Beschreibung
Strukturerhaltung dank «Gemeinwirtschaftlichkeit» Zu den wichtigsten Zielen der Schweizer Verkehrspolitik gehört bis heute «Service public». Angestrebt wird eine flächendeckende und preislich erschwingliche Grundversorgung mit Leistungen insbesondere des Schienenverkehrs. Zur Debatte stehen regelmässig Organisation, Finanzierung und Umfang von Infrastruktur und Betrieb der Bahnen. Soll die Verantwortung beim Staat liegen, oder braucht es mehr Markt und Wettbewerb? Bis vor wenigen Jahren wurde dabei der ältere Begriff «Gemeinwirtschaftlichkeit» verwendet, wenn die Rede auf «Service public» kam. Das Buch bietet nun erstmals einen ideengeschichtlich angelegten Überblick, wie «Gemeinwirtschaftlichkeit» in der Politik und der Wissenschaft jeweils theoretisch verstanden und in der Praxis umgesetzt wurde. Für den Zeitraum von 1852 bis 1982 sowie anhand von vier Fallbeispielen wird aufgezeigt, dass und weshalb «Gemeinwirtschaftlichkeit» entgegen den gesetzlich verankerten Vorgaben nicht nur der Allgemeinheit nützte, sondern zunehmend unbeabsichtigte Nebenwirkungen hatte: Profite für Dritte, massiv steigende Kosten für die Bahnen und den Staat sowie betriebliche Ineffizienzen. Dennoch erhoben sich kaum kritische Stimmen gegen das Prinzip einer möglichst umfassenden Grundversorgung. Stattdessen wurden die steigenden Defizite der Bahnen mit immer neuen Subventionen des Bundes und der Kantone gedeckt. Grundlegende Reformen kamen erst in den 1970er Jahren allmählich in Gang, unter anderem dank den Schweizerischen Bundesbahnen SBB, die selbst für mehr Markt und Wettbewerb eintraten. Allerdings eignete sich «Gemeinwirtschaftlichkeit» weiterhin als Deckmantel für vielfältige Interessen. Nicht zuletzt wurden damit ökologische Anliegen verbunden.
Autorenportrait
André Kirchhofer, geb. 1977, studierte Geschichte und Klassische Philologie an der Universität Bern. Anschliessend war er Assistent bei Prof. Dr. Christian Pfister am Lehrstuhl für Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte des Historischen Instituts ebenfalls in Bern. Die Promotion folgte 2007. Seine Dissertation wurde 2008 mit dem Preis der Paul und Gertrud Hofer-Wild Stiftung für die beste Doktorarbeit an der Philosophisch-historischen Fakultät ausgezeichnet. Heute arbeitet André Kirchhofer als Leiter Politik & Kommunikation beim Schweizerischen Nutzfahrzeugverband ASTAG.