiträge des Bandes werfen interdisziplinäre Schlaglichter auf die Mediengeschichte des Vatikans, die den Weg des Papsttums durch den Strukturwandel der Öffentlichkeit ausleuchten sollen. Anders als die verwandten Konzepte von Bürgerschaft, Gesellschaft und die Varianten ihrer Synthese von bürgerlicher Gesellschaft und Zivilgesellschaft erschließt die Metapher der Öffentlichkeit das Bild eines für Akteure wie Publikum frei zugänglichen Raums, dessen Innenleben sich durch die Sichtbarkeit und Hörbarkeit der Akteure für das anwesende Publikum auszeichnet. Die Sichtbarkeit päpstlicher Bilder, die Hörbarkeit päpstlicher Worte und die Konstanz des päpstlichen Schauspiels auf dem Programm auch der digitalen Bühne des öffentlichen Raums strukturieren den Band in drei Teile. Die einzelnen Kapitel greifen in ihren Fallbeispielen Teilöffentlichkeiten mit päpstlicher Beteiligung auf. Ohne Vollständigkeit anstreben zu können, erlauben diese Schlaglichter doch zusammen nicht nur den Nachweis, darüber wie "porös" sich Teilöffentlichkeiten zueinander verhalten, um den einen Raum von Öffentlichkeit zu generieren, sondern auch den Blick darauf, wie der Pontifex zu dieser Porosität und damit zur "der" Öffentlichkeit beiträgt und dabei versucht, ihr auch seinen Stempel aufzudrücken. Die einzelnen Beispiele zeigen nämlich nicht den Papst in einer kirchlichen Teilöffentlichkeit, der lediglich der Sperrklinkeneffekt für den Zugang des außerkirchlichen Publikums und nicht-kirchliche Akteure fehlt. Sie zeigen ausgreifende päpstliche Inszenierungen und Kommunikationsstrategien, die auf eine weitverzweigte affirmative wie kritische Resonanz trifft und direkt, aber auch indirekt medial verfremdet und jenseits kurialer Kontrolle, diverse Teilöffentlichkeiten erreicht. Bei aller Diversität der behandelten Teilöffentlichkeiten blicken die Analysen immer auch auf den Zusammenhang von Öffentlichkeit und Politik. Unterbelichtet werden muss hier die Eigenheit des Papsttums, das selbst kirchliche, staatliche und diplomatische Administrationen und zudem ein eigenes Rechtssystem vorhält und schon darüber Macht ausübt. Gezeigt werden kann aber, auch jenseits konkreter Politikziele, wie der Einfluss der Päpste als solcher verhandelt wird. Bei aller Varianz der Themen, Ereignisse, Strategien und medialen Resonanzfeldern verbindet dieser Blick auf den päpstlichen Einfluss auf Strukturen und ihren Wandel die Beiträge des Bandes.Der erste Teil folgt den Bildern und Bildprogrammen des Papstes. Die erstaunliche Persistenz päpstlicher Macht in der Moderne lässt sich, so die These, zu einem signifikanten Teil durch die affirmative wie kritische Resonanz visueller Inszenierungsstrategie erklären.René Schlotts Beitrag zur politischen Bedeutung des Papsttodes seit dem späten 19. Jahrhundert bietet eine Analyse solcher medial verbreiteten Inszenierungen. Unter Verwendung historischer Pressemitteilungen rekonstruiert Schlotts Beitrag über drei Fallstudien die Entwicklung päpstlicher Totenfeiern von einer geschlossenen Feier zu einem medial ausgeleuchteten Ritual kirchlicher und politischer Selbstdarstellung. Die Beisetzung eines Papstes hat sich in der Moderne laut Schlott aus umkämpften Anfängen beim Tod Pius' IX. über ein weltpolitisches Großereignis am Ende des Pacelli-Pontifikats zum vielleicht größten Medienereignis der Geschichte bei der Totenfeier für Johannes Paul II. entwickelt. Im Sog der Medien veränderte sich nicht nur das Ritual, sondern auch dessen politische Relevanz, die gemessen an Anzahl und Rang der während eines Papstrequiems anwesenden Staatsgäste signifikant anstieg.Päpstliche Inszenierungen erschöpfen sich nicht im Schauspiel für ein Publikum, sondern gehören zu religiösen Ritualen. Der Beitrag von Andreas Matena untersucht die Funktion von Ikonen und Bildern zur Anrufung himmlischen Beistandes in Zeiten politischer Krisen durch das Papsttum. Am Beispiel der auslaufenden Tradition der Bittprozessionen mit dem Bild des lateranischen Salvators im Pontifikat Pius' IX. zugunsten außenpolitischer Anliegen - Polen unter russischer Herrschaft - und der eigenen politischen Unabhängigkeit - Bedrohung des Kirchenstaats durch die italienische Staatsbildung - zeigt Matena den öffentlichen Einsatz der Ikone als Mobilisierungsstrategie für Himmel und Öffentlichkeit. Die Entmystifizierung der Ikone trieb das Papsttum nach dem Ende des Kirchenstaats selbst voran, indem der forschenden Öffentlichkeit Zugang zum Bild gewährt wurde. Damit verschwanden aber nicht die Bilder aus der Kommunikationsstrategie der Päpste. Die visuelle Klammer zwischen Himmel und Öffentlichkeit übernehmen nun andere Bildprogramme, unter denen marianische Motive besonders hervortreten. In der visuellen Verklammerung des Himmels mit der Öffentlichkeit hält sich der Einfluss des Papsttums als Autorität über die Bilder, die Himmel und Erde verbinden können.In Anlehnung an Horst Bredekamps Theorie des Bildaktes untersucht Mariano Barbato die politische Latenz päpstlicher Reisebilder. Papstbilder, die einmal erzeugt und öffentlich sind, besitzen laut Barbato eine eigene Latenz, die zwar beeinflusst, aber nicht beliebig gesteuert werden kann. Der Beitrag zeigt sowohl die Bemühungen des Papsttums, wirkungsmächtige Bilder zu produzieren, als auch die seiner Gegner, diese Produktion einzuschränken. Drei Fallstudien beleuchten dieses Ringen um die Bilder des reisenden Papstes in unterschiedlichen Kontexten: der Besuch Johannes Pauls II. in Polen 1979, Franziskus auf dem Weltjugendtag in Krakau im Heiligen Jahr 2016 und die Rede von Benedikt XVI. vor dem Deutschen Bundestag 2011.Nach dem Bild wendet sich der zweite Teil des Bandes dem Wort päpstlicher Botschaften zu. Päpste sprechen kontinuierlich zur Öffentlichkeit, um diese von einer Vielzahl von Positionen zu überzeugen. Die thematische Bandbreite päpstlicher Botschaften ist so ausufernd wie das Ringen um die Durchsetzung päpstlicher Positionen, dass die Kommunikationsstrategie des Wortes hier nicht über eine repräsentative Auswahl dieser Themen und ihrer Stärken und Schwächen im öffentlichen Diskurs in den Blick genommen werden kann. Die Beiträge setzen deswegen durchweg strukturell an und versuchen damit die Grundlagen der Kommunikationsstrategie des päpstlichen Wortes und dessen mediale Resonanz zu beleuchten.Am Beispiel des päpstlichen Welttags der Kommunikationsmittel weist Gerulf Hirt den Anspruch der Päpste nach, kontinuierlich ein grundsätzliches Wort zur kommunikativen Verfasstheit der Öffentlichkeit zu sprechen. Dabei arbeitet Hirt die Zielsetzung des päpstlichen Anspruchs heraus, sich als moralische Instanz und normierender Mitgestalter einer öffentlichen Kommunikationskultur zu positionieren. Anhand der päpstlichen Botschaften zum jährlichen Welttag der sozialen Kommunikationsmittel im Pontifikat seines Initiators Pauls VI. und eingebettet in einen größeren medienhistorischen Kontext liefert Hirt eine detaillierte Übersicht päpstlicher Stellungnahmen und belegt dabei die Bedeutung persönlicher Medienaffinität der Päpste.Der Beitrag von Isabella Tarsi typologisiert die Metaphern, die Papst Franziskus in die Debatte der europäischen Flüchtlings- und Migrationskrise einführte und setzt diese illustrativ in den Kontext ihrer medialen Rezeption durch italienische Printmedien am Beispiel von La Repubblica. Theoretisch orientiert sich Tarsis Beitrag vor allem an der Metaphernforschung von George Lakoff und Mark Johnson und leitet daraus ihre Typologie der Herkunftsbereiche päpstlicher Metaphern für den Migrationsdiskurs ab. Tarsis Beitrag fokussiert auf ein aktuell besonders strittiges Thema päpstlicher Überzeugungsarbeit, dessen Erfolg den Wechselfällen politischen Ringes unterworfen ist. Für die strukturelle Frage nach Öffentlichkeit stellt sich dieses Thema in der Herangehensweise von Tarsi als ergiebig dar, weil in den detailliert dargestellten Metaphern dem Papst beim Versuch der Sprachbildung zugeschaut werden kann und dabei deutlich wird, wie die Stoßrichtung seiner Argumentation auf die emotionale Konstruktion einer übernationalen Gemeinschaft der Weltöffentlichkeit abzielt.Der Beitrag von Melanie Barbato diskutiert die Kommunikationsstrategien des fiktiven Papstes Pius' XIII. in der erstmals 2016 ausgestrahlten internationalen Pay-TV Serie The Young Pope. Pius XIII. steht für eine mögliche Neuauflage päpstlicher Machtansprüche und das Streben nach einer radikal hierarchischen und transzendenten Alternative zur bürgerlichen Öffentlichkeit. Über die Analyse einer fiktionalen Kunstfigur im Ringen um die öffentliche Rolle gerät dabei die mediale Resonanz des Papsttums und die Selbstreflexion der Medien über die von ihnen geprägte Öffentlichkeit in den Blick. Im Mittelpunkt der hermeneutischen Text- und Bildanalyse stehen die geträumten, vorgelegten und gehaltenen Ansprachen des Serienpapstes, über die verschiedene und durchaus widersprüchliche Antworten auf die Frage gegeben werden, wie das (post)moderne Papsttum nach Benedikt XVI. und Franziskus aussehen könnte. Herausgearbeitet wird dabei auch das Selbstverständnis des Papstes als Künstler, das in den Inszenierungen um die Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit seiner Person zum Ausdruck kommt.Der dritte Teil des Bandes wirft Schlaglichter auf Wort und Bild im heraufziehenden Raum einer digital strukturierten Öffentlichkeit. Das Papsttum erweist sich dabei als digital, weil von zunehmend global vernetzten Social-Media-Kanälen bis hin zu Big Data im Internet päpstliche Präsenz festzustellen ist. Das Papsttum zeigt dabei nicht nur die Bereitschaft, seine Kommunikationsstrategie radikal dem technologischen Wandel anzupassen, es fällt vor allem auf, wie sehr das Papsttum bereits auf Resonanz im digitalen Raum der Öffentlichkeit stößt, der sich nicht nur durch eine Steigerung der Quantität medialer Kanäle auszeichnet. Die digitale Öffentlichkeit scheint vielmehr eine qualitativ neue Konstellation jenseits der alten, massenmedial vermittelten und säkular gedachten nationalen Modelle für das Papsttum zu bieten.Das vielleicht deutlichste Zeichen für die Umstellung der Kommunikationsstrategie in Richtung digitales Papsttum ist die erfolgreiche Präsenz des Papstes auf eigenen Social-Media-Kanälen. Der Beitrag von Johannes Löffler analysiert exemplarisch die Botschaften des deutschsprachigen Twitteraccounts von Papst Franziskus. Unter konzeptioneller Adaptation sprachwissenschaftlicher Ansätze der Sprechakttheorie und mit Hilfe des Datenanalysetools MAXQDA zeigt Löffler wiederkehrende Themenbereiche auf, die keineswegs auf den religiösen Bereich beschränkt sind, sondern soziale und politische Problemfelder einschließen. Mit besonderem Blick auf die in den Tweets enthaltenen Direktiven zeigt Löffler, dass die päpstlichen Aufforderungen ihr Fundament in christlichen Begriffen und Wertvorstellungen haben, sie sich aber mit einer gesellschaftlichen und politischen Agenda verbinden, die sich nicht speziell an Katholiken, sondern an Christen wie an alle Menschen richtet. Löffler stellt dabei fest, dass sich die explizite aber sanfte Kommunikationsstrategie der Twitterbotschaften in die Tradition päpstlicher Rede zur Generierung von Soft Power einreiht und das digitale keinen harten Stilbruch zum analogen Papsttum darstellt.Am Beispiel der 2017 auf der Streaming-Plattform Netflix erschienenen ersten Staffel der Serie Suburra: Blood on Rome zeigt Axel Heck die Resonanz des Papsttums im Unterhaltungsprogramm eines fast weltweit abrufbaren Film- und Serienunternehmens, das zum Serienstart mit über 100 Millionen Abonnenten zu den großen Bühnen einer digitalen Medienöffentlichkeit zählte. Über eine Reihe filmisch in Szene gesetzter Schlüsselmotive, von organisierter Kriminalität, komplexen Machthierarchien bis hin zur expliziten Darstellung sexueller Exzesse, arbeitet Heck unter Verwendung eines filmnarratologischen Ansatzes den Fokus auf den Vatikan sowohl als Spiegel als auch als Instrument sozialer Konstruktion von Wirklichkeit heraus. Auch wenn der Papst nur indirekt und der Vatikan nur am Rande in Szene gesetzt werden, stellen laut Heck Serien wie Suburra sowie deren Rezensionen in den Medien Teil eines Diskurses dar, in dem die öffentliche Bedeutung des Papsttums in der Konstellation von Ökonomie, Politik, Familie und Religion verhandelt wird. In der Serie erscheint der Vatikan als eigenständiger Spieler der Öffentlichkeit zwischen Politik und Ökonomie, der korrumpiert werden kann, mit dem aber nach dessen Regeln zu rechnen ist.Der digitale Raum der Öffentlichkeit besteht nicht nur aus der Umstellung der Massenmedien auf neue technologische Formate mit potentiell globaler Reichweite, sondern auch aus einer neuen Vernetzung zwischenmenschlicher Kommunikation. Digitale Texte über das Papsttum, insbesondere Forenbeiträge, stehen im Fokus des Beitrags von David Schmiedel. Anhand dieser Quellen wird die stabile Resonanz päpstlicher Handlungen im digitalen Raum oft auch Jahre nach dem tatsächlichen Ereignis gezeigt. Als Fallstudie behandelt der Beitrag die deutschsprachige Onlinediskussionen um das Bild des Korankusses des Papstes aus dem Jahr 1999. Während zum Zeitpunkt dieser Handlung die gesellschaftliche Bedeutung des Internets noch begrenzt war, verzeichnet Schmiedel in den 2010er Jahren einen ausufernden Diskurs um die Deutung dieser Handlung und ihres Bildes. Das Anwachsen zugänglicher Datenmengen, an denen sich immer wieder öffentliche Debatten durch das Publikum entzünden können, stellt nicht nur für die handelnden Akteure, sondern auch für wissenschaftliche Analyse der digitalen Öffentlichkeit Chance und Herausforderung dar, die Schmiedel auch in methodologischer Hinsicht thematisiert.Konzeptioneller RahmenDie Einleitung soll mit drei Thesen einen Rahmen abstecken, der aus den Ergebnissen der Beiträge resultiert und diese zusammenführen möchte. Die Thesen lehnen sich kritisch an die Konzeption repräsentativer, diskursiver und akklamativer Öffentlichkeiten an, die Habermas in seiner klassischen Studie zum Strukturwandel der Öffentlichkeit teils kursorisch, teils ausführlich, aber immer scharf geschieden der Vormoderne, der liberalen und der totalitären Moderne zugeordnet hat. Habermas spricht der Vormoderne die Existenz einer Öffentlichkeit im eigentlichen Sinne ab und gesteht ihr allenfalls die öffentliche Repräsentation einer Herrschaftsordnung zu. Öffentlichkeit im eigentlichen Sinne stellt für Habermas nur das diskursive Gespräch von Bürgern dar, worin die aufgeklärte Moderne über das griechische Modell hinausgeht. Die Masse, die nicht mehr diskutiert, sondern nur organisiert applaudiert, stellt die autoritär formierte, mitunter totalitäre Verfallsform der modernen Öffentlichkeit dar. Im Gegensatz zu Habermas werden hier die drei Öffentlichkeitsmodelle nicht statisch einer jeweiligen politischen Ordnung zugesellt, sondern sie werden als Komponenten einer jeden Öffentlichkeit verstanden, aus deren Mischverhältnissen sich mitunter eine vorherrschende Ordnungsvorstellung ableiten lässt. Der anhaltende Strukturwandel produziert Mischungen, die sich nicht auf die drei Idealtypen der historischen Varianten reduzieren lassen. Die fluide Varianz möglicher Lösungen erlaubt einen neuen Blick auf Wandel und Stabilität des Papsttums in der Transformation der Öffentlichkeit. Vor diesem konzeptionellen Hintergrund erklärt eine erste These das Überleben des Papsttums in der modernen Öffentlichkeit durch seine Fähigkeit, sich als authentischer Künstler zu inszenieren, wodurch es gleichzeitig bei seiner traditionellen Rolle und ihrem Amtsverständnis bleiben und doch auf der neuen Bühne einer liberalen Öffentlichkeit auftreten konnte. Die Persistenz der repräsentativen Öffentlichkeit aus der Vormoderne in der Moderne erlaubt nicht nur den Königshäusern, sondern auch dem Papst das Überleben als celebrity. Im Gegensatz zu den konstitutionell entmachteten Königshäusern verband das Papsttum jedoch mit dem Status des Künstlers die Substanzsicherung päpstlichen Anspruchs auf öffentlichen Einfluss.Diese Substanzsicherung und die daraus resultierende Härte des Konflikts zwischen liberalem und päpstlichem Öffentlichkeitsideal geht zurück, so die zweite These, auf die Unterschiedlichkeit der Interpretation der gemeinsamen antiken Herkunft aus der deliberativen Versammlung. Während die liberale Öffentlichkeitskonzeption die diskursive Offenheit der deliberativen Versammlung radikal ausweitet, präferiert das päpstliche Ideal die Rückbindung deliberativer Debatten an die Rationalität einer Offenbarungswahrheit. Die Härte dieser Auseinandersetzung schwächte sich unter dem Eindruck kapitalistisch oder totalitär organisierter Massenmedien ab, blieb aber im Kern erhalten. Zum Teil gelang die Beruhigung durch eine gegenseitige Anerkennung der Ähnlichkeit im Kontrast zum gemeinsamen Gegner. Eine wichtige Anpassung stellte der weitgehende Verzicht der Papstkirche auf eine illusorisch werdende Allianz mit einem nach katholischen Kriterien überwachenden Staat dar. Vor allem aber gelang die Persistenz der päpstlichen Position durch die Fähigkeit, eigene akklamative wie diskursive Öffentlichkeitsräume sowohl gegen totalitäre wie liberale Massenmedien zu organisieren wie sich den kapitalistisch-technologischen Strukturbedingungen anzupassen.Eine dritte These deutet die Abwendung der digitalen Öffentlichkeit von der dominanten Vorgabe des nationalen Rahmens als Vorteil für das Papsttum. Diesen Vorteil kann das Papsttum nutzen, wenn es ihm gelingt, nicht nur eine akklamative Öffentlichkeit im Netz auf sich zu konzentrieren, sondern eine entstehende diskursive Weltöffentlichkeit eher interreligiös als säkular organisieren zu helfen. Während die erste und die dritte These nur kurz angedeutet werden können, soll die etwas umfangreichere Ausführung der zweiten These auch einen Abriss der päpstlichen Mediengeschichte liefern.

Inhalt

InhaltVorwort 7Das Papsttum im Strukturwandel der Öffentlichkeit 11Mariano BarbatoI. Das Bild der Öffentlichkeit: Politische Ereignisse und päpstliche BildprogrammeGipfeltreffen am Grab: Die Politisierung des Papsttodes in der Moderne 49René SchlottPapst - Bild - Politik: Himmlische Mächte auf politischer Bühne 69Andreas MatenaReisebilder der Päpste: Zur politischen Ikonographie des Papsttums 91Mariano BarbatoII. Wie wird das Wort zur Botschaft? Päpstliche Strategien und ihre Empfänger"Das Wahre und das Gute verbreiten": Papst Paul VI. und der Welttag der sozialen Kommunikationsmittel 121Gerulf HirtPapst Franziskus und das Phänomen der Migration: Eine sprachwissenschaftliche Analyse päpstlicher Ansprachen und ihrer Resonanz 145Isabella TarsiThe Young Pope: Fiktionales Spiel mit päpstlicher Rede 173Melanie BarbatoIII. Zwischen Social Media und Big Data: Zum Stand des digitalen Papsttums"Habemus Twitter!": Die digitale Revolution des Heiligen Stuhls 199Johannes LöfflerDer Vatikan, die Stadt und der Tod: Motive von Sex, Macht und Verbrechen in der Netflix-Serie Suburra 227Axel HeckDie "vielen Leben" von Papst Johannes Paul II.: Wie digitale Narrationen unseren Blick auf Päpste verändern können 255David SchmiedelAutorinnen und Autoren 281

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