Beschreibung
Was verbindet japanische Geiseln in Kriegsgebieten mit Nuklearflüchtlingen aus Fukushima und Arbeitnehmern in prekären Verhältnissen? Ihnen allen wurde im öffentlichen Diskurs in Japan eine persönliche Verantwortung für ihre Situation zugeschrieben. Diese "Selbstverantwortung", jap. "jikosekinin", ist zum Schlüsselbegriff der japanischen Gegenwartsgesellschaft geworden und ihr Verständnis daher Gegenstand dieses Buches. Was bedeutet "Selbstverantwortung" in japanischen Diskursen? Und wie konnte der facettenreiche Begriff eine derartige Schlagkraft entwickeln? Laura Blecken findet Antworten auf diese Fragen, indem sie Methoden der Begriffsgeschichte sowie der Diskursanalyse kombiniert und um einen modernen Ansatz aus den Digital Humanities erstmalig für die Japanforschung erweitert: Zunächst sucht sie die Wurzeln des Wortes in historischen Textquellen und erstellt ein Modell für die unterschiedlichen Bedeutungen von "jikosekinin", durch die in diesem Begriff verschiedene Diskurse zusammenlaufen. Anschließend untersucht die Verfasserin anhand von fast 40.000 Blogartikeln, wie "jikosekinin" heute tatsächlich im Internet verwendet wird. Dieses Vorgehen macht es möglich, die alltagssprachliche Omnipräsenz von "jikosekinin" aufzuschlüsseln und den Begriff im Spannungsfeld zwischen tradierten Moralvorstellungen und den Auswirkungen eines globalen Neoliberalismus zu diskutieren.