Beschreibung
Wenn im Gottesdienst aus der Bibel vorgelesen wird, geschieht etwas grundlegend anderes als bei persönlicher Schriftlektüre oder dem kritischen Studium des Bibelwissenschaftlers. Der liturgische Kontext beeinflusst das Verständnis der Schrifttexte. Dies betrifft zunächst den anamnetischen Charakter der Liturgie, der die Gegenwart der Feiernden mit der biblischen Heilsgeschichte in Beziehung bringt. Beim Wortgottesdienst der Messe kommt das Spannungsfeld hinzu, das aus der Verbindung des Verkündigungsteils mit der Feier der Eucharistie entsteht. Schließlich ergeben sich innerhalb der Wortliturgie vielfältige verbale und nonverbale Kontexte: Biblische Texte werden mit anderen biblischen Texten ins Gespräch gebracht, durch rahmende Formeln und Akklamationen beleuchtet und nicht zuletzt rituell in Szene geSetzt. Die liturgiewissenschaftliche Reflexion auf die spezifische Hermeneutik der Schriftlesung im Wortgottesdienst der Messe versteht sich zugleich als Beitrag zum interdisziplinären Gespräch mit Exegese und Homiletik über Fragen der Schriftauslegung und der Leseordnung.
Autorenportrait
Prof. Dr. Alexander Zerfaß lehrt Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie an der Universität Salzburg.
Inhalt
Aus dem Inhalt:
Einleitung
1. Ausgangspunkt und Fragestellung
2. Zielsetzung und Methodik
Teil A: Die Heilige Schrift im Kontext der Liturgie: Vergegenwärtigung der Heilsgeschichte
1. Hinführung: Kulturelles Gedächtnis und öffentliche Proklamation
2. Die Orationen nach den Vigillesungen der Osternacht als Paradigmen für den anamnetischen Charakter liturgischer Schriftverkündigung
2.1 Die Oration Omnipotens sempiterne Deus, qui es in omnium nach der ersten Lesung: In der Gegenwart von Schöpfung und Erlösung
2.2 Die Oration Deus, qui mirabiliter creasti nach der ersten Lesung: Die Urgeschichte als Bild und Gegenbild
2.3 Die Oration Deus, Pater summe fidelium nach der zweiten Lesung: "Erben kraft der Verheißung" (Gal 3,29)
2.4 Die Orationen Deus, cuius antiqua miracula und Deus, qui primis temporibus impleta miracula nach der dritten Lesung: Die Einheit der Heilsgeschichte
2.5 Zwischenergebnis
3. Die Gegenwart als Teil der kanonischen Heilsgeschichte
Exkurs: 'Heilsgeschichte' - ein umstrittener Begriff im Spiegel der Auseinandersetzungen um die Leseordnung "Patmos"
4. Die Gegenwart in Beziehung zu konkreten Heilsereignissen
4.1 Kulturanthropologie und Liturgietheologie
4.2 Odo Casel: Schriftverkündigung und Kultmysterium
4.3 Romano Guardini: Das Aeviternum
4.4 Viktor Warnach: Der Kairos
4.5 Zusammenfassung und Perspektiven
4.5.1 Anamnese und Performativität
4.5.2 Anamnese und Ritualität
5. Konsequenzen für die Schriftpredigt
Teil B: Der Wortgottesdienst im Kontext der Eucharistiefeier
1. Opfer und Mahl
2. Die Vergegenwärtigung des Christusereignisses im eucharistischen Hochgebet
2.1 Das Modellgebet der so genannten Traditio Apostolica
2.2 Die Hochgebete II, III und IV
2.3 Hochgebet I: Der Canon Romanus
2.4 Zwischenergebnis
3. Die Vergegenwärtigung des Christusereignisses in den das Eucharistiegebet rahmenden Riten von Gabenbereitung und Kommunion
4. Konsequenzen für die Hermeneutik der Schriftverkündigung im Wortgottesdienst der Messe
4.1 Der christologische Fokus der eucharistischen Anamnese
4.1.1 Zur Gegenwart Christi in der Schriftverkündigung
4.1.2 Liturgischer Kontext und kanonische Ordnung
4.1.3 Christologische Hermeneutik der Schriftlesungen
4.2 Der Zielpunkt der eucharistischen Dynamik: Handeln als Leib Christi
4.3 Geistliche Nahrung von beiden Tischen
4.4 Die Korrektivfunktion des Wortgottesdienstes
Teil C: Text und Kontext innerhalb des Wortgottesdienstes der Messe
1. Biblische Lesungen im Kontext biblischer Lesungen
1.1 Intertextualität und Konsonanz
1.2 Die Spannung zwischen vertikaler und horizontaler Ebene im Ordo Lectionum Missae
1.3 Zwischenergebnis und homiletische Konsequenzen
2. Text und Paratext
2.1 Rahmende Formeln und Akklamationen
2.1.1 Die Rahmung der nichtevangelischen Lesungen
2.1.2 Die Rahmung der Evangelienlesung
2.1.3 Die Anfangsworte der Lesungen
2.2 Der Kehrvers des Antwortpsalms
3. Ritus, Raum und Bewegung
3.1 Der Ambo als Ort der Lesungen
3.1.1 Topologische Verhältnisbestimmungen
3.1.2 Funktionale Verhältnisbestimmungen205
3.2 Kleidung und Bewegung der mit den Lesungen betrauten liturgischen Dienste
3.2.1 Lektoren und Kantoren (Psalmisten) in liturgischer Kleidung
3.2.2 Lektoren und Kantoren (Psalmisten) in Zivilkleidung
3.3 Ritueller Umgang mit dem Evangeliar
3.3.1 Eröffnungsteil der Messe
3.3.2 Evangelienprozession
3.4 Der Vortrag der Lesungen
3.4.1 Die Lesung als Akt der Kommunikation und Interpretation
3.4.2 Die Lesung als sinnliches Ereignis
3.5 Die tätige Teilnahme der Gemeinde
3.5.1 Haltungen und Gebärden
3.5.2 Vorverständnisse und Verstehensvoraussetzungen
Poetischer Nachklang
Literaturverzeichnis
1. Textausgaben der Heiligen Schrift
2. Liturgische Quellen
3. Lehramtliche Quellen
4. Antike