Beschreibung
Miron Zownirs Stadtlandschaften und Portraits in seinem neuen Fotobuch BERLIN NOIR dokumentieren eine zeitlose Großstadtmelancholie und das wilde Leben…
Nach DOWN & OUT IN MOSCOW und NYC-RIP erscheint nun mit BERLIN NOIR die dritte Monografie mit Fotografien von Miron Zownir im Berliner Pogo Books Verlag.
BERLIN NOIR vereint das fotografische Frühwerk von Miron Zownir, der Ende der 70er Jahre mit seiner Kamera die Stadt durchstreifte und seine Faszination für die Fotografie entdeckte, mit Fotografien, die nach seiner Rückkehr aus den USA ab 1995 in der wiedervereinigten Hauptstadt entstanden sind.
West-Berlin 1978. Grau, grauer, am grausten. Auf den Wasserpfützen des Brachlandes spiegeln sich Ruinen, reflektiert sich düster die deutsche Geschichte. Stein auf Stein schweigende Brandmauern und bröckelnde Fassaden, übersäht von unübersehbaren Narben, die aufzuplatzen drohen, aus denen stillschreiend Granatensplitter und Kriegsmunition herauszueitern scheinen…
ACHTUNG HIER LETZER S-BAHNHOF IN WEST BERLIN warnt ein dunkel verrußtes Schild neben dem zerbombten Anhalter Bahnhof, von dem aus in Berlins finsterster Zeit tausende Juden in das KZ Theresienstadt abtransportiert wurden. Im Himmel über der geteilten Stadt liegt im Winter ein gelblich brauner Dunst. Durch die Straßen weht der beißend schwefelige Geruch verbrannter Kohle. Ein Mann studiert ein riesiges Plakat auf dem nach flüchtigen RAF Terroristen gefahndet wird. Vorangegangen war der „deutsche Herbst“ und ein die BRD schwer erschütterndes Jahr voller terroristischer Gewaltaktionen. Und inmitten dieser politischen Krise keimte das nihilistische Aufbegehren der ersten Generation von Punks auf, die den „No Future“- Slogan als Credo im hier und jetzt lebten, wild, wütend und meistens berauscht auf einer Insel umgeben von Selbstschussanlagen, Mauer und Stacheldraht.
Berlin war damals mehr denn je das Mekka der Nonkonformisten und Künstler. Eine urbane Oase der Unangepassten, die uneingeschränkte Entfaltung versprach. Ein Betonmonster, das nicht selten Hoffnungen und Illusionen verschlang und Frustration ausspie. Eine Stadt über der schon immer die Magie der Transformation schwebte, damals wie heute. Zownirs frühe Arbeiten aus dem todesstreifengesäumten West-Berlin Ende der 70er Jahre dokumentieren auf sehr drastische Weise den rebellischen Weltschmerz der Punks, die soziale Perspektivlosigkeit von Aussteigern, Drogensüchtigen, Gelegenheitsarbeitern oder Obdachlosen. Vergleicht man Miron Zownirs frühen Fotografien mit seinen Arbeiten aus den Jahren nach 1995, die nach seiner Rückkehr aus den USA entstanden sind, so scheint der gesellschaftspolitische Protest von damals einem exzessiven Hedonismus gewichen zu sein. Seine neueren Bilder, beispielsweise vom „Anything goes“ in den Berliner Clubs, dem zelebrierten Körperkult der Love Parade oder kommerziellen Sex Events zeugen von einer scheinbar grenzenlosen Freiheit. Doch auch hier bricht die düstere Abstraktion des S/W die Oberfläche auf und enthüllt die rauschhafte Flucht in Lust und Schmerz, die Einsamkeit in der Masse, eine deprimierende Vorahnung vom „Morgen danach“.
Zownirs zeitlosen und manchmal fast apokalyptisch anmutenden Aufnahmen von Stadtlandschaften, zeigen die melancholische Verwahrlosung West Berlins Ende der 70er Jahre, aber auch die tiefgreifenden architektonischen Umwälzungen in der wiedervereinigten Hauptstadt wie u.a. den Abriss des asbestverseuchten Palast der Republik. Eines allerdings scheint gleich geblieben zu sein: Berlin ist Immer noch das Sehnsuchtsziel für Freaks und schräge Paradiesvögel aus der ganzen Welt. Von Anbeginn an schenkte Zownir diesen außergewöhnlichen Menschen und ihrem „Anderssein“ seine Aufmerksamkeit. Auch eine Reihe von Berliner Originalen wie unter anderem Bruno S., die dickste Hure Deutschlands, Molly Luft oder Ben Becker finden in BERLIN NOIR ihren Auftritt. Seine Portraits bleiben nicht stumm. Sie sind schonungslos expressiv und emotional und schaffen ein Kraftfeld in dem die Individuen mit ihren kultivierten Leidenschaften, in Alltagssituationen, Ausnahmezuständen oder gar am Abgrund stehend sichtbar werden. Zownirs Fotografien durchdringen das Äußere und enthüllen geschichtenerzählend das Wesen und die Persönlichkeit der abgebildeten Menschen. Es sind Bilder, die vielfältige Gefühlszustände aufkommen lassen. Sie sind anziehend, sympathisch, verwirrend, manchmal tragisch und traurig, oder gar bedrohlich und abstoßend.