Beschreibung
Als Seespeck nicht lange danach in der Gegend von Wilsede in einer Postkutsche durch die Lüneburger Heide auf Buxtehude zu fuhr, weil er am Tage darauf in Hamburg sein mußte, saß er mehrere Stunden in eines Mannes Gesellschaft, die seinen gewöhnlichen Zustand so sehr verkehrte, daß es ihm zu Mute war, als stände er ohne Halt auf einer hohen Leiter oder als faßte ihn für die ganze Zeit ein Schwindel, weil er in einen Spiegel hineinschaute, in dem sich alles bewegte, was draußen sonst ruhig lag und stand. So oft er meinte, sich so zu rücken, daß er den andern fest ins Auge fassen konnte, schien ihm der Boden unter den Füßen zu schwanken, und alles wollte sich vor seinen Blicken wie einem überkopf Stürzenden um- und umkehren. Er hatte den Tag vorher auf dem Wilseder Berge lange gezecht, und daher saß ihm in der Magengegend noch ein gelegentliches Gefühl, als gerönne etwas, als versteinte oder erstarrte etwas, worauf sich gleichzeitig ein leichter Schwindel hinter der Stirn merkbar machte. Aber damit hatte der Anblick dieses Mannes in der Ecke der Postkutsche wohl nichts zu tun, auf dessen Gesicht vom Licht der Bocklaterne ein Rückwärtsstrahl fiel. Seespeck selbst saß in der schräg gegenüberliegenden Ecke am offenen Türfenster und ließ vor diesem noch am Seitenfenster sein Profil gegen den Himmel abschatten.
Autorenportrait
Ernst Heinrich Barlach (* 2. Januar 1870 in Wedel; gestorben 24. Oktober 1938 in Rostock) war ein deutscher Bildhauer, Medailleur, Schriftsteller und Zeichner. Barlach ist besonders bekannt für seine Holzplastiken und Bronzen. Außerdem hinterließ er ein vielgestaltiges druckgraphisches, zeichnerisches und literarisches Werk. Seine künstlerische Handschrift, sowohl in der bildnerischen als auch in der literarischen Arbeit, ist zwischen Realismus und Expressionismus angesiedelt. Seine Werke werden unter anderem von der 1946 gegründeten Ernst Barlach Gesellschaft und vom Ernst-Barlach-Haus in Hamburg erforscht, betreut und ausgestellt.