Beschreibung
„Kinder singen deutsch, Mütter sprechen deutsch. Ich bin überglücklich (.)
Inmitten all der Ruinen ist doch unser Leben, unsere Heimat“, so Johannes R.
Becher, um den es in diesem zweiten Band zur Geschichte des Kulturbundes
vorwiegend gehen wird, im Jahr 1945, kurz nach seiner Rückkehr aus dem Exil
nach Deutschland. Schon im Juni 1945 war Becher Mitbegründer des
Kulturbundes als „einziger geistiger Erneuerungsbewegung“ in Deutschland.
Dass er im sowjetischen Exil auch den Eishauch der Stalin’schen Säuberungen
zu spüren bekommen hatte, muss Becher für die spätere Zeit geprägt haben.
Verstand sich der Kulturbund vor allen Dingen in der Anfangszeit als
Sammelbecken aller demokratischen Kräfte in Gesamtdeutschland, geriet er
zunehmend „in die Schützengräben des Kalten Krieges“. Der Kommunist
Becher konnte sich den Avancen der SED nicht verschließen, verlor aber auf
diesem Wege viele Mitstreiter. Trotzdem sollte der Dichter der DDRNationalhymne
eine durchaus differenzierte Rolle als DDR-Kulturminister und
Kulturbund-Präsident spielen, Hans Mayer schreibt in seinen Erinnerungen
sogar, als Kulturminister sei Becher ein „Glücksfall“ gewesen, und bei dem
amerikanischen Historiker Norman M. Naimark liest man, Becher sei entschlossen
gewesen, den Bund von der Partei unabhängig zu halten und ihm
eine eigene nationale, allen demokratischen Kräften der Gesellschaft, auch
den Christdemokraten und parteilosen Intellektuellen, offen stehende Identität
zu verleihen. Das war vor 1948.
Zutreffend, aber wenig schmeichelhaft wurde Becher später als
„Kaisergeburtstagsdichter“ tituliert. Und an den Ereignissen vor allen Dingen
im Herbst 1956 zerbrach Becher.
Becher war die tragische Figur jener Jahre.
Als Luise Rinser im Februar 1951 ihrem Freund Becher nahelegt, ihre gegenseitigen
Beziehungen abzubrechen, mündet ihr nachdenkliches Abschiedswort
in dem Satz: „Du bist zwar ein berühmter Mann, aber Du hast keine Macht“.
Und damit hatte sie recht.