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Awarische Prosa

Märchen, Erzählungen und Miniaturen

Chotiwari-Jünger, Steffi / Sagitowa, Patimat / Traian, Pop
Erschienen am 28.07.2023
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783863561710
Sprache: Deutsch
Umfang: 300
Format (T/L/B): 20.0 x 14.0 cm

Beschreibung

Die awarische Sprache ist eine von circa 40 Sprachen im Nordkaukasus (staatlich zu Russland gehörend), von denen etwa 22 über eine eigene nationale Literatur verfügen. Die Awaren (etwa 1 Million Angehörige) stellen ungefähr 29,2 % (850 000, 2010) der Bevölkerung der Teilrepublik Dagestan dar, jedoch leben Awaren auch außerhalb Dagestans in Russland. Daneben sind 53 000 Awaren in Aserbaidschan und ebenso viele in der Türkei zu Hause. Im deutschsprachigen Raum verbindet man mit dem Ausdruck Awaren ganz bestimmte historische Ereignisse. Sie waren im Mittelalter Machthaber eines riesengroßen Reiches, wobei Awaren die herrschende Schicht des Reiches benannte. Nach den Eroberungskriegen Karls des Großen verloren sie zu Beginn des 9. Jahrhunderts an Bedeutung. Die Frage, ob das Kaukasusvolk in der russischen Teilrepublik Dagestan Verwandte oder Nachfahren dieser historischen Awaren sind, ist sehr umstritten. Die Eigenbezeichnung der kaukasischen Awaren ist Ma?arulal. Die awarische Sprache gehört zur nordostkaukasischen Gruppe und besitzt zehn Dialekte in zwei Hauptgruppen: Südawarisch und Nordawarisch. Sie ist keine indogermanische Sprache und somit nicht ansatzweise mit dem Russischen verwandt. Vorläufer der heutigen Sprache war möglicherweise die kaukasisch-albanische (agwanische) Sprache. In Dagestan gehört das Awarische zu den 14 offiziell für die Kommunikation staatlich anerkannten, gleichberechtigten Hauptsprachen, in denen gelehrt und gedruckt wird (Bücher, Presse), in denen Theateraufführungen stattfinden (in Machatschkala oder im Sommer in den Gebietszentren und Dörfern) und in denen Estrada (Art moderner Schlager) gesungen wird … In diesen Sprachen werden auch Fernsehsendungen angeboten. Awarische Zeitschriften sind „Literarisches Dagestan“, „Freundschaft“, „Falkenkind“ (für Kinder), „Die Frau Dagestans“ sowie 14 Tageszeitungen und die Wochenzeitung „Wahrheit“. Die meisten dieser Publikationen sind auch im Internet präsent. Darüber hinaus werden Regionalzeitungen in awarischer Sprache herausgegeben wie „Der Gärtner“, „Voran“, „Die Zeit“ „Die Stimme Zumanda“, „Einheit“, „Neues Leben“ u. a. (insgesamt 16). Auch regionales Fernsehen in awarischer Sprache wird angeboten. Zurzeit wird verstärkt daran gearbeitet, nationale Bücher als elektronische Bücher anzubieten. Trotz aller dieser Angebote gilt die awarische Sprache als gefährdete Sprache, da sie immer weniger als Muttersprache erlernt und innerhalb weniger Generationen wahrscheinlich nicht mehr existieren wird. Meist sind bedrohte Sprachen Minderheitensprachen in ihren jeweiligen Ländern, die Sprecher tendieren zur jeweils dominanten Sprache. Im Falle der awarischen Sprache ist die dominierende Sprache das Russische. Durch die Abwanderung aus dem Dorf und die Ballung der Bevölkerung Dagestans in der Hauptstadt Machatschkala und anderen Gebietszentren, wo eine durchmischte Bevölkerung lebt, die sich gegenseitig fast nur auf Russisch verständigen kann, ist diese Entwicklung eingetreten. Andere Faktoren sind Mischehen, Auswanderung ins russische Kerngebiet, eine ungenügende Lehrerzahl und –ausbildung in den nationalen Sprachen, eine starke Ausbildung in der russischen Sprache in Schulen und Hochschulen u. v. m. Eine Befragung (2015) von 7290 Schülern Dagestans der 1. bis 9. Klasse ergab, dass 28 % ihre nationale Sprache überhaupt nicht kennen, 23 % die Sprache mittelmäßig beherrschen, etwa 33 % die nationale Sprache ein wenig verstehen und nur 18 % frei sprechen. Das ist schon ein alarmierendes Zeichen. Uns ist es daher ein Anliegen, die wertvollen Dokumente nordkaukasischer Literaturen für die Nachwelt zu bewahren, solange noch Sprechende oder besser gesagt Verstehende für Übersetzungen zur Verfügung stehen. Eine Hörprobe des Awarischen biete ich im Internet unter der Adresse: www.kaukasische-literaturen.jimdo.com/hörpoben/ an, wo auch andere kaukasische Sprachen mit literarischen Texten akustisch vorgestellt werden. Die Schriftlichkeit der awarischen Sprache ist seit dem 9. Jahrhundert mit georgischen Buchstaben bekannt. Davon konnte ich mich selbst überzeugen, als ich im Jahre 2013 in Dagestan weilte und auf einer Reise in die Berge zufällig Zeuge von Steinausgrabungen mit georgischer Schrift wurde. Ab dem 15. Jh. wurde mit arabischer Graphik geschrieben, seit 1928 mit lateinischem Alphabet und schließlich mit dem Jahre 1937 bis zum heutigen Tag mit kyrillischen Zeichen und Zusatzzeichen. Die awarische Literatur entwickelte sich ab dem 10. Jh. in arabischer, persischer und türkischer Sprache. Seit dem 18. Jh. wurde auch in der eigenen Muttersprache geschrieben, zunächst vor allem Lyrik. Als Begründer der awarischen Literatur gelten Aldirilaw aus Rugudshi (1857-1882) und Tashutdin aus Batlaitsch (1867-1909). Neben der awarischen Literatur auf Awarisch entwickelte sich eine Literatur auf Russisch. So kann es nicht verwundern, dass auch eine russischsprachige awarische Autorin (Ganijewa) in unseren Prosaband aufgenommen wurde. Was ist bisher aus der awarischen Literatur ins Deutsche übertragen? Seit dem Jahre 1862 wurden Märchen, Sprichwörter, Fabeln, Aussprüche und Lieder ins Deutsche übersetzt, zunächst von deutschen Wissenschaftlern aus St. Petersburg, dann von Wissenschaftlern aus Deutschland, nach dem Zweiten Weltkrieg durch Einzelpersonen und Verlage in Deutschland. Wenn ich zwei Schriftsteller erst einmal ausschließe, erschienen bis zum Jahre 2000 aus der awarischen Literatur neben der Folklore etwa 18 einzelne Erzählungen bzw. Gedichte in Zeitschriften wie „Die Sowjetfrau“, „Sowjetliteratur“, „Sputnik“ „Freie Welt“ sowie „Sinn und Form“ oder in einem Buch mit verschiedenen Nationalliteraturen, meist aus dem Russischen übertragen (DDR). Das ist nicht viel. Allerdings sind ein awarischer Autor mit einem ganzen Buch und ein zweiter Autor sogar mit mehreren Büchern in deutscher Sprache hervorgetreten: Ein für die Awaren außerordentliches Ereignis war Halil Beg Mussayassuls Publikation „Das Land der letzten Ritter. Eine Erzählung aus den kaukasischen Bergen“, aufgeschrieben von Luise Laporte, München 1936, von dem in Machatschkala manchmal sogar voller Stolz behauptet wird, sie sei in zwei Auflagen erschienen, wofür ich aber keine Belege gefunden habe. Der Autor Mussayassul (geb. 1896 in Gunib – gest. 1949 in New York) lebte lange Zeit als Maler in Deutschland (München) und erzählte Erinnerungen und die Geschichte seines Volkes der Verlagsmitarbeiterin Laporte, die alles aufschrieb und das Buch herausgab. Einen Ausschnitt aus diesem Buch finden sie unter den hier abgedruckten Texten. Und schließlich das zweite, noch bedeutsamere Ereignis, gar eine Sensation, denn ein zweiter Schriftsteller der Awaren erringt Weltruhm: Rassul Gamsatow (1923-2003) wird im Ausland der bekannteste kaukasische Autor des 20. Jahrhunderts und in viele „große“ Sprachen wie Französisch und Englisch übersetzt, aber auch ins Polnische, Ungarische, Koreanische, Arabische, Rumänische, Tamilische … Die russische Wikipedia spricht von Millionenauflagen in Dutzenden von Sprachen. In der DDR erschienen folgende Bücher von Gamsatow: „Kaukasische Rhapsodie“, Berlin 1967, „Sinn und Trinksprüche“, Berlin 1979 und „Der Bräutigam zahle mit Liebe“, Berlin 1988, aber den grössten Erfolg errang der Autor mit dem Roman „Mein Dagestan“, Moskau 1972 (dt. Berlin 1975). Daneben wurden von ihm über zwei Dutzend Gedichte, Epigramme, Märchen, Trinksprüche in Zeitschriften und Sammelbänden abgedruckt. Gamsatow war vor allem Lyriker, neben seinem Roman „Mein Dagestan“ ist keine Prosa bekannt. Deshalb haben wir uns entschlossen, diesen Autor in unserem Band der awarischen Prosa nicht fehlen zu lassen und einen kleinen Abschnitt aus diesem Werk abzudrucken. Da der Roman aus vielen kleinen fröhlichen, traurigen, spannenden Episoden besteht, bietet sich das hier an, obwohl ich mich gewöhnlich gegen einen auszugsweisen Abdruck von Werken ausspreche. Leider existiert der Verlag „Der Morgen Berlin“ nicht mehr, der einst das Werk herausgegeben hat. Auch war es mir trotz vielfältiger Bemühungen nicht möglich, mit der Übersetzerin, Thea-Marianne Bobrowski, Kontakt aufzunehmen. So hoffen wir auf das stille Einverständnis für den Abdruck des Abschnitts, der insofern das Buch bereichert, da Gamsatow in ihm über seinen Vater Gamsat Zadassa, ebenfalls Autor unseres Buches, und seine Auffassungen zur Prosa allgemein erzählt. Neben den eben erwähnten Büchern und Einzelpublikationen suchte der Leser im deutschsprachigen Raum vergeblich nach einer Anthologie mit awarischer Literatur, sodass unser Buch ein erster, bescheidener Anfang darstellt. Im Unterschied zu den zwei von mir (mit Hilfe von Muttersprachlern) bisher herausgegebenen und übersetzen Büchern nordkaukasischer Prosa „Sehnsucht nach der Heimat“ (Lakische Prosa aus dem Kaukasus), Aachen 2013, und „Abasinische Prosa“ (Folklore, Erzählungen, Novellen und Miniaturen), Ludwigsburg 2014, werden im vorliegenden Band „Awarische Prosa“ die Autorennamen in ihrer russischen Variante angegeben. Offensichtlich sind bei einigen nordkaukasischen Völkern die eigenen nationalen Namensvarianten bereits so stark in den Hintergrund getreten, dass sie sogar in ihren nationalsprachigen Büchern, Zeitungen & Zeitschriften in russischer Variante (also mit einem –ow(a) am Ende und meist anderen Veränderungen) geschrieben werden. Es wäre einfach etwas Künstliches, sie hier im Original aufzuführen, da sie so im Internet nicht mehr aufzufinden sind. Anzumerken wäre, dass sich Schriftsteller früher oft nach ihrem Heimataul benannten oder benannt wurden /z. B. Gamsat aus Zada, Tashutdin aus Batlaitsch/ oder nach dem Vater /Rasul Gamsatow – Rasul, Sohn des Gamsat. Die Auswahl und die besondere Arbeitsweise bei der Übersetzung einer nordkaukasischen Literatur habe ich bereits im Buch „Abasinische Prosa“ erläutert (Nachwort, S. 162-166). Für die Awarischübertragungen konnten wir die gleichen Bedingungen nutzen. An dieser Stelle deshalb mein unendlicher Dank an das Übersetzerhaus in der Schweiz, das Patimat Sagirowa mit einem Stipendium und Visabeschaffung unterstützen konnte und in dem wir gemeinsam, Seite an Seite, unsere Übertragungen tätigten. Im vorliegenden Band sind außer Märchen viele kleine und große Erzählungen, Miniaturen und Fabeln von dreizehn Autoren enthalten. Der älteste Autor wurde 1877 geboren, die jüngste Autorin 1985. Es ergibt sich eine Spannweite von über hundert Jahren. Die Anordnung der Erzählungen erfolgte (mit einer Ausnahme – Mussayassul) chronologisch nach den Geburtsdaten der Schriftsteller. Mussayassul bildet darin in mancherlei Hinsicht eine Ausnahme: Er hat die Erzählung nicht selbst verfasst, sondern sie wurde durch eine andere Person aufgeschrieben. Daneben hat Mussayassul sie im Deutschland erzählt als eine etwas „nostalgisch verklärte“ Lebenserinnerung; nicht umsonst heißt seine Überschrift „Das verlorene Paradies“. Beim Lesen der anderen zeitlich ersten Werke wird offensichtlich, dass die Texte und Zeitdokumente noch stark von Heldenepen bzw. rauen kaukasischen Mythen beeinflusst sind, den Awaren die erlebte Geschichte mit einer Sprache, die sie kennen, erzählt wird: mit Vergleichen, legendenbehaftet, eine Erzählung, die vom Übergang mündlicher Epen zur Literatur kündet. Sogar noch in den zeitgenössischen Arbeiten treten sie manchmal belehrend, mitunter schulmeisterlich auf (z. B. Patimat Magomedowa). Ganz genau und akribisch, aber mitunter ebenfalls „aufklärend“ ist die Sprache Abdulmashid Chatschalows, des ehemaligen Frontkämpfers im Zweiten Weltkrieg. Seine Sprache ist an den Inhalt angepasst, streng, distanziert und herb. Man merkt ihr den Duktus des Sprechens und Protokollierens der Miliz an. Die Prosa weiterer Autoren dagegen ist in erster Linie eher lyrisch oder in orientalische Gleichnisse verpackt, die nachdenklich machen. Weitere Schriftsteller lieben es, zugespitzte und episodenhafte Situationen zu erzählen oder zu experimentieren. Wir haben uns bemüht, eine abwechslungsreiche und vielfältige awarische Literatur zu präsentieren. Eine Besonderheit unserer Übersetzungen ist die Übertragung von Aussprüchen in zweifacher Aus- führung. Sie werden nicht nur sinngemäß ins Deutsche transportiert (wie sonst bei Übersetzungen üblich), sondern in den Anmerkungen auch speziell wortwörtlich wiedergegeben. In ihrer nationalen Form wären sie im Text fast oder ganz unverständlich. Wir aber wollen auf die Originalität, Bildhaftigkeit und das besondere Denken der Awaren verweisen. Anbei zwei Beispiele: Wenn es im Deutschen von einem Pferd heißt: „... es hob den Schweif steil an, wie wenn es eine Fahne tragen würde“, heißt es Awarisch „ ... es hob den Schwanz hoch wie ein in die Wand eingeschlagener Nagel” Oder: „Dann werde ich alles abbekommen“ (den Zorn wegen einer Missetat), dann heißt es Awarisch: „Über meinem Kopf wird eine Schmiede veranstaltet“… Diese Anmerkungen verbleiben bei den Texten und geben späteren Übersetzungen in weitere Sprachen die Möglichkeit zu genaueren oder adäquateren Übertragungen, falls diese Sprachen über ähnliche Ausdrücke verfügen. Dagegen werden Redewendungen, Metaphern und Sprichwörter, die verständlich und/oder blumiger als im Deutschen sind, so belassen, da sie ein besonderes Kolorit zaubern. Als Beispiel möchte ich die deutsche Wendung „Kleine Kinder, kleine Sorgen, große Kinder, große Sorgen“ anführen, die im Awarischen „Kleine Kinder nuckeln an der Brust, die großen am Herzen“ lautet. Ein Leser der ersten Auflage der „Awarischen Prosa“ hat bezaubert einige solcher Ausdrücke aus den Texten herausgesucht und mir zugeschickt. Ich möchte sie Ihnen weiterreichen: * Mithilfe der Frau erklimmt der Mann einen Gipfel, mit ihrer Hilfe fällt er in den Abgrund * Ein Mann hat zwei Wörter: Wenn das eine verschwindet, kann man es durch das andere ersetzen * ... es gibt nichts Schwierigeres, als die Gedanken vom Kopf auf die Spitze des Bleistifts zu verlegen * froh wie ein Wachtelweibchen im Sommer ... * ich bin stachelig wie der wuchernde Busch der Hagebutte ... * Du führst mich an den Rand eines Flusses und bittest mich, auf jene Seite zu springen, ohne nass zu wer- den * ... da sich der Nebel der Sorge ausbreitete ... “ * ... ich Arme habe mich wie ein Vogel auf einem stacheligen Busch gefühlt * ... weil bei deren Bräutigam ein Glöckchen auf der Zunge klingelt ... * ... unzertrennlich wie der September und der Kuckuck * ... es ist nachzudenken, auf welchen Wurzeln ein Baum gewachsen ist und von welchem Zweig die Frucht abgepflückt wurde * ... warte ein wenig, die Ziegen laufen dir nicht in die Berge, und das Haus brennt auch nicht ab * ... dass sich bei den Menschen Verstand und Dummheit zeigen, wenn ihre Kinder erwachsen werden Es war mir wichtig, auch weibliche Autorinnen in den Band aufzunehmen: von den dreizehn Autoren des Bandes sind vier weiblichen Geschlechts. Eine von ihnen, Fasu Alijewa, ist beim interessierten deutschen Leser bereits einigermassen bekannt, da schon vierzehn Gedichte, Balladen, Erzählungen oder anderes in Zeitschriften in deutscher Sprache abgedruckt waren. In unserem Buch werden wir drei Erzählungen von ihr hinzufügen. Alijewa ist Autorin von mehr als 100 Büchern, Dichtungen, Romanen und Erzählungen, und ihre Werke wurden in 68 Sprachen übersetzt. Sie wird von ihren Lesern hoch verehrt. In der russischen Wikipedia wird ihr bescheinigt, einen bedeutenden Beitrag bei der Entwicklung der dagestanischen und russländischen Literatur geleistet zu haben. Von der jungen Generation haben wir Alissa Ganijewas Erzählungen ausgewählt. 2010 erschien ihre De- büterzählung „Salam tebe, Dalgat!“ (dt. „Salam, Dalgat!“, in: „Das schönste Proletariat der Welt“, 2011), die sie ein Jahr zuvor unter einem männlichen Pseudonym für einen Wettbewerb eingereicht hatte. Es folgte der Roman „Der Festtagsberg“, Moskau 2012 (dt. „Die russische Mauer“, Berlin 2014; Übersetzung von Christiane Körner). Paradoxerweise (wohl weil A. Ganijewa ihre Werke Russisch schreibt) wird der Roman als „Ereignis in der russischen Gegenwartsliteratur“ (Neue Zürcher Zeitung) gewertet und nicht etwa der awarischen oder awarisch-russischen Gegenwartsliteratur oder russländischen Gegenwartsliteratur, obwohl Ganijewa in Dagestan aufgewachsen ist und der Roman in der Hauptstadt Machatschkala spielt und das Chaos zwischen verschiedenen islamischen Gruppierungen in Dagestan beschreibt. 2016 erschien in Berlin ein weiterer Roman „Die Liebe im Kaukasus“ der gleichen Übersetzerin (russ. Titel „Bräutigam und Braut“, Moskau 2015) und 2018 der Roman „Verletzte Gefühle“, Klagenfurt (Übersetzung von Johannes Eigner). Interessanterweise wird bei Ganijewa im Roman „Die russische Mauer“ der erstarkende Einfluss des Islam eher als etwas Beunruhigendes für Dagestan angesehen, während eine andere Autorin unseres Bandes, Magomedowa, diesen mit ihren Erzählungen eher rechtfertigt und moralisch-ethisch als höher stehend akzentuiert. Wenngleich die literarische Qualität der Erzählungen Magomedowas meines Erachtens nicht an die Ganijewas heranreicht, geben sie doch ein Bild von den unterschiedlichen Einstellungen und Wahrnehmungen der heutigen dagestanischen Wirklichkeit. Zuletzt möchte ich Ihnen als Leser viel Kurzweil mit den awarischen Geschichten wünschen.

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