Beschreibung
»Komme morgen an.« Mehr steht nicht in dem Telegramm, mit dem der namenlose Gast seinen Besuch bei einer Mailänder Industriellenfamilie ankündigt. Es dauert nicht lange, und der überirdisch gut aussehende junge Mann hat der Reihe nach alle - geschlechter- und klassenübergreifend - verführt: Mutter, Vater, Tochter, Sohn und Dienstmädchen. Der intime Kontakt mit dem göttlichen Sex und dem heiligen Geist lässt keine und keinen unberührt zurück. Die wohlgeordneten bürgerlichen Verhältnisse kollabieren, die Konsequenzen sind absurd oder politisch wünschenswert: Sie reichen von sexueller Befreiung über die Kollektivierung der Fabrik bis hin zur Heiligenexistenz. Im Zusammenspiel von lustvoll-provokantem Ton und scharfer politischer Reflexion erkundet Pier Paolo Pasolini in dieser Parabel die Krise einer seelenlosen bürgerlichen Ordnung, die dem Chaos menschlicher Bedürfnisse im Zweifel kaum etwas entgegenzusetzen hat.
Autorenportrait
Pier Paolo Pasolini, 1922 in Bologna geboren, war Schriftsteller, Filmregisseur, Journalist und Kritiker. Er lebte in Casarsa (Friaul), verlor wegen obszöner Handlungen in der Öffentlichkeit seine Stelle als Lehrer und zog 1950 nach Rom. Mit dem Roman »Ragazzi di Vita« (1955) erlangte er große Bekanntheit in Italien und avancierte mit den »Freibeuterschriften« zu einem der wichtigsten und streitbarsten Intellektuellen seiner Zeit. Pasolini wurde 1975 in Ostia ermordet.