Beschreibung
Andreas Hammerschmidt (1611-1675), jahrzehntelang als Organist an St. Johannis in Zittau tätig, gehört zu den produktivsten und populärsten Komponisten des 17. Jahrhunderts. Seine Werke geistliche Chor und Ensemblemusik, aber auch Kammermusik, Lieder und Tänze erschienen oft in mehreren Auflagen, denen renommierte Zeitgenossen darunter der Dresdner Hofkapellmeister Heinrich Schütz und der Hamburger Dichter Johann Rist rühmende Worte voranstellten. Vornehmlich aufgrund der Fülle - nachzuweisen sind mehr als 700 Kompositionen - ist Hammerschmidts OEuvre erst ansatzweise erschlossen. Mit einer Edition, die von Prof. Michael Heinemann und Konstanze Kremtz, beide tätig an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden, und Sven Rössel, dem aus Zittau stammenden Direktor der Kreismusikschule Dreiländereck, betreut wird, soll nun erstmals eine Gesamtschau dieses Werks geboten werden. Was der Titel von Andreas Hammerschmidts Motettæ annonciert, entspricht letztlich nicht den Erwartungen. Selbst wenn Motette nicht als kompositorische Gattung verstanden wird, sondern der Name nur auf eine Vorlage verweist, die im Gegensatz zum Madrigal Prosatexte (meist biblischer Provenienz) meint, überrascht die Wahl dieses Titels, dessen lateinische Fassung zudem verdeckt, dass es auch deutsche Texte sind, die in diesem Sammelband vertont sind. Und wer Kompositionen für Chor in Hammerschmidts 1649 veröffentlichter Sammlung von Motetten zu finden hoffte, dürfte einigermaßen überrascht gewesen sein - sofern er nicht die genauere Besetzung im Blick hatte, die aus dem Titelblatt ersehen werden konnte. Dass hier nur Werke für eine Stimme (lediglich die Schlussnummer verlangt zwei Cantus) geboten werden, bezeichnet jedoch keinen Widerspruch zur Tradition der Gattung, wenn man sie schlicht als Oberbegriff für vokale Kirchenmusik schlechthin versteht. Näher hätte es trotzdem gelegen, die 20 Werke dieser Sammlung als geistliche Konzerte anzukündigen. Denn leicht fügen sich diese Kompositionen Hammerschmidts in eine Tradition, die von Lodovico Viadana am Beginn des 17. Jahrhunderts begründet und erst wenige Jahre zuvor von Heinrich Schütz mit zwei umfangreichen Sammelbänden fortgeführt worden war. So sparsam die Mittel, so frappierend wiederum die Wirkung: Hier, in diesem vermeintlichen Nebenwerk, klein hinsichtlich nur des äußeren Umfangs, zeigt Hammerschmidt nicht nur, was er von Schütz - und mittelbar dann auch von den zeitgenössischen italienischen Kollegen - hatte lernen können. Vielmehr macht er deutlich, dass und wie er die Erfahrungen zu entwickeln verstand: unaufdringlich in der Verwendung der Mittel, doch souverän in deren Disposition, um einer immer eindringlicheren Deutung des Textes willen.