Beschreibung
1. Einleitung Kronen und Diademe sind ein unabdingbarer Bestandteil der königlichen und göttlichen Ikonographie des Alten Ägypten, ohne die König, Königsgemahlin oder Gottheit niemals dargestellt sind. Wie in anderen Kulturkreisen auch, haben sie die Funktion, ihren Königlichen Träger vom Rest der Menschheit auch optisch abzusetzen. Sie sind jedoch nicht nur als einfache "Kennzeichnung" einer Person als "göttlich" oder "königlich" zu verstehen, sondern haben einen besonderen Status inne: man betrachtet sie nicht als Gegenstände, sondern als mit großer Kraft ausgestattete selbstständige Wesen, die dem König von den Göttern verliehen werden und die somit einen Teil ihrer Macht auf den König übergehen lassen, wenn er sie trägt.1 Die meisten Kronen stehen in Verbindung mit dem Sonnengott Re oder einer anderen Gottheit. Sie haben eine Übel abwehrende Funktion und sollen die Kontinuität des Königtums gewährleisten. Außerdem genießen sie einen eigenen Kult und werden in Texten verherrlicht.2 Die große Kraft dieser Kronen wird deutlich in dem Kronennamen oft beigefügten Epitheton "Werethekau", "Groß an Zauber" bzw. "Die Zauberreiche"3. Im neuen Reich wird Werethekau sogar als eigenständige Gottheit in Löwen- oder Schlangengestalt verehrt.4 Obwohl schon vorher Ägyptologen in diversen Aufsätzen die Kronen und Kopfputze der Pharaonen in kunstgeschichtlichen, religiösen, chronologischen und philologischen Kontexten angesprochen hatten, wurde die erste Monographie zu diesem Thema erst 1937 von Abdel Moneim Abubakr veröffentlicht. Sie trug den Titel "Untersuchungen zu den altägyptischen Kronen" und befasste sich mit den wichtigsten Kronen des Königs, klammerte die der Königinnen und Prinzessinnen jedoch völlig aus, was sich auch in weiteren Veröffentlichungen zu diesem Themenbereich fortsetzte. Königinnenkrönen und einzelne Elemente der Königinnenikonographie waren nur in Ausnahmefällen von Interesse. Auch die Monographie von Lana Troy über Patterns of Queenship in Ancient Egyptian Myth and History befasst sich nur teilweise mit der Ikonographie der Königsfrauen, und dies weder besonders systematisch noch für das gesamte pharaonische Ägypten. Es ist das bisher ausführlichste Werk zu diesem Thema und wird regelmäßig zitiert. Seither sind einzelne Aufsätze zu verschieden besonderen Kronenformen erschienen, mit einem Schwerpunkt auf Nofretete und der Amarnazeit. Allgemein wird die Thematik gern in einem größeren Rahmen von Betrachtungen über Königinnen und ihre Rolle mehr oder weniger knapp abgehandelt, so z.B. in S. Roth, Die Königsmütter des Alten Ägypten von der Frühzeit bis zum Ende der 12. Dynastie, ÄAT 46 (2001), G. Robins, Women in Ancient Egypt, London 1993, S. Roth, Gebieterin aller Länder, Freiburg/Schweiz 2002 oder D. Arnold, The Royal Women of Amarna. Images of Beauty from Ancient Egypt, New York 1996. Auch ich habe mich in meiner unveröffentlichten Magisterarbeit5 über die Königstöchter des Neuen Reiches mit der Ikonographie der Königsfrauen beschäftigt, da es sich um einen wichtigen Teilaspekt meines Themas handelte. Dabei wurde deutlich, dass es nur schlaglichtartige Beleuchtungen einzelner Kronen und Kronenelemente gab, jedoch kein unfassendes Referenzwerk. Daraus entstand der Gedanke, eine Arbeit über die Kronen der Königsfrauen im Neuen Reich zu erstellen, um diesen Bereich erstmals systematisch anhand des Bildmaterials zu bearbeiten. Das Alte und Mittlere Reich bieten ikonographisch nur wenig Material, zum einen, weil nicht viele Quellen vorliegen, zum anderen, weil außer Geierhaube und Uräusdiadem keine Königinnen- oder Prinzessinnenkronen dargestellt wurden; deswegen sollen diese Epochen nur in Rückblicken Beachtung finden. 1 K. Sethe, Die altägyptischen Pyramidentexte I, Darmstadt 1960, Spruch 273-74 2 A. Erman, Hymnen an das Diadem der Pharaonen, Abhandlungen der Koeniglich Preussischen Akademie der Wissenschaften, 1911,1. 3 z.B. K. Sethe, Die altägyptischen Pyramidentexte I, Darmstadt 1960, Spruch 649. 4 z.B. E.