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Tradition Mord

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Erschienen am 19.03.2021
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783947145478
Sprache: Deutsch
Umfang: 0 S., 0.63 MB
Auflage: 1. Auflage 2021
E-Book
Format: EPUB
DRM: Nicht vorhanden

Beschreibung

Frida ist eine ehrgeizige Staatsanwältin in Berlin-Moabit. Während der Ermittlungen nach einem Messerangriff auf eine junge Frau mit türkischem Namen stößt sie nicht nur im justiziellen Raum, sondern auch privat auf Vorurteile und an ihre Grenzen.Sabihas Jugend im Westberlin der 1980er Jahre ist von der Identitätssuche zwischen türkischer Herkunft und deutscher Mentalität bestimmt.Die Freiheitskonzepte der beiden Frauen könnten unterschiedlicher nicht sein. Doch ihre Wege kreuzen sich, denn das Opfer des Messerangriffs ist Sabihas Tochter In Deutschland versucht laut Statistik täglich ein Mann, seine (Ex-)Partnerin zu töten, und an jedem dritten Tag gelingt es. Doch in der Regel erfahren diese Fälle nur eine geringe mediale Aufmerksamkeit ganz im Gegenteil zu den sogenannten Ehrenmorden. Dabei gründen die Taten auf vergleichbarer Motivlage: männliches Besitzdenken, Eifersucht, verletztes Ehrgefühl. Kurz gesagt: auf dem Patriarchat.Der Kriminalroman 'Tradition Mord' widmet sich diesem Konflikt.

Leseprobe

PrologHalide lief über die Kirschbaumplantage. Sie drehte sich im Kreis und reckte ihr Gesicht gen Himmel. Sie war fasziniert von der Kraft der Sonne. Obwohl es noch einige Minuten dauerte, bis sie strahlen würde, war es schon fast hell. Sie war noch nicht aufgegangen, aber ihre Präsenz war unverkennbar.Halide liebte diese Tageszeit. Das Dorf schlief noch, und wenn sie es schaffte, sich heimlich aus dem Haus zu schleichen was sie so oft wie möglich tat , gehörte dieser Moment nur ihr. Sie konnte alle Sorgen, alle anderen Menschen vergessen. Dann gab es nur sie, den Mond, der langsam verblasste, und die Sonne, die ihr Aufgehen ankündigte. Diese Momente trösteten sie und erfüllten sie mit Zuversicht, wie es sonst nichts vermochte. Unberührt von allem weltlichen Geschehen würde der Mond weichen, um der Sonne Raum zu geben. Auf jede Nacht folgten die Morgendämmerung und schließlich der Tag. Diese wiederkehrende Erkenntnis konnte sie fast in Ekstase versetzen. Aber heute stellte sich das Gefühl nicht ein, ihre Gedanken ließen sie einfach nicht los. Erst, als die Sonne wie flüssiges Purpur über den Hügel kroch und ihre ersten Strahlen die Kirschblüten wie Scheinwerfer in Szene setzen, schienen die Endorphine für einen kurzen Augenblick die Überhand zu gewinnen. Ihr Gesicht wurde von einem breiten Grinsen gepackt und Halide drehte sich immer schneller um die eigene Achse. Es war ein wunderschöner Morgen, ihr Nachthemd flatterte durch die Bewegung und die Sonne küsste ihr Gesicht. In der Ferne krähte ein Hahn, langsam schien das Dorf zu erwachen. Unwillkürlich hielt Halide inne da war sie wieder, diese unbändige Aufregung. Eilig hastete sie zurück zum Haus ihrer Eltern und kletterte durch das Fenster in ihr Zimmer. Ihre Schwestern schliefen noch, sie hatten ihren morgendlichen Ausflug nicht bemerkt. Auch sie kuschelte sich wieder in die weichen Federn und dachte wehmütig, dass ihr letzter Ausflug dieser Art nun zu Ende war. Nie wieder würde sie durch dieses Fenster klettern, nie wieder die gleichmäßigen Atemzüge ihrer Schwestern hören.Sie blickte in ihre Handfläche und starrte den ockerfarbenen Kreis an, den ihr die Dorfälteste gestern mit Henna aufgemalt hatte. Er würde sie noch eine Weile an das Spektakel erinnern. Hoffentlich ist es wahr, dachte sie, und Henna ist die Pflanze des Paradieses. So sagte es die Legende. Die farbintensive Essenz sollte dem Brautpaar Glück bringen. Aber sie hatte daran so ihre Zweifel.Es waren Schritte auf dem Flur zu hören, Halide schloss die Augen. Jemand öffnete die Tür, es musste ihre Mutter sein. Kzm, ihre Decke wurde unsanft weg gezogen, Kzm, nun steh endlich auf, oder willst du deine eigene Hochzeit verschlafen? Los, wir müssen dich fertig machen! Aufgeregt wirbelte ihre Mutter zum Fenster und riss die Vorhänge auf. Nun regte es sich auch in den anderen Betten. Der Tag hatte unausweichlich begonnen. Halide atmete tief durch und riss sich zusammen. Ich werde heute heiraten, dachte sie. Und obwohl sie sich darauf freute, endlich als erwachsene Frau ernstgenommen zu werden, konnte sie die Angst nicht leugnen, die von ihr Besitz ergriffen hatte. Ich hoffe so, er mag mich.Ihr war schlecht vor Aufregung, als sie mit ihrer Mutter, den Schwestern, zwei Tanten und einigen Cousinen zum Coiffeur fuhr. Dort lief laute Tanzmusik und die anderen Frauen bewegten sich ausgelassen mehr oder weniger rhythmisch dazu. Halide stand wie paralysiert daneben, als wäre sie anstelle der Hauptperson eine externe Beobachterin. Wie durch einen Schleier nahm sie das Geschehen war. Noch Jahre später würde sie sich an den Geruch, die Musik und das schrille Lachen ihrer Familie erinnern. Plötzlich zog jemand an ihrer Hand und holte sie zurück in die Gegenwart. Stundenlang wurde sie geschminkt, bepudert und frisiert. Das Gewicht der hochgesteckten Haare lag schwer auf ihrem Kopf und als sie schließlich in den Spiegel sah, erblickte sie eine fremde Frau.Halide war das älteste Kind ihrer Eltern und somit auch die erste, die verheiratet wurde. Sie wollte nicht ausziehen, ihre Schwestern und vor allem nicht die Kirschplantage verlassen. Aber sie freute sich auch auf die Hochzeit. Es würde der schönste Tag ihres Lebens werden, so war es ihr seit Kindesbeinen gesagt worden. Und sie hatte es verinnerlicht. Sie würde erwachsen sein und ihre eigene Familie haben. Es war der Lauf der Dinge, den sie nie hinterfragt hatte. Sie verspürte zwar keinen Groll an diesem Tag, doch unbändige Aufregung und den bitteren Beigeschmack der Angst.Während in ihrem Elternhaus noch Tränen über den Auszug der ältesten Tochter vergossen wurden, erklangen draußen die ersten Paukenschläge. Hastig band ihr Vater das rote Band um ihre Taille, das ihre Jungfräulichkeit bezeugte, den Rest erlebte Halide wie in Trance. Die Familie des Bräutigams war da. Begleitet von Trompeten, Klarinetten und Halay-Tänzen bahnte sich Mustafa den Weg zu seiner Braut. Als Halide über die Türschwelle nach draußen trat, wurde ihr bewusst, dass sie das Haus ihrer Eltern das nächste Mal als Gast betreten würde. Dieser Gedanke trieb ihr Tränen in die Augen und sie war dankbar für den Schleier, der ihr Gesicht verbarg.Mustafa schien sie zu mögen und sie fand ihn nicht scheußlich. Das genügte fürs Erste, alles Andere würde die Zeit richten. Nun ging alles ganz schnell, die Halle füllte sich mit einer Vielzahl an Gästen und alle wollten mit ihr sprechen. Sie war dankbar für die Ablenkung, denn in jeder freien Sekunde konnte sie nur an eins denken: die Hochzeitsnacht, die ihr bevorstand.Auch die Hochzeitsnacht erlebte sie wie eine Unbeteiligte. Als Mustafa und Halide endlich in dem mit roten Bändern geschmückten Schlafzimmer alleine waren und der Bräutigam seiner Braut bedächtig den Schleier abnahm, nahm sie das erste Mal die Zärtlichkeit war, die in seinem Blick liegen konnte. Es tat weh, als er in sie eindrang. Aber sie hatte schon früh gelernt, Schmerzen zu verdrängen, und so ließ sie es einfach geschehen. Sie wusste um die wartenden Menschen vor ihrer Schlafzimmertür und sie wollte, dass sie endlich verschwanden. Der Akt dauerte nicht lange, Mustafa verzog das Gesicht, als er sich in ihr ergoss. Er zog sich zurück und sie hatte es überstanden. Erleichtert stellte sie fest, dass das Tuch unter ihr einen kleinen dunkelroten Fleck aufwies. Nachdem die Wartenden sich davon überzeugt hatten, dass das frische Ehepaar wirklich den Akt vollzogen hatte, waren Halide und Mustafa endlich alleine. Schüchtern saßen sie sich gegenüber, wussten nicht, was sie sagen sollten. Schließlich schlief Mustafa ein, doch obwohl sich Halide vor Erschöpfung nicht mehr aufrecht halten konnte, machte sie die ganze Nacht kein Auge zu. Ihre Hand wanderte zwischen ihre Beine und vorsichtig berührte sie die schmerzende Stelle.Sie gebar ihm einen Sohn. Kemal erblickte die Welt an einem grauen Dezembermorgen im Jahre 1962. Die Familien waren ganz aus dem Häuschen und kamen mit Geschenken. Halide vergötterte ihren Sohn, schon bevor er geboren wurde. Er gab ihrem jetzigen Leben einen Sinn. Der Junge hielt sie auf Trab und Halide genoss die neue Aufgabe. Sie traf sich mit anderen Frauen, die ebenfalls kleine Kinder hatten, und tauschte sich über die Herausforderungen der Erziehung aus, sie überhörte die gutgemeinten Tipps ihrer Schwiegermutter und erfreute sich an jedem Zentimeter, den Kemal wuchs. Sie erfreute sich an alldem so lange, bis sich durch regelmäßige und sich stetig steigernde Übelkeit die Schwangerschaft der Zwillingsmädchen ankündigte.Halide hatte schon lange nicht mehr an die ersten Jahre ihrer Ehe gedacht, doch seit Mustafas Tod schwelgte sie immer öfter in Erinnerungen. Aber noch nie sah sie die Dinge so klar und so ehrlich wie jetzt, als sie 56 Jahre nach ihrer Hochzeit neben Aliyes Bett saß und krank vor Sorge unablässig auf das Elektrokardiogramm starrte, das durch ein gleichmäßiges Piepen die Herzfrequenz ihrer Enkelin anzeigte.

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