Nietzsche absconditus oder Spurenlesen bei Nietzsche / Jugend 1861-1864
Interniert in der Gelehrtenschule: Pforta 1858-1864 oder Wie man entwickelt, was man kann, längst war und weiterhin gilt, wie man ausweicht und doch neue Wege erprobt
Erschienen am
01.01.1994, Auflage: 2., Aufl.
Beschreibung
Der zweite Band der Untersuchung von Nietzsches Zeit an der Eliteschule Pforta führt den riskanten Versuch, dem frühen Denker Nietzsche wirklich auf die Spur zu kommen, fort. Aus längst veröffentlichten Texten ebenso wie aus unveröffentlichten Quellen werden in minutiöser Analyse die letzten Jahre in der Gelehrtenschule Pforta (1862-1864) rekonstruiert. Gerade die Texte seines zweiten Lebensjahrzehnts markieren diejenige Phase im Leben des stimmgabelbewehrten vermeintlichen „Philosophen mit dem Hammer“, in der er diejenigen Strategien ausbildet, die sein Denken bis 1889 charakterisieren und die ihm ermöglichen, sich dem Zugriff seiner Umgebung zunehmend zu entziehen. Und nicht zuletzt die Unterschiedlichkeit der Nietzscheinterpretationen weist darauf hin, daß Nietzsches Schriften sich bis heute jedem einfachen Zugang verweigern.
Diesen verborgenen Nietzsche holt Nietzsche absconditus wohl erstmals ans Tageslicht. Dazu war es notwendig, sein Schreiben als Strategie des Widerstandes vor allem gegen die Zwänge zunächst des protestantischen Elternhauses und später des Internats Schulpforta aufzuschlüsseln, hinter dessen sichtbare und unsichtbare Klostermauern Nietzsche absconditus manchen überraschenden Blick wirft. Ungeschützt bringt der junge Nietzsche sein Denken und Fühlen nämlich nicht zu Papier, versteckt es vielmehr schmunzelnd hinter so manchem frommen Deckblatt in Großoktav und auf hochwertigem Geschenkpapier. In auf oft winzige Zettelchen gekritzelten privaten Notizen und Versen hingegen erfolgt dann die Auseinandersetzung mit religiösen oder sexuellen Problemen, die ungeschützt auszusprechen unmöglich gewesen wäre; und deren Berücksichtigung noch heute in der Nietzscheinterpretation vornehm ausgeklammert wird.
In einem eigenen Kapitel entwickelt Hermann Josef Schmidt seine These, daß der junge Nietzsche ein enges Verhältnis zu dem Schriftsteller Ernst Ortlepp aufbaute und von diesem in seinem Denken nachhaltig beeinflußt worden ist.