Beschreibung
Im psychoanalytischen Nachdenken über destruktive Züge der Masse spielt die Abwehr von Ambiguität eine wesentliche Rolle. Dazu greift das Kollektiv auf Mythen zurück, die im Besonderen mit Gewalt verbunden sind. Auch die christliche Erzählung vom Erlösungstod Jesu enthält eine solche destruktive Schattenseite: das mit der Lüge vom Gottesmord verbundene antijüdische Ressentiment, das liturgisch und kulturell tradiert wird und sich in Prozessen destruktiver Gruppenbildungen jederzeit - und insbesondere in Krisenzeiten - reaktivieren lässt. Stefan Etgeton zeigt anhand konkreter Überlieferungsstücke aus dem Umfeld der Karfreitagsliturgie und der protestantischen Liedtradition, wie Passion und Pogrom rituell unterschwellig verknüpft und das Narrativ des Gottesmords präsent bleiben. Mit Dietrich Bonhoeffers späten Überlegungen zu einem religionslosen Christentum wird am Ende dennoch deutlich, dass gute Theologie nicht selten ein wirksames Gegengift gegen schlechte Religion darstellt. Zusatztext