Beschreibung
Ungarn 1882: Im Dorf Tisza-Eszlár wird die junge Magd Esther von ihrer Dienstgeberin, der Bäuerin Bátori, erbarmungslos ausgebeutet. Auch von ihrer Mutter wird dem armen Mädchen keine Unterstützung zuteil. Als Esther am Palmsamstag unweit der Synagoge spurlos verschwindet, macht die Kunde, die Juden aus dem Dorf hätten Esther zu Pessach geopfert, schnell die Runde. Bald wird aus dem verhetzenden Gerücht ein bestimmendes Thema in den politischen Kreisen Budapests - und auch in den internationalen Zeitungen wird groß über den angeblichen Ritualmord berichtet. Der halbwüchsige Moritz Scharf, Sohn des jüdischen Tempeldieners, der sich von den religiösen Traditionen lossagen will, wird zum Spielball der antisemitischen Hetze. Sowohl in der Provinz als auch in Budapest wittern judenfeindliche Politiker und Staatsanwälte die Chance, mit diesem Fall ihre Karriere vorantreiben zu können. Bald beginnen auch deutschnationale Politiker in Berlin sich für den Fall zu interessieren. Das Gerücht aus einem kleinen ungarischen Dorf wird zum Staatsakt, und es kommt zu einem spektakulären Prozess auf Leben und Tod. Georg Wilhelm Pabst erfasste die politische Dimension dieser Ereignisse und gab das Drehbuch zu "Der Prozeß" in Auftrag. Sein Film "Der Prozeß" und Brunngrabers Roman erschienen gleichzeitig.
Autorenportrait
Rudolf Brunngraber (1901-1960) gehört zu den interessantesten österreichischen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Seine Romane wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, in 18 Sprachen übersetzt und erreichten eine Millionenauflage. Angeregt durch Otto Neurath gelang Rudolf Brunngraber 1932 mit "Karl und das 20. Jahrhundert" (MILENA, 2010) ein Roman, der nicht nur inhaltlich bedeutsam ist, sondern auch formal neue Wege beschreitet. Brunngrabers Werk erschien zuerst im Zentralorgan der SDAP, der Arbeiter-Zeitung, und wurde dann zum internationalen Bucherfolg. Vor seinem literarischen Durchbruch schlug sich der ehemalige Schüler Gustav Klimts jahrelang als Wanderredner, Holzfäller und Totensänger durch. "Prozeß auf Tod und Leben" erschien das erste Mal 1948 im Zsolnay Verlag.