Beschreibung
Während die Musik seit Jahrzehnten einem stürmischen Wandel ausgesetzt ist, verharrt die Musikphilosophie seit Adornos Tod in einer Starre. Die Gründe für die Begriffsscheu und Reflexionsträgheit im Musikleben sind vielfältig: Unter anderem fehlen die Kategorien, welche die kompositorische Praxis und die ästhetischen Standorte an die gesamtgesellschaftliche Entwicklung anbinden. Claus-Steffen Mahnkopf möchte deshalb ein begriffliches und argumentatives Instrumentarium bereitstellen, das uns Musik als grundlegendes kulturelles Phänomen besser verstehen läßt. Mahnkopf zeichnet den Wandel des Musikbegriffs seit der späten Moderne und in der Postmoderne nach, diskutiert die Ergebnisse im Lichte der Philosophie und Soziologie - vor allem mit Benjamin, Adorno, Luhmann, Habermas und Derrida - und verbindet sie mit einer konkreten Kulturkritik im Medienzeitalter. Ferner erörtert er die Musik in ihren verschiedenen Disziplinen - wie Aufführungspraxis, Musikwissenschaft, Musikpädagogik -, äußert sich zum Musiktheater, zieht Parallelen zur Architektur und unterbreitet Vorschläge für die Weiterentwicklung der Musik. Der Autor schreibt mit dem Reflexionswissen des Komponisten und des Kenners des Musiklebens und zugleich als Wissenschaftler und Philosoph. Absicht dieses Buches ist nicht nur, eine begriffliche Reflexion der Musik in der Gegenwart zu ermöglichen, sondern auch eine Perspektive aufzuzeigen, welcher Ort der Musik in einer zukünftigen Weltgesellschaft zukommen könnte und sollte. Insofern sieht sich die Kritische Theorie der Musik selber als Teil der modernen Kultur und Kulturkritik.
Autorenportrait
Claus-Steffen Mahnkopf, geb. 1962, ist Musikphilosoph und Komponist. Er studierte Musikwissenschaft, Philosophie und Soziologie, wurde zum Doktor der Philosophie promoviert und ist mit zahlreichen Schriften und Büchern zur Musik und modernen Kultur in Erscheinung getreten. Er gründete 1995 die Gesellschaft für Musik und Ästhetik und gibt 1997 die Zeitschrift Musik & Ästhetik heraus. Seine kompositorische Ausbildung erhielt er bei Brian Ferneyhough und Klaus Huber. Für sein kompositorisches Werk wurde er unter anderem mit dem Gaudeamus Prize und dem Ernst von Siemens Förderpreis ausgezeichnet.
Inhalt
Vorwort
Statt einer Einleitung: Die messianische Dimension und die Erinnerung an den Kulturbruch – oder: Warum widmete Adorno die Ästhetische Theorie nicht einem Komponisten?
I. Adorno und das Projekt einer Kritischen Theorie der Musik
II. Das Erbe
Aneignung und Reduktion
Die Freiburger Schule
Die Zweite Darmstädter Schule
III. Deutschland – Land der Mitte
Versuch über die Teutonità
Spätfolgen des Hitlerregimes
Neue Musik und ihre fragile Verfassung
IV. Die Transformation des Musikbegriffs
Die Situation der Kunstmusik – einige Anmerkungen
Alte Musik und Immanentisierung
Avantgarde und das Scheitern der neuen Musik
Dekonstruktion – Perspektiven der Musik des 21. Jahrhunderts
Exkurs: Musik und Architektur – oder: die Poetik des Konstruierens
V. Aufklärung – Postmoderne – Zweite Moderne
Walter Benjamin und die Dialektik der Aufklärung
Die Aporien der Postmoderne
Die Bedingungen einer zweiten Moderne
VI. Massenkultur und Kulturindustrie
Die vornehme Antiquiertheit der Kulturkritik
Zur Dialektik der Partizipation
Titanic oder Train de vie
VII. Zur Gesellschaftsstruktur
Errungenschaften und Grenzen der Kommunikationstheorie. Eine Antwort auf Jürgen Habermas
Das kritische Potential der Systemtheorie. Eine Antwort auf Niklas Luhmann
Macht und Ohnmacht der Kunst
VIII. Kritische Modelle
Musik und Öffentlichkeit
Musikpädagogik – ein ungewöhnlicher Vorschlag
Für eine histoire de la pensée – zur Musikwissenschaft
Eine andere Aufführungspraxis
Exkurs: Die Sprache über Musik
IX. Zur Zukunft
Das posttraditionelle Musiktheater
Die Gunst freier Musik
Vers une culture musicale future
Namenregister