Beschreibung
Die Stoffe der Tragödien stammen aus der Wirklichkeit - der Komödiendichter hingegen erschafft seine Figuren in ihrer Gesellschaft mit allen Beziehungskonflikten und glücklichen Erfüllungen aus der reinsten Phantasie; seine Stoffe sind Erfindungen des freiesten Geistes für eine Welt der Möglichkeiten, die noch nicht wirklich sind. In Shakespeare und seinen Menschen, diesen 'natürlichen und doch geheimnisvollsten und zusammengesetztesten Geschöpfen der Natur' (Goethe), hat die Komödie ihre höchsten Gipfel erreicht, für Hegel die Erfüllung der Weltgeschichte, 'von der sie selbst die schönste Seite und den besten Lohn für die sauren Mühen der Erkenntnis ausmacht.' Jede der Shakespeareschen Komödien hat ihre eigene Gestalt, ihre eigene poetische und dramaturgische Physiognomie, die sowohl ein möglichst genaues als auch ein sehr spezifisches Sich-Einlassen auf jeweils ein Stück nahelegen, den sorgfältigen Leser und die Leserin dafür aber aufs Reichste belohnen mit Einsichten und Erkenntnissen über das Menschliche, wie sie nur die Dichtung vermittelt. Shakespeare gehört natürlich auf die Bühne - aber die Vieldimensionalität und die Komplexität, die sich unter der emotional anrührenden und komödiantischen Oberfläche auch noch der geglücktesten Aufführung verbergen, beginnen sich erst einer über die reichhaltige Interpretationsliteratur vermittelten Lektüre zu erschließen. Zu diesen Dimensionen gehört auch eine politische, die aber gerade dadurch ausgezeichnet ist, dass sie Politik als Umgang mit Macht, Herrschaft und Gewalt, wie sie den Tragödien und Historien zugrunde liegt, zugunsten eines radikal anderen, eines im Reiche der Freiheit möglichen Verständnisses des Politischen transzendiert und überwindet.