Beschreibung
Seit über 30 Jahren werden Zusammenhänge zwischen ADHS und Ernährung kontrovers diskutiert. Fest steht: Nährstoffe können Funktion und Leistung des Gehirns spezifisch beeinflussen - und damit auch das Verhalten.Hier werden verschiedene Diäten vorgestellt und bewertet. Die erweiterte oligoantigene Diät hat sich dabei in mehreren klinischen Studien als wirksam erwiesen. Farb- und Konservierungsstoffe führten in klinischen Studien bei vielen Kindern zu ADHS-Symptomen.Untersuchungen zu Nährstoffstatus und Supplementierung haben sich bisher hingegen nur teilweise als aufschlussreich erwiesen. Viele Autoren vermuten bei ADHS erhöhte Bedarfe an bestimmten Nährstoffen aufgrund genetischer Prädispositionen oder einer umweltbedingt höheren Anfälligkeit für Nährstoffdefizite. Ein wichtiges Ziel für künftige Forschungsansätze besteht darin, gezielt und individuell nutritive Risikofaktoren zu identifizieren sowie die Effekte einer darauf aufbauenden Supplementierung von Nährstoffen zu messen.
Autorenportrait
Kristina Bergmann wurde 1972 in Gießen geboren. Als gelernte Köchin war das Thema Ernährung für die Autorin seit jeher von großem und stetig wachsendem Interesse. Aufgrund dessen nahm sie 2003 ein Studium der Ökotrophologie/Ernährungswissenschaft auf, das sie 2009 erfolgreich mit dem akademischen Grad eines Master of Science abschloss. Sie ist in der Gastronomie tätig, betreibt einen Mietkochservice und bietet individuelle Ernährungsberatung an.
Leseprobe
Textprobe:Kapitel 1, Einleitung:Im Herbst 2007 meldet BBC News: Wissenschaftliche Langzeitstudien haben zu der Erkenntnis geführt, dass Drogen nicht die Antwort auf die Aufmerksamkeits-Defizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS) sein können. Die Multimodal Treatment Study of children with ADHD (MTA) hat die Behandlung von Kindern in den USA über 36 Monate verfolgt. Ergebnisse aus dem Jahr 1999 zeigten zunächst, dass die medikamentöse Therapie im Vergleich zu Verhaltenstherapie erfolgreicher war. Dies aber bezog sich auf einen Zeitraum von nur einem Jahr. Die Verordnung von Stimulanzien nahm infolge dieser Ergebnisse zu. Langfristig zeigte sich jedoch, dass die Medikation keinerlei positive, sondern vielmehr negative Effekte erzielte. Medikamentös behandelte Kinder wiesen Wachstumsdefizite auf (BBC 2007, Jensen et al. 2007).Die ADHS gehört zu den am häufigsten diagnostizierten Störungen im Kindesalter und wird heute auch vermehrt bei Erwachsenen diagnostiziert. Seit über 30 Jahren werden die Zusammenhänge zwischen ADHS und der Ernährung kontrovers diskutiert. Welche Rolle die Ernährung spielt, und inwiefern Ernährungsinterventionen mögliche Alternativen zu einer Medikation darstellen können, soll in dieser Untersuchung erörtert werden.1.1, Problemstellung und Zielsetzung:Die Aufmerksamkeits-Defizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bezeichnet eine Störung, die sich i. d. R. bereits vor dem 5. Lebensjahr zeigt. Betroffene Kinder sind unaufmerksam und leicht ablenkbar, zeigen hyperaktives und impulsives Verhalten und haben ein geringes Durchhaltevermögen. Diese Symptome haben negative Auswirkungen auf die soziale und schulische Entwicklung; und sie persistieren häufig bis ins Erwachsenenalter (Bundesärztekammer 2005).Die zunehmende Verschreibung von Stimulanzien bietet Anlass zur Sorge, weil die Medikamente oft starke Nebenwirkungen hervorrufen und möglicherweise zu einer Abhängigkeit führen können. Wenn über Ernährungsinterventionen eine wesentliche Verbesserung der ADHS-Symptomatik bei Kindern erzielt werden kann, trägt dies dazu bei, dass Medikamente eingespart, bzw. den Kindern erspart werden könnten. 2.2, Ursachen und Entstehungsbedingungen der ADHS:Die Ursachen der ADHS konnten bis heute nicht vollständig aufgeklärt werden. Als erwiesen gilt, dass es sich um ein komplexes, multifaktorielles Geschehen handelt, so dass die Störung sich nicht auf eine einzelne Ursache zurückführen lässt. Die derzeit bekannten Einflussfaktoren werden im Anschluss beschrieben. 2.2.1, Neurophysiologische und genetische Einflussfaktoren:Bildgebende Untersuchungen sowie elektrophysiologische und pharmako-logische Befunde zeigen bei Personen mit ADHS Auffälligkeiten in Struktur, Funktion und Stoffwechsel des Gehirns. Diese sprechen für genetisch bedingte, möglicherweise von weiteren Faktoren mit beeinflussten Entwicklungs¬abweichungen verschiedener zentralnervöser Regelkreise. Daher wird die ADHS oft als Entwicklungsstörung mit Beteiligung des Nervensystems (neurodevelopmental disorder), aber auch als striatofrontale Dysfunktion bezeichnet (Krause und Krause 2007, Bundesärztekammer 2005). Ergebnisse genetischer und bildgebender Untersuchungen weisen auf eine überwiegend genetisch bedingte Störung im Neurotransmitterstoffwechsel hin. Insbesondere sind der Dopamin- und der Noradrenalinstoffwechsel betroffen; möglicherweise ist auch der Serotoninstoffwechsel beteiligt (Krause und Krause 2007). Die katecholaminergen Neurotransmittersysteme, v. a. der Dopaminstoffwechsel, sind wesentlich an der Steuerung von Aufmerksamkeit, Motorik und Impulskontrolle beteiligt (Bundesärztekammer 2005: 22ff). Im Dopaminstoffwechsel bei ADHS-Betroffenen ist die Wiederaufnahme des Dopamins durch die präsynaptische Membran erhöht und die Sensitivität der Dopaminrezeptoren auf der postsynaptischen Membran vermindert (Banaschewski et al. 2004). Anhand von Computersimulationen wurde im Jahr 2007 erstmals versucht, diese neurobiologischen Regelkreise optisch darzustellen und zu zeigen, inwiefern ADHS-Betroffene bei der Lösung spezifischer Aufgaben durch funktionelle Störungen beeinträchtigt sein können (Frank et al. 2007).Eine genetische Prädisposition für Besonderheiten im Neurotrans-mitterhaushalt wird derzeit als wichtigste Ursache der ADHS angenommen. Familien-, Adoptions- und Zwillingsstudien zeigen hinsichtlich der Heritabilität, dass etwa 80% der Verhaltensvarianz bei ADHS genetisch determiniert ist (Banaschewski et al. 2004). Molekulargenetische Befunde sprechen dafür, dass das genetische Risiko in einem Zusammenwirken mehrerer Gene besteht, die komplexe Neurotransmitterfunktionen steuern. Dem gegenüber erhöht das bloße Vorhandensein identifizierter Risiko-Allele das relative Risiko einer ADHS nur gering (Relatives Risiko: 1,2 " 1,9). Diesbezüglich haben seltene genetische Veränderungen größeren Einfluss (Banaschewski et al. 2004).2.2.2, Umweltfaktoren:Exogene Risikofaktoren:Unter exogenen Risikofaktoren werden Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen, niedriges Geburtsgewicht, Infektionen und Toxine (z.B. Bleiintoxikationen, pränatale Alkohol-, Nikotin- oder Benzodiazepinexposition) zusammengefasst (Banaschewski et al. 2004). Zur Bedeutung von Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen existieren widersprüchliche Befunde. Möglicherweise sind andauernde hypoxische Zustände, die zudem gehäuft mit geringem Geburtsgewicht assoziiert sind, in Bezug auf ADHS relevant (Banaschewski et al. 2004). Kinder von Müttern, die während der Schwangerschaft geraucht haben, sind nachweislich häufiger von ADHS betroffen als Kinder von Nichtraucherinnen. Nikotin entfaltet an Dopamin-Transportern (DAT) eine stimulanzienartige Wirkung (Krause und Krause 2007). Eine pränatale Nikotinexposition reduziert vermutlich die Dichte nikoninerger Rezeptoren, die wiederum die dopaminerge Aktivität regulieren (Banaschewski et al. 2004). Auch hier spielt eine mögliche genetische Prädisposition eine Rolle. Gleiches gilt für Alkoholabusus während der Schwangerschaft (Krause und Krause 2007), PCB-Intoxikationen (Das Banerjee et al. 2007) sowie Bleiintoxikationen (Banaschewski et al. 2004).Berichte über wiederkehrende saisonale Muster bezüglich der Geburtstermine von Kindern mit ADHS führten zu der Vermutung, dass bestimmte saisonbedingte Virusinfektionen zur Manifestation von ADHS beitragen können. Im September und danach bis in den Winter hinein geborene Kinder sind häufiger betroffen als andere. Virusinfektionen während der Schwangerschaft, unter der Geburt und in der frühen Kindheit sind mit einem erhöhten Risiko, eine ADHS zu entwickeln, verbunden. Auch nicht-saisonbedingte virale Erkrankungen wurden bei bestehender ADHS gehäuft beobachtet (Millichap 2007).Psychosoziale Einflussfaktoren:Auch ungünstige familiäre psychosoziale Bedingungen können eine ADHS-Symptomatik mit bedingen, ohne ursächlich zu sein, indem sie insbesondere dissoziale und aggressive Verhaltensauffälligkeiten verstärken. Als positiv erlebte Beziehungen in Familie und Schule hingegen wirken als protektive Faktoren (Banaschewski et al. 2004). Obwohl zahlreiche Studien Zusammenhänge zwischen psychosozialen Bedingungen und der Prävalenz von ADHS aufzeigen, gelten negative psychosoziale Einflussfaktoren nicht als ADHS-spezifische Wirkungsvariable. Es wird davon ausgegangen, dass sie als unspezifische Trigger eine bestehende Prädisposition modulieren können (Faraone und Biederman 1998).Ernährungsbedingte Einflussfaktoren:Die Ernährung stellt einen Umweltfaktor dar, der bei ADHS als Ursache und/oder als Wirkung eine Rolle spielen kann. Das Ess- und Trinkverhalten beeinflusst möglicherweise die ADHS-Symptomatik; aber sowohl die Symptomatik selbst als auch deren medikamentöse Behandlung können auch das Ess- und Trinkverhalten beeinflussen. Spezifische Reaktionen auf Nahrungsmittel scheinen bei manchen Kindern bei der Ätiologie der ADHS eine Rolle zu spielen (Taylor et al. 2004).Die ernährungsbedingten Einflussfaktoren, die bis heute im Zusammenhang mit ADHS identifiziert wurden, werden in Unterkap. 2.4 und Kap. 3 ausführlich diskutiert.2.2.3, Wechselwirkungen zwischen Einflussfaktoren:Banaschewski et al. (2004) warnen vor einem neurobiologischen Reduktionismus, der die Komplexität der Störung unterbewertet. Zwischen allen genannten Einflussfaktoren bestehen Wechselwirkungen. Umwelteinflüsse können auch auf genetischer Ebene die Ausprägung eines Störungsbildes beeinflussen (Genexpression). Bestimmte Genotypen weisen möglicherweise eine gesteigerte Vulnerabilität gegenüber Umwelteinflüssen auf (Krause und Krause 2007). Das Zusammenspiel von genetischen Faktoren und Umweltfaktoren (gene-environment-interaction, G x E) beeinflusst das sich entwickelnde Gehirn höchstwahrscheinlich, indem es zu einem heterogenen Profil neuropsychologischer, struktureller und funktionaler Auffälligkeiten führt (Das Banerjee et al. 2007, Faraone und Biederman 1998).Ein wichtiges Ziel neurobiologischer Forschung ist derzeit, Modelle für so genannte Endophänotypen zu entwickeln, um Erkrankungsrisiko und Therapiemöglichkeiten gezielter abschätzen zu können (Banaschewski et al. 2004, Krause und Krause 2007).2.2.2, Umweltfaktoren:Exogene Risikofaktoren:Unter exogenen Risikofaktoren werden Schwangerschafts- und Geburts-komplikationen, niedriges Geburtsgewicht, Infektionen und Toxine (z.B. Bleiintoxikationen, pränatale Alkohol-, Nikotin- oder Benzodiazepinexposition) zusammengefasst (Banaschewski et al. 2004). Zur Bedeutung von Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen existieren widersprüchliche Befunde. Möglicherweise sind andauernde hypoxische Zustände, die zudem gehäuft mit geringem Geburtsgewicht assoziiert sind, in Bezug auf ADHS relevant (Banaschewski et al. 2004). Kinder von Müttern, die während der Schwangerschaft geraucht haben, sind nachweislich häufiger von ADHS betroffen als Kinder von Nichtraucherinnen. Nikotin entfaltet an Dopamin-Transportern (DAT) eine stimulanzienartige Wirkung (Krause u
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