Beschreibung
Das Thema Beteiligung von Fürsorgerinnen im Nationalsozialismus war über einen sehr langen Zeitraum sowohl für die Wissenschaft als auch für die interessierte Öffentlichkeit von marginalem Interesse. Soziale Arbeit wurde als unpolitisches Helfen wahrgenommen, und den Tätigkeiten von Frauen wurde grundsätzlich wenig Beachtung in der Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Erbe geschenkt. Dabei haben sich die damaligen Fürsorgerinnen aktiv sowohl an der Umsetzung als auch an der ideologischen Bildung der Kategorie minderwertig beteiligt und ihren Platz im System der öffentlichen Fürsorge im Spannungsfeld von Auslese und Ausmerze unhinterfragt eingenommen. Die Tätigkeiten der Fürsorgerinnen hatten für die von ihnen als minderwertig kategorisierten Menschen lebensbedrohliche oder lebenslange Folgen. Vor dem Hintergrund der Analyse umfangreichen - in Teilen bisher unbekannten - Quellenmaterials stellt die Autorin die Handlungsspielräume der Fürsorgerinnen heraus und beleuchtet gängige nationalsozialistische fürsorgerische Praktiken wie z. B. Zwangssterilisation und dauerhafter Freiheitsentzug als Teil fürsorgerischen Alltags.
Autorenportrait
Esther Lehnert, Jahrgang 1966, Dipl.-Päd., Prof. Dr., arbeitet als Professorin für Theorie, Geschichte und Praxis Sozialer Arbeit an der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin. Sie lehrt zu den Themen Heimerziehung in der DDR und BRD, Ideologien der Ungleichwertigkeit, Geschichte, Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit mit dem Schwerpunkt Rechtsextremismus.