Beschreibung
Kind und Kindheit erscheinen uns als etwas Selbstverständliches, Quasinatürliches, gerade so, als hätte es sie immer gegeben. Doch sind sie historisch kontingent. Mehr noch: Seit dem 15. Jahrhundert ist das Problem Kind entscheidend an der Formation der westlichen Moderne beteiligt, ist ausschlaggebend für deren Funktionieren und Wandel.
Christoph T. Burmeisters Studie zeigt, dass durch die Subjektform Kind und die Idee der Kindheit die Entwicklung zentraler Vergesellschaftungspraktiken angestoßen wurde. Sie untersucht Techniken der Subjektivierung und der Organisation von Familie und Staat ausgehend von Michel Foucaults Konzept der Problematisierung. Diesen inter-/national noch kaum rezipierten Forschungsansatz erweitert der Autor zu einer historisch-relationalen Soziologie, mit der er unter anderem Jean-Jacques Rousseaus Émile befragt, den bislang übersehenen Stellenwert von Kindheit und Familie im Werk Foucaults selbst herausarbeitet und das spätmoderne Ideal der sozial-emotionalen Kompetenz analysiert.
Das Buch macht deutlich, wie ausgehend vom Problem Kind soziale, räumliche und zeitliche Ordnungen hervorgebracht werden, welche Rolle Eltern und Expert:innen, die Elemente Entwicklung und Erziehung sowie die Affekte Angst und Hoffnung spielen und wie es ab den 1970er Jahren zu einer Zunahme von präventierenden und optimierenden Praktiken kommt.
Autorenportrait
Christoph T. Burmeister ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Lehrbereich für Allgemeine Soziologie und Kultursoziologie am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin. Zuvor Studium der Kulturwissenschaften an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) und wissenschaftliche Tätigkeit am dortigen kultursoziologischen Lehrstuhl. Forschungsschwerpunkte: Soziologische Theorie, Poststrukturalistische Soziologien, Subjektivierungsforschung, Emotions- und Affektsoziologie, Soziologie (und Geschichte) der Kindheit sowie Re-/Problematisierungen sozialökologischer Fragen.
Inhalt
Inhalt
1 Das Problem Kind.
Hinführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
2 Ideologie und permanente Anrufungen von Anfang an.
Prolog mit Althusser . . . . . . . . . . . . . . 17
2.1 Gesellschaftliche Reproduktion und die
ideologische Hervorbringung des Subjekts . . . . 23
2.2 Das »Gespann Schule-Familie« und Spezifika
kindlicher Anrufungen . . . . . . . . . . . . 34
2.3 Diskussion, Kritik, Weiterführungen . . . . . . . 39
3 Historisch-kritische Ontologie unserer selbst.
Analytik und Verfahren . . . . . . . . . . . . . 49
3.1 Problematisierungen, Praktiken, Wirklichkeiten
und drei Achsen der Analyse
(Wissen, Macht, Selbst-/Weltverhältnisse) . . . . . 57
3.2 Dispositiv und Affekt . . . . . . . . . . . . 80
3.3 Angst (und Hoffnung) als Affekte im Dispositiv
Angst (und Hoffnung) als Erwartungsaffekte
gegenwärtiger Zukunft . . . . . . . . . . . . 89
3.4 Analytik, Verfahren und Kritik einer
historisch-relationalen Soziologie des Problems Kind.
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . 103
4 Glücksversprechen und Gefahrenkultur.
Das Dispositiv moderner Kindheit in Rousseaus Émile . . 113
4.1 Der selbstlose Wundererzieher und
sein durchschnittlicher Zögling. Émile als
natürlich-republikanisches Experiment und Modell . . 125
4.2 Das pädagogisch-paternalistische Arrangement künstlicher
Natürlichkeiten und dinghafter Notwendigkeiten . . . 135
4.3 Pubertät, Phantasie und all die anderen Gefahren . . 142
4.4 Die geschlechtlich-generational-hierarchisierte
moderne Familienzelle, die Frau Ministerin
Gattin Mutter und Émiles »Lebensglück« . . . . 145
4.5 Entwicklung, Expert:innen, Eltern und
die gegenwärtige Zukunft der Gesellschaft
Elemente des Dispositivs moderner Kindheit . . . 153
5 Kindheit, Familie und Moderne bei Foucault . . . . . 165
5.1 Der Beginn des Zeitalters der Führungen,
das »Problem der Institution der Kindheit« und
die Hoffnung auf einen guten Fürsten . . . . . . 175
5.2 Vom Prüfen in Klassen zum Klassenverhältnis
durch Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . 189
5.3 Souveräne Familien, onanierende Kinder,
soziale Klassen und fürsorgende Expert:innen . . . 207
5.4 Die Psy-Funktion oder das normale Kind und
die Kindheit des Erwachsenen als Voraussetzung
verallgemeinerter Wissenschaften vom A/Normalen . 221
5.5 Kindheit, Familie und Moderne. Zusammenfassung . 229
6 Von entgrenzten Entwicklungskonzeptionen und
kompetenten Emotionen. Konturen des Problems Kind
in der Spätmoderne . . . . . . . . . . . . . . . 238
6.1 Die Ver(natur)wissenschaftlichung des Problems Kind
normierte und normalisierte kindliche Entwicklung . 241
6.2 Das de/zentrierte Kind als kostbares Projekt
und Humankapital präventierte und optimierte
kindliche Entwicklung der Potenziale . . . . . . 254
6.3 Von launischen Temperamenten zu
kompetenten Emotionen Aufstieg des
kontrolliert-emotionalen Selbst . . . . . . . . 266
6.4 Kinder und Manager:innen als »Kompetenzmaschinen«
entgrenzte Entwicklung und kompetente Emotionen
des spätmodernen Problems Kind . . . . . . . . 275
7 Das Problem Kind in der Moderne.
Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . 281
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
Literatur- und Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . 286
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