Beschreibung
Das vorliegende Buch beschreibt die Bindungstheorie von John Bowlby und ihre Relevanz für frühe gelingende Bildungsprozesse des Kindes. Im Mittelpunkt steht die Frage: Bildung ohne Bindung? Ist Bindungssicherheit die wesentliche Basis für gelingende frühe Bildungsprozesse?Die vorliegende Studie geht davon aus, dass soziale Nähe und Interaktion nicht nur zu den Grundbedürfnissen des Menschen gehören, sondern gleichsam ein Erfordernis für die menschliche Individualentwicklung darstellen. Daraus folgt, dass Klein- und Vorschulkinder für ihre Entwicklung Bedingungen benötigen, die sich durch die Verfügbarkeit einer Bezugsperson auszeichnen, die soziale Nähe garantiert. Dies bezieht die gesamte Gestaltung sozialer Interaktion ein. Denn erst im Austausch mit anderen Individuen werden Differenzen oder Gemeinsamkeiten, in der Aneignung von Wissen und Erfahrungen, verarbeitet und zu Einsichten verdichtet.Die Studie spezialisiert sich auf die Lebensphase zwischen Geburt und Vorschulalter und berücksichtigt die Beziehung zwischen dem Kind, seinen Eltern und die Beziehung zu professionellen Fachkräften in der Tagesbetreuung. Zur Abbildung der Entwicklung werden entwicklungspsychologische, anthropologische und auch neurobiologische Forschungsergebnisse der letzten Jahre genutzt. Die Bindungstheorie beruht auf der Evolutionstheorie und ist somit fest verankert in der biologischen Naturwissenschaft, welche für das Verstehen menschlicher Entwicklung ausschlaggebend ist. Die menschliche Entwicklung des Sozialverhaltens, der Wahrnehmung, der Sprache oder des Denkens ist durch die Komplexität des Zusammenspiels unterschiedlicher Funktionen, die abhängig vom Gesamtkontext sind, gekennzeichnet. Davon ausgehend zeigen sich kindliche Bildungsprozesse, als ein vielschichtiges Zusammenwirken von Ereignissen, der individuellen, inneren Welt, sowie Prozessen der sozial geprägten und objektivierbar gemachten äußeren Welt. Der Einfluss der unterschiedlichen Variablen und deren Zusammenwirken wird in dieser Studie untersucht. Die Untersuchung trifft, sowohl auf weibliche und auf männliche Bezugspersonen zu, allerdings wird aus Gründen der Vereinfachung , überwiegend die weibliche Formulierung genutzt. Weiterhin ist es zumeist die Mutter, die sich im ersten Lebensjahr um das Neugeborene kümmert und in der professionellen Tagesbetreuung sind prozentual gesehen mehr Frauen beschäftigt.
Autorenportrait
Doreen Wohlgethan wurde 1977 geboren. Im Jahr 2006 schloss sie das Studium des Sozialwesens als Diplom Sozialpädagogin/Sozialarbeiterin erfolgreich ab. Die Autorin entschied sich zeitnah dazu, ihre fachlichen Qualifikationen in diesem Bereich durch den berufsbegleitenden Masterstudiengang Soziale Arbeit, mit dem Schwerpunkt der Gemeindepsychiatrie, auszubauen und schloss diesen 2011 ab.Bereits während des ersten Studiums sammelte die Autorin umfassende praktische Erfahrungen in der Kinder- und Jugendhilfe, sowie der Gemeindepsychiatrie und war fasziniert von John Bowlbys Bindungstheorie. Aus diesem Grund setzte sie sich mit der Theorie in unterschiedlicher Weise fachlich auseinander. In ihren Untersuchungen interessierte sich die Autorin besonders für die Auswirkungen depressiver Mütter auf Säuglinge und Kleinkinder und weiterhin für erfolgreiche Bildungsprozesse in der Lebensphase zwischen Geburt und Vorschulalter.
Leseprobe
Textprobe:Kapitel 3.8., Sprache und 'Innere Arbeitsmodelle:Das 'Innere Arbeitsmodell' ist die Entwicklung einer Vorstellung von der Welt und von sich selbst in genau dieser Welt. Nun spielen sprachliche Diskurse eine immens wichtige Rolle für die Entstehung 'Internaler Arbeitsmodelle'. Diskurs definieren Grossmann/Grossmann (2004) als, 'sprachliche formulierte Reaktionen und Antworten auf Ereignisse und Fragen, die Einblicke in die Qualität von Erinnerungen, Gefühlen, Interpretationen, Reflexionen und Perspektiven erlauben' (ebd., S. 420).Der Lernprozess dauert weit über die Kindheit hinaus. Allein durch mütterliche außersprachliche Reaktionsmuster ist dieser Prozess nicht zu bewältigen. Er bedarf großer Anstrengung seitens des Kindes und der Diskurspartner. Nun sprechen wir über den Bereich der Bedeutungen des Selbst und der Welt. Der sprachliche Diskurs ist der bedeutendste Weg, um eine aktive Wechselbeziehung zwischen 'Innen und Außen', also der unterschiedlichen Ebenen des Denkens und Fühlens und der Wirklichkeit hervorzubringen. Das gilt für die Bereiche des formalen Wissens, der Intelligenz, für die Verknüpfungen zwischen vor- und außersprachlichen Erfahrungen im Rahmen von Bindungserfahrungen und der zugrunde liegenden Emotionen und Verhaltensweisen. Das Gespräch darüber eröffnet erst ihre Bedeutung und macht sie den eigenen Gedankengängen und möglichen Veränderungen zugänglich.In Bindungsbeziehungen erlebte Erfahrungen und die dadurch gefühlten Emotionen werden durch ein Kind ca. ab dem Alter von zwei Jahren im Diskurs erst sprachlich klar dargestellt. Es fühlt nicht nur Ereignisse, sondern kann diese im Zusammenhang mit dem wirklich Erlebtem ebenso artikulieren. Der Dialog kann als eine Art Fortführung der Sensitivität mit sprachlichen Mitteln bezeichnet werden. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Bindungsperson die Gefühle des Kindes richtig wahrnimmt, interpretiert und sprachlich prompt reagiert. Das bewusste Selbst stellt sich durch die Qualität des Diskurses dar. Die Erfahrungen fußen auf kontingenten Handlungsfolgen sogenannten Verstärkungen.'Unterhaltungen' misslingen an negativen Gefühlen wie Ärger, Schuldgefühle, Herabsetzung oder an Dingen über die ungern gesprochen wird. Dieser Zustand muss überwunden werden, damit miteinander gesprochen werden kann. Diese Bedingung heißt 'Integration negativer Gefühle' (nach Main et al., 1985). Werden starke negative Emotionen nicht kognitiv verstanden, kann das dazu führen, dass ein Kind mit der momentanen Situation nicht zurechtkommt und sich außerdem nicht damit auseinandersetzen kann. Die falsche Deutung sprachlicher Diskurse kann sich z. B. in Angstsymptomen, in unpassenden Situationen oder in einer feindseligen Erwartungshaltung gegenüber anderen Menschen äußern. Deren Bedeutungszusammenhänge bleiben indes unklar. Das Kind lernt schon sehr früh die Mitteilung negativer Gefühle gegenüber der Bindungsperson zu vermeiden, weil es, beim ehrlichen Zeigen der Gefühle, die Zurückweisung der Bindungsperson noch mehr irritieren würde. Somit ist das Kind allein mit seinen Emotionen: 'und seine Kompetenzentwicklung ist in Richtung auf Selbstgenügsamkeit vorgezeichnet. Das Kind muss lernen, sich in Augenblicken des Wunsches nach liebevoller Nähe auf sich selbst zu verlassen' (Foppa; zit. in Grossmann 1999, S. 149).Eine Kohärenz zwischen psychischen und emotionalen Vorgängen und der Realität kann erkennbar nur auf dem Weg des realitätsangemessenen Diskurses geschehen (a.a.O., S. 420f).
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