Beschreibung
Georg Gotthart (gestorben 1619) war Schlosser und Metallhändler in Solothurn - und Verfasser dreier Dramen, die von der Solothurner Bürgerschaft unter seiner Leitung öffentlich aufgeführt wurden: Die 'Histori vom Kampff zwüschen den Roemeren vnd denen von Alba' (1584), die 'Zerstoerung der grossen vnd vesten Koeniglichen Statt Troia oder Jlio' (1598/99) und das 'Laeben deß frommen vnnd Goettsfoerchtigen Tobiae' (1617/19). Der vorliegende Band zeigt auf, dass das Interesse an diesen Spielen durchaus angebracht ist. Hier sind literarische Texte erhalten, die nicht, wie sonst üblich, von einem Schulmeister, Kleriker oder Gelehrten stammen, sondern dem Publikum von einem wissbegierigen und urteilsfreudigen Handwerker und Händler vorgelegt wurden. Dieser traf eine ungewöhnliche Stoffwahl. Gottharts Werk vertritt nämlich jenes humanistische Bildungsgut einer eidgenössischen Renaissance, mit dem er als nicht Lateinkundiger nicht unmittelbar vertraut sein konnte. Neben dieser Hinwendung zum Altertum greifen die Spiele aber auch den damaligen stadtbürgerlichen Kontext auf und versuchen ihn mitzuprägen. Aus theatergeschichtlicher Perspektive sind Gottharts Spiele Zeugen am Ende einer Entwicklung, die vom geistlichen Spiel und dem Fasnachtsspiel zum mehrtägigen kleinstädtischen Grossanlass geführt hat. Erstmals werden die Spiele Georg Gottharts in einer kommentierten Edition präsentiert. Der umfassende Studienteil wird ergänzt um die Edition des ersten Stücks; die zwei weiteren Dramen Gottharts werden online zur Verfügung gestellt.
Inhalt
1 Georg Gotthart und seine Zeit
1.1 Wer war der dichtende «Bürger und Eisenkrämer»?
1.2 Der historische Hintergrund: Solothurn um 1600
1.3 Das Geschehen in Frankreich beeinflusst Solothurn
1.4 Georg Gottharts Spiele scheren aus der Solothurner Spieltradition aus
2 Gottharts Werk: Stofftradition, Vorlagen und Dramatisierung
2.1 Der ‹Kampf der Römer›
2.2 ‹Troia›
2.3 Das Bibeldrama ‹Tobias›
2.4 Historie, lustige Tragödie und lehrreiche Komödie – Gottharts Gattungs-bezeichnungen
3 Die Aufführungen
3.1 Der Rat redet mit
3.2 Spielort, Bühne und besondere Effekte
3.3 Die Musik, ein wichtiges Element der Spiele Gottharts
3.4 Wirkung, Nachleben und Spieldauer
3.5 Die Beteiligten
4 Die Drucke
4.1 ‹Kampf der Römer›, 1584 bei Ulman und Imhof in Bern
4.2 ‹Troia›, 1599 bei Maess in Freiburg im Üechtland
4.3 ‹Tobias›, 1619 in Augsburg bei Sara Mang, verlegt von Hederlin, Luzern
4.4 Es gibt qualitative Unterschiede
4.5 Erhaltene Exemplare
5 Schrift, Sprache, Vers und Reim
5.1 Graphemik: Die verwendeten Drucktypen
5.2 Phonemik: Ausgewählte Aspekte
5.3 Besonderheiten in der Metrik und bei den Reimformen
6 Hinweise zur Interpretation
6.1 Wie ein Spiegel: Das Spiel als Lehrstück
6.2 Das Spiel als Interdiskurs
6.3 Der ‹gemeine Nutz›
6.4 Herrschaftskritik und Erziehung
6.5 Beratungen, Abstimmungen und Wahlen
6.6 Der Solddienst
6.7 Der Tobit-Stoff als Spezialfall
7 Georg Gottharts Spiele sind lohnende Untersuchungsobjekte
8 Anhang
8.1 Vergleich der Kriegsordnungen
8.2 Gottharts ‹Troia› und der Theaterzettel von Sitten
9 Literaturverzeichnis
10 Abbildungsverzeichnis
‹Kampf der Römer› – Edition
Rechenschaftsbericht
Text
Verzeichnis der Rollen
Stellenkommentar
Auszug aus Georg Gottharts Bibliothek