Beschreibung
Etwa ein Drittel aller Menschen gerät irgendwann im Leben in ein Trauma: Eine Situation, in der man sich vom Tode bedroht fühlt, nicht davor fliehen und nicht dagegen ankämpfen kann. In einer solchen Situation gehen Gehirn und Seele - einfach gesagt - in einen kurzfristigen Schockzustand und splittern das Unerträgliche des Geschehens auf - dies nennt man Dissoziation.Michaela Huber beschreibt, wie sich das anfühlt und welche Auswirkungen es hat. Schwerpunkt des Buches sind die Folgen von Langzeittraumatisierungen, die in der Kindheit begonnen haben und meist körperliche, emotionale und sexuelle Gewalt umfassen. Auch die Folgen organisierter Ausbeutung von Kindern für deren seelische Entwicklung werden ausführlich dargestellt."Informativ und gut verständlich beschreibt die Autorin, was ein Trauma ist und auf welche Weise es die Betroffenen beeinträchtigt. Ein gut lesbarer Überblick zu Traumaforschung und -therapie." - emotion"Michaela Huber ist eine Pionierin auf dem Gebiet der Traumaforschung und -therapie." - Luise Reddemann
Autorenportrait
Michaela Huber, Jahrgang 1952, ist psychologische Psychotherapeutin, Supervisorin und Ausbilderin in Traumabehandlung, niedergelassen in Kassel. Sie ist seit deren Gründung 1. Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Trauma und Dissoziation und erhielt 1997 auf dem Traumakongress in Montreal den"International Distinguished Achievement Award" der ISSD für ihre Verdienste auf dem Gebiet der Publikation und Fortbildung zum Thema der schweren posttraumatischen, dissoziativen Störungen. Sie ist Mitbegründerin des Zentrums für Psychotraumatologie in Kassel. 2008 erhielt sie für ihren Einsatz für traumatisierte Menschen das Bundesverdienstkreuz.
Leseprobe
Angesichts der Hartnäckigkeit, mit der seelisch beeinträchtigte PatientInnen im Gesundheitswesen entwertet werden, ist es eigentlich verwunderlich, dass die Psychotraumatologie überhaupt entstehen konnte. So ganz einfach war es auch nicht, es war eine Entwicklung in mehreren Wellen: Entwicklung und Roll-back. Und so ist es bis heute.
Was war eigentlich der auslösende Funke für diese Entwicklung? Meist war es der Anblick der "Jungs" - der noch recht jungen Soldaten, die aus einem Krieg zurückkamen, körperlich zusammengeflickt werden konnten, aber erkennbar verstört blieben. Schaut man sich die Forschungsliteratur an, so lässt sich getrost mutmaßen: Hätte es nicht die Kriegsveteranen gegeben, die aus dem Ersten Weltkrieg, dem Zweiten, und vor allem dem Vietnamkrieg, dann wären vielleicht nicht so viele staatliche und private Forschungsgelder ausgegeben worden. Vielleicht wären wir dann nicht so weit wie heute, Spezifischeres zu wissen über das Traumagedächtnis, über Therapietechniken und Interventionsmöglichkeiten, als sie die herkömmliche "Rede-Kur" von Freud und nachfolgende Therapieschulen zu bieten hatten.
Nach den ersten Diskussionen über "Kriegsneurosen" und "Kriegszitterer", über den "Granaten-Schock" (Shell-shock) durch den Ersten Weltkrieg, schuf Kardiner (1941) unter dem Eindruck der Zusammenbrüche von Soldaten im Zweiten Weltkrieg den Begriff der "Physioneurose", um den gleichzeitig körperlichen wie seelischen, chronischen Beeinträchtigungsprozess nach Trauma zu umschreiben. Damit begann im Grunde die moderne Psychotraumatologie. Diese beschäftigt sich damit, dass reale Extremstress-Erfahrungen sich auch im Gehirn und den Stoffwechsel-Mustern abbilden, dass zahlreiche psychosomatische Störungen und Erkrankungen daraufhin ebenso entstehen können wie Beeinträchtigungen bei Konzentration, Leistungsvermögen und Gefühlsregulation, und dass schließlich das Beziehungsgeschehen ebenso Schaden nehmen kann wie grundlegende Lebenseinstellungen der Betroffenen hinsichtlich des Sinns ihres Lebens und ihrer Spiritualität.
Untersucht wurde dies besonders bei Überlebenden von Realtraumata, welche nicht angezweifelt werden konnten: Kriege, Verfolgung, KZ-Haft und Folter zum Beispiel. In Bezug auf innerfamiliäre Traumata war es vor allem die Frauenbewegung, die auf das enorme Ausmaß an Misshandlungen, auch sexueller Gewalt, gegen Kinder und Frauen hingewiesen hat. Niemals unwidersprochen, häufig sogar heftig in Frage gestellt und attackiert.
Judith Herman, die selbst aus der Frauenbewegung stammt und heute Professorin in Harvard ist, hat in ihren Publikationen immer wieder darauf hingewiesen, wie oft die Angehörigen sämtlicher Berufsgruppen, die mit den Überlebenden sexueller Gewalt arbeiten - RechtsanwältInnen - mitsamt den Opfern als unglaubwürig, hysterisch, übertreibend etc. dargestellt werden - nur weil sie Überlebende unterstützen, begleiten, über sie forschen etc. Ein Thema, das wieder auf die gesellschaftlichen Dimensionen und den Drang zur Verleugnung hinweist.
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