Beschreibung
Ein Essay im besten Sinne: provozierend, analytisch, literarisch brillant
Kurt Drawerts Essay über die Abschaffung der Wirklichkeit lässt sich als Bestandsaufnahme des Heute lesen. Der Autor verfügt über den kalten Blick desjenigen, der das Operationsmesser ansetzt, der jedoch weiß, dass es dabei ums Ganze geht. Oder ist es doch bereits eine Sezierung?
Ausgehend von einem gesellschaftlichen Zustand, in dem Simulationen die Stelle des Realen besetzt haben, fragt Drawert nach den verbleibenden Möglichkeiten des Einzelnen. Findet sich das Subjekt gerade da vollendet, wo sämtliche Inhalte beseitigt wurden? Wie reagiert der Körper auf diese Situation? Der weit gespannte Bogen dieses gleichermaßen anspruchsvoll wie luzide geschriebenen Essays benennt schließlich die letzte Revolte des Körpers gegen dessen Ausschaltung: der Skandal Aids macht eine geistige Verfassung physisch sichtbar.
'Der Ausverkauf der Leere' markiert einen wichtigen Punkt in der Arbeitsbiographie des Autors. Das 'Haus ohne Menschen' hinter sich lassend ist der Autor im Westen angekommen. Geprägt von dieser Erfahrung und ausgestattet mit der intimen Kenntnis der Fortschrittsmentalität des Westens geht er einen wichtigen Schritt weiter. Mit den Kategorien des entleerten Subjekts und der Ersetzung des Realen durch Virtualität verwendet Drawert analytische Werkzeuge, die seine Wahrnehmung schärfen. Wie er dabei zentrale Gedanken der französischen Theoretiker der Gegenwart aufgreift (Baudrillard, Lacan, Virilio), macht seinen Text zu einem provozierenden, höchst aktuellen Beitrag.
Drawert fragt schließlich, ob eine Rückführung in die Welt des Realen denkbar sei. Sein Essay zeigt, dass es eine Sprache noch gibt, die über den Verlust der Sprache Auskunft geben kann.
An den Essay 'Der Ausverkauf der Leere' schließt sich 'Text' an, ein literarischer Text, der 1990/93 nach einem Besuch in Auschwitz entstand. Er ist dem Essay ebenso zugeordnet wie die 12 s/w Fotografien von Ute Döring.
Der Essay wurde mit dem Förderstipendium Essay der Stiftung Niedersachsen ausgezeichnet. Teilabdruck in 'Sinn und Form'. Rundfunkbearbeitung durch Radio Bremen.
Autorenportrait
Kurt Drawert
Geboren 1956 in Henningsdorf (Brandenburg). Facharbeiterausbildung in Dresden, verschiedene Hilfstätigkeiten. 1982-85 Studium am Institut für Literatur in Leipzig, seit 1986 freier Autor. 1993 Umzug von Leipzig nach Osterholz-Scharmbeck (bei Bremen).
Kurt Drawert veröffentlichte seit 1987 Gedichtbände, einen Roman, Prosa und Hörspiele. Seine Bücher erscheinen im Suhrkamp Verlag. Zahlreiche Literaturpreise. 1994 Stipendium der Akademie Schloss Solitude.
Im Juni 1996 wird sein Stück 'Alles ist einfach' am Staatstheater Darmstadt uraufgeführt. Der Text erscheint im Juni 1995 in der Edition Suhrkamp.
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Ute Döring
1958 in Dresden geboren, Studium der Pädagogik und der Kulturwissenschaften in Leipzig. 1993 Umzug nach Osterholz-Scharmbeck.
Verschiedene Einzelausstellungen mit Fotoarbeiten, zuletzt 1994 'Leipzig. Blicke.' in Worpswede und in Meran. Zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitungen, Zeitschriften und Büchern.