Beschreibung
Ist die Hartz IV Reform gescheitert? In weiten Teilen der Gesellschaft herrscht große Unzufriedenheit über das Sozialstaatsystem in Deutschland. Man fragt sich derweilen provokativ, warum Staatsbürger mit dem Gewicht ihrer Faulheit ihre arbeitenden Nachbarn belasten dürfen und dafür zuweilen auch noch mehr Geld erhalten, als derjenige der jeden Tag aufsteht und zur Arbeit geht. FDP Parteichef Guido Westerwelle stellte sich diese umstrittene Frage, die man eigentlich hierzulande nicht stellen darf, und erntete dafür Kritik und politische Entrüstung. Er war es auch, der das Dilemma zwischen steigender Arbeitslosigkeit und zunehmender Lohnungleichheit aufzeigte und Deutschland mit der aktuellen Hartz IV Reformdebatte konfrontierte. In diesem Buch werden diese empfundenen Ungerechtigkeiten und der daraus entstehende Reformbedarf aufgezeigt und in Interviews mit Landes- und Bundespolitikern die Frage analysiert, ob es sinnvoll ist, die Regelsätze für Sozialleistungen zu kürzen, um den Abstand zwischen einem Leben mit oder ohne Arbeit zu vergrößern. Bislang ist es noch nicht gelungen, ein überzeugendes Reformkonzept umzusetzen, um Arbeit erstrebenswert und das Leben ohne Arbeit lebenswert und moralisch vertretbar zu machen. Hier geht es vor allem um die Fragestellung, wie weit der Sozialstaat Hilfsbedürftige unterstützen soll, ohne dem Anreiz einer Beschäftigung, gerade im Niedriglohnsektor, entgegenzuwirken. Diese Bedeutung des Lohnabstandsgebots zwischen Beschäftigung und Arbeitslosigkeit soll aus ökonomischer, politisch-moralischer und rechtlicher Sicht analysiert werden. Kritisch beschäftigt sich Robert Czaplinski mit dem Effekt, dass soziale Unterstützung in Deutschland oftmals schon einem Mindestlohn gleichkommt. In der deutschen Verfassung findet das Lohnabstandsgebot zwar keine Berücksichtigung, der Grundsatz aber, dass ein arbeitender Mensch in Deutschland mehr Geld zur Verfügung haben muss als jemand, der seinen Lebensunterhalt nur mit staatlicher Hilfe bestreiten kann, findet sich im zwölften Buch des Sozialgesetzbuches wieder. Nach § 28 SGB XII müssen die Regelsätze unter dem durchschnittlichen Nettoverdienst der unteren Lohn- und Gehaltsgruppen liegen. Diese Regelung ist als Existenzminimum bekannt. Der im Gesetz zum Ausdruck gebrachte Vorrang der Erwerbstätigkeit steht aber erfahrungsgemäß häufig dort im Mittelpunkt der analysierten Debatte, wo sich Konstellationen ergeben, wo beispielsweise kinderreiche Sozialhilfeempfänger besser []
Autorenportrait
Robert Czaplinski ist seit jungen Jahren politisch engagiert und verfolgt mit diesem Buch das Ziel, seine fundierten Kenntnisse aus den Kernbereichen seines Studiums in Wirtschaft und Recht mit seinem Interesse an politischen Fragestellungen zu verbinden.
Leseprobe
Textprobe:Kapitel 5, Das Lohnabstandsgebot:Der Lohnabstand ist die Spanne zwischen dem Nettoerwerbseinkommen und dem Anspruch auf Sozialleistung. Dabei kann in einigen Fällen auch beim Erwerbstätigen ein Sozialleistungsanspruch bestehen.5.1, Der Zusammenhang zwischen Lohnabstand und Existenzminimum:Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland schreibt das sogenannte Existenzminimum für diejenigen vor, die keiner Beschäftigung nachgehen, nicht in der Lage sind, eine Arbeit aufzunehmen oder keine angemessene Arbeit finden. Der Grundgedanke des Lohnabstandsgebotes ist denkbar einfach: Arbeit muss sich demnach mehr lohnen als keine Arbeit, dass heißt wer eine Ganztagsbeschäftigung hat, sollte keine staatlichen Unterstützungen in Anspruch nehmen müssen. Würde dieses Prinzip breit außer Kraft gesetzt oder weitestgehend nicht eingehalten werden, würde der Arbeitsanreiz in einer Volkswirtschaft wie Deutschland verloren gehen.5.2, Die gesetzliche Regelung des Lohnabstandgebots:In der deutschen Verfassung findet das Lohnabstandsgebot keine Berücksichtigung. Der Grundsatz aber, dass ein arbeitender Mensch in Deutschland mehr Geld zur Verfügung haben muss als jemand, der seinen Lebensunterhalt nur mit staatlicher Hilfe bestreiten kann, findet sich im Sozialgesetzbuch wieder. Nach Paragraph 28 Sozialgesetzbuch XII müssen die Regelsätze unter dem durchschnittlichen Nettoverdienst der unterer Lohn- und Gehaltsgruppen liegen.Der hier im Gesetz zum Ausdruck gebrachte Vorrang der Erwerbstätigkeit steht nun aber im Mittelpunkt der aktuellen Diskussion, weil sich, wie die Entwicklung zeigt, Konstellationen ergeben, wo beispielsweise kinderreiche Sozialhilfeempfänger besser gestellt sind, als diejenigen, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Werden angemessen Löhne gezahlt, gibt es dieses Problem nicht. Steigt aber der Beschäftigungsgrad gerade im Niedriglohnsektor, sind immer mehr Erwerbstätige vom Schwund des Lohnabstandsgebotes betroffen.5.3, Die Folgen der Hartz-IV Gesetzgebung für den Arbeitsmarkt:Kritiker sind der Meinung, dass durch Einführung der Hartz Gesetze genau diese Niedriglohnbranche durch die Gesetzgebung und die politischen Aktivitäten der Regierungsparteien aktiv gefördert werden. Bemerkenswert ist, dass durch diese Politik immer mehr Erwerbstätige einen Anspruch auf Sozialleistungen des Staates haben, weil die Unternehmen die günstige Gesetzgebung nutzen, um ihre Beschäftigten in den Niedriglohnsektor einzugliedern und somit Tätigkeiten in Leiharbeit und Kurzeitarbeit steigen.5.3.1, Die Entstehung prekäre Beschäftigungsverhältnisse im Niedriglohnsektor am Beispiel der Leiharbeiterbranche:Die Beschäftigen in der Leiharbeiterbranche verdienen deutlich weniger als ihre Kollegen, die eine Festanstellung inne haben. Sie werden erst durch dieses Beschäftigungsverhältnis gezwungen Hartz-IV Leistungen in Anspruch zu nehmen. Die Anzahl der Leiharbeiter ist von 1997 zu 2007 um 500.000 auf 700.000 Beschäftige gestiegen, jeder Achte hat Anspruch auf Sozialleistungen und kann somit die Differenz ausgleichen lassen. Die Subvention kostet dem Staat circa 9,3 Milliarden Euro jährlich. Die herrschende Meinung sagt klar, dass das eigentliche Problem aber die sinkenden Löhne sind, die das Lohnabstandsgebot brechen, also nicht die zu hohen Hartz-IV Regelsätze.5.4, Arbeitnehmer sind aus ökonomischer Sicht keine freien Marktteilnehmer:Aus ökonomischer Sicht ist unstrittig, dass zwischen dem Erwerbstätigkeitslohn, ausgehend vom Niedriglohnsektor und den Sozialleistungen, ein gewisser Abstand bestehen muss. Bereits hier tritt die Problematik der klassischen Lehre auf, weil in der Niedriglohnbranche Gehälter und Löhne gezahlt werden, die sich nur knapp über denen befinden, die einem Sozialhilfeempfänger zustehen. Ein Arbeitsuchender würde auf dem sogenannten vollkommenen Arbeitsmarkt eine derartige unterbezahlte Anstellung in den meisten Fällen ausschlagen, wenn das Beschäftigungsangebot größer ist als die Nachfrage für Beschäftigungsverhältnisse. Wenn also ein Überhang von Arbeitsplätzen im Niedriglohnsektor entstünde, müssten sich nach der klassischen Arbeitsmarktlehre Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage in einem Gleichgewicht wiederfinden. In diesem Fall befände sich der Lohn des Arbeitnehmers über dem des Sozialhilfeempfängers: Der Lohnabstand wäre gewährleistet. Doch die klassische Lehre versagt aktuell, denn genau das Gegenteil ist in Deutschland der Fall. Die Löhne aus Beschäftigungen im Niedriglohnsektor gehen genauso zurück wie auch der Lohnabstand und gleichzeitig steigt dabei der Bedarf an Geringqualifizierten!5.4.1, Folgen für die Arbeitsuchenden:Die Analyse durch Arbeitsmarktforschungsinstitute hat ergeben, dass auf Grund von möglichen Konsequenzen einer Nichtaufnahme einer solchen gering qualifizierten Beschäftigung eines Arbeitslosen, Kürzungen seiner Sozialleistungen drohen, somit wird häufig das nicht wirklich lohnende Angebot angenommen, zum Vorteil der Profitgier der Unternehmungen dieser Branche und zum Nachteil des Lohnabstandniveaus, das dadurch marginal sinkt. In der aktuellen Situation, ist die klassische Lehre also demnach nicht anwendbar, weil der Sozialleistungsempfänger weder sachlich agieren kann noch ein freier Marktteilnehmer ist.5.5, Lösungsansätze für das ökonomische Problem der Arbeitsuchenden:Doch wie sieht die Lösung dieser ökonomischen neuen Problematik der sinkenden Bedeutung des Lohnabstandsniveaus aus? Die derzeit praktizierte Systematik muss unterbrochen werden, das heißt ein Arbeitsloser darf nicht dafür bestraft werden, dass er eine ihm zugewiesen Stelle auf Grund der schlechten Bezahlung nicht annimmt. Er verliert durch die ihm drohenden Kürzungen seiner Sozialleistung die Marktmacht. Er entscheidet also nicht mehr, was ein angemessener Lohn ist, sondern eher der wirtschaftspolitische Wandel mit dem rapide steigenden Ausbau des Niedriglohnsektors und die günstige Sozialleistungsgesetzgabe für Unternehmen. Auch fehlt es dem Niedriglohnsektor an der Unterstützung durch die Gewerkschaften insbesondere durch den DGB. Ihre Aufgabe wäre es ein angemessenes und erträgliches Lohnniveau über dem Sozialleistungsniveau auszuhandeln.
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