Beschreibung
Waghalsige Gratwanderung durch die deutsche Nachkriegsgeschichte Stunde Null. Deutschland unter den Besatzungsmächten ist der bissige, polemische, aber auch nachdenkliche Bericht von den Trümmerlandschaften der schwindelerregenden deutschen Nachkriegsgeschichte. Der Mitbegründer und damalige Chefredakteur der ZEIT, Richard Tüngel, und der Schriftsteller Hans Rudolf Berndorff nehmen die Leser mit zu den Schauplätzen einer wiederzuentdeckenden deutschen Geschichte: nach Hamburg ins halbzerstörte Pressehaus zur Gründung der ZEIT; nach Lüneburg, Nürnberg und Dachau zu den Kriegsverbrecher- und KZ-Prozessen und nach Berlin, in die geteilte Stadt. Die Erzählhaltung oszilliert dabei zwischen dem engagierten Ernst Tüngels und der scheinbar ungerührten Flapsigkeit Berndorffs. In den autobiographischen Reportagen des Autorenduos, die durch Original-Kommentare und Rückblicke ergänzt werden, kommt bereits alles zur Sprache, worüber im Zuge der Vergangenheitsbewältigung auf Jahrzehnte hinaus zu streiten sein wird. Stunde Null. Deutschland unter den Besatzungsmächten ist eine zwei Generationen später waghalsig anmutende Gratwanderung durch die deutsche Nachkriegsgeschichte. Schon bei seinem ersten Erscheinen 1958 - unter dem polemischen Titel "Auf dem Bauche sollst Du kriechen" - ein streitbares Buch und heute ein zur differenzierten Lektüre herausforderndes Zeitdokument.
Autorenportrait
Richard Tüngel wurde 1893 in Hamburg geboren. Der studierte Architekt wurde aus seinem Amt als Oberbaudirektor beim Hamburger Senat 1933 wegen seiner modernen Kunstauffassung entlassen. Während des Krieges arbeitete er als Schriftsteller und Übersetzer in Berlin, nach Kriegsende kehrte er nach Hamburg zurück. Dort wurde er 1945 zum Direktor der Landeskunstschule am Lerchenfeld berufen und begann als Journalist zu arbeiten. Er war 1946 Mitbegründer der Wochenzeitung Die Zeit. Zunächst arbeitete er als Feuilletonchef, wenig später wurde er zum zweiten Chefredakteur. 1955 kam es zu einer Redaktionskrise der Zeit. Tüngel hatte einen Text des NS-Staatsrechtlers Carl Schmitt veröffentlicht, woraufhin Marion Gräfin Dönhoff aus Protest nach zehn Jahren die Redaktion verließ. Nach weiteren Querelen um einen kritischen Artikel über den amerikanischen Politiker Joseph McCarthy wurde Richard Tüngel entlassen, was gleichzeitig eine Entscheidung über die politische Linie der Zeitung darstellte. Die jahrelangen Auseinandersetzungen zwischen Bucerius und seinen Mitgründern über die politische Richtung der Zeit endeten 1956 damit, dass Tüngel auch seine Funktion als Gesellschafter aufgab. Richard Tüngel, dessen antitotalitäre Haltung sich vor 1945 als Antifaschismus, nach Kriegsende in einem später kritisierten vehementen Antikommunismus äußerte, starb 1970. Der Journalist und Schriftsteller Hans Rudolf Berndorff wurde 1895 in Köln geboren. Nach einer Ausbildung in Schauspielregie und -dramaturgie an der Theaterakademie Düsseldorf wurde er ab 1925 Chefreporter im Berliner Ullstein Verlag, wo er mit Artikelserien über Schiffsuntergänge, Kriminalfälle, Weltreisen und Expeditionen bekannt wurde. Während der Zeit des Nationalsozialismus war der aktive Kriegsteilnehmer und ehemalige Freikorpskämpfer (seit 1933 Mitglied einer SS-Standarte) als Autor wohlgelitten. Zwischen 1933 und 1940 veröffentlichte er unter seinem eigenen Namen sowie unter den Pseudonymen Rudolf van Wehrt und Hans Rudolf etliche Romane und Tatsachenberichte, die allesamt im Ullstein- bzw. Deutschen Verlag als Bücher erschienen. Im Zweiten Weltkrieg galten seine Werke als »kriegswichtig«, und das Propagandaministerium bemühte sich, dem Buch- und mittlerweile Filmautor Berndorff bis 1945 optimale Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte Berndorff seine schriftstellerische Karriere trotz seiner Mitgliedschaft bei der SS bruchlos fortsetzen. Ab 1945 war er als Reporter und Korrespondent für das englische Nachrichtenbüro German News Service und den Manchester Guardian tätig. In den 1950er-Jahren verfasste er als Ghostwriter u.a. die Autobiographien für Ferdinand Sauerbruch und Hjalmar Schacht. Der sich selbst zum »rheinischen Eulenspiegel« stilisierende Autor starb 1963 in Hamburg. László F. Földényi, 1952 in Debrecen (Ungarn) geboren, ist Kunsttheoretiker, Literaturwissenschaftler und Essayist. Er zählt zu den bedeutendsten ungarischen Intellektuellen und leitet als Professor den Lehrstuhl für Kunsttheorie an der Akademie für Theater und Film, Budapest. Er ist Herausgeber der gesammelten Werke von Heinrich von Kleist in ungarischer Sprache und u.a. Friedrich-Gundolf-Preisträger. Seit 2009 ist er Mitglied der der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Für sein Werk Lob der Melancholie. Rätselhafte Botschaften wird er mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2020 ausgezeichnet.