Beschreibung
Im Buch wird eine somatische Seite von Kommunikation postuliert, die es gilt, stärker in den Fokus zu nehmen. Die Zunahme von Stresserkrankungen und die Beobachtung, dass sprachliches Handeln im medizinischen Alltag stetig an Bedeutung zu verlieren scheint, obwohl damit in Stoffwechsel und Hormonhaushalt eingegriffen wird, begründen die Hauptintention. Gesellschaftliche Prozesse werden durch Kommunikation und damit durch Sprache getragen. Über diesen Weg sind sie sowohl kognitiv als auch physiologisch wirksam. Folgenreich für anschließende Kommunikationen werden z.B. Emotionen oder Wahrnehmungs- und Gedächtnisfunktionen beeinflusst. Neben systemtheoretischen werden im theoretischen Teil kommunikations- und sprachwissenschaftliche sowie medizinsoziologische Aspekte erörtert, im Zentrum stehen Sprachverarbeitungsprozesse.Für die empirische Untersuchung wurden Probanden aus medizinischen und nichtmedizinischen Bereichen befragt. Ergebnisse sind u.a. ein Textkorpus, die Einordnung der venösen Blutentnahme als gesellschaftlich verankertes Handlungsskript mit tradierten Sprachmustern oder der Vorschlag für ein Experiment zur Messung der physiologischen Wirksamkeit sprachlicher Phrasen.
Autorenportrait
Gabriele Raeuber, geboren 1959 in Greifswald, lernte schon in ihrem ersten Beruf als Physiotherapeutin Sprache als ein Instrument in die Behandlung einzubeziehen, u.a. bei Apoplektikern. Anfang der neunziger Jahre absolvierte sie eine Marketingausbildung und war anschließend viele Jahre als Medizinprodukteberaterin für national und international agierende Unternehmen tätig. In diesem Kontext sind persuasiv gestaltete sprachliche Mittel charakteristisch. Nachdem die Autorin 2006 ein Studium der Germanistik und Kommunikationswissenschaft aufgenommen hatte, war es naheliegend, dass sie sich in ihrer Bachelorarbeit der medizinischen Kommunikation widmete. Sie untersuchte Patienten-Informationsflyer als Kommunikationsmedium bzw. Textsorte. Mit einer Studie zum Thema des vorliegenden Buches schloss sie 2013 die Fortsetzung des Studiums als Master für Sprache und Kommunikation ab.
Leseprobe
Textprobe:Kapitel 2.1.2: Stress, Stressoren und StressbewältigungStress ist die Reaktion des Organismus auf Stressoren, d.h. auf Reize, "die aufgrund ihrer Qualität und Intensität die Person in ihrem Erleben zu besonderen Anpassungsleistungen bewegen." Die Reize können aus dem Organismus selbst oder der äußeren Umwelt resultieren. Letztere sind soziale Stressoren, d.h. Situationen, "die den menschlichen Erlebens- und Erfahrungsfluss in Form einer Bedrohung oder einer Herausforderung unterbrechen." Sie zählen zu den Hauptfaktoren, die die menschliche Gesundheit nachhaltig beeinträchtigen können. In der Stressforschung wird versucht, den Zusammenhang zwischen belastenden Erfahrungen, den Strategien und Ressourcen der Bewältigung, also dem Coping, sowie den ausgelösten biologischen Reaktionen zu erklären. Dabei sind diverse Wissenschaftsgebiete involviert, da jedoch das Gehirn eine Schlüsselrolle bei der Regulation vieler biologischer Funktionen des Organismus einnimmt, kommt den Neurowissenschaften die führende Position zu.Die Klassifikation von Stressreizen kann anhand der Dauer der Einwirkungszeit oder auch der Reaktion der Betroffenen erfolgen. Man unterscheidet dann entsprechend chronische, subakute und akute Stressoren oder trennt nach Belastungserfahrung und Stressreaktion. Als Belastungserfahrung wird jene Reaktion bezeichnet, bei der Bedrohungen und Herausforderungen unter Beteiligung des kognitiv"apperzeptiven Systems bewusst wahrgenommen werden und auch als solche interpretiert werden. Unter Stressreaktion wird die "neuronale, neuroendokrine und neuroimmunvermittelte Aktivierung" verstanden, mit der der Organismus auf einen erlebten Stressor reagiert. Die Stressreaktion kann unabhängig von bewusster Wahrnehmung erfolgen, meist besteht aber eine Wechselbeziehung zwischen beiden Verläufen.Kampf, Flucht oder Resignation sind Verhaltensmuster, die der Bewältigung der Zustände dienen, wobei das aktive Handeln von Aggressionen begleitet werden kann, das ausweichende Fluchtverhalten von Angstgefühlen und das Aufgeben von Hilf- und Hoffnungslosigkeit.Stressemotionen und Bewältigungsreaktionen setzen zeitgleich ein und bewirken physiologische Veränderungen. Je nach Art, mit den Belastungserfahrungen umzugehen, variiert die sehr komplex ablaufende körperliche Reaktion. Neurotransmitter, Neuropeptide und Hormone sind an stressinduzierten und gegenregulierenden Funktionen beteiligt. Die Geschlechter reagieren auf psychische Stressreaktionen unterschiedlich. Während bei Männern zwei sogenannte klassische Stressachsen aktiviert werden, die die Kampf"Flucht"Reaktion hervorrufen, ist die Ausscheidung von Antistresshormonen wie z.B. Oxytocin bei Frauen deutlich höher.Nachweislich gibt es Zusammenhänge mit Erkrankungen des Herzens, mit Bluthochdruck, verschiedenen Infektionskrankheiten und auch Krebs. Als erwiesen gilt ebenfalls, dass Symptome wie Migränekopfschmerz, Schlafstörungen, Übelkeit, erhöhte Herzfrequenz oder Schmerzen durch Interventionsmaßnahmen beeinflussbar sind. Zu diesen zählen neben sensorischer Stimulation oder Massage auch Entspannungsübungen, kognitive Interventionen, Fantasiereisen oder Meditationen, wobei die letzteren als sprachbasiert einzuschätzen sind.2.1.3 Venöse Blutentnahme:Die venöse Blutentnahme wird als diagnostische Maßnahme routinemäßig durchgeführt und gehört prinzipiell zu den ärztlichen Tätigkeiten. "Die Zusammensetzung des Blutes gibt Auskunft über den Gesundheitszustand des Patienten. Deshalb wird bei Routineuntersuchungen und zur Abklärung unklarer Befunde ein so genanntes Blutbild gemacht." Dafür kann Blut aus Kapillaren, aus Arterien oder wie in den meisten Fällen aus Venen, hier in der Regel aus einer Vene in der Ellenbeuge, zwecks Untersuchung entnommen werden. Es können Blutzucker, Blutfette, Mineralstoffe, Enzyme, Hormone oder Antikörper bestimmt werden. Von der Norm abweichende Blutwerte lassen Rückschlüsse auf ein Krankheitsgeschehen im Körper zu. Beispielsweise können so Informationen über Infektionen, Entz täglich 157 770 Blutentnahmen durchgeführt. Für die niedergelassenen Praxen konnte kein Zahlenmaterial recherchiert werden.Für eine Blutabnahme wird einschließlich der Vorbereitungszeit eine Arbeitszeit von vier Minuten angenommen. Da die Maßnahme der Erstellung einer Diagnose oder der Beobachtung des Krankheitsverlaufs dient, befinden sich Patienten deswegen sowie in Erwartung der Punktion in einer unsicheren oder auch ängstlichen Lage. Zu den Aufgaben von Pflegekräften gehört es, die Patienten bei der Bewältigung dieser Stress- Situation zu unterstützen (vgl. hierzu Abschnitt 2.3.3.4), wofür die benötigte Arbeitszeit ein Potenzial an entsprechend zu gestaltender Gesprächszeit mit den Patienten darstellt.
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