Beschreibung
Es ist der Kommodore Wilhelm Tägert, der zehn Tage nach Ende des Ersten Weltkrieges, am 21. November 1918, mit seinem Schlachtschiff "Seydlitz" die deutsche Hochseeflotte, den Stolz des Kaiserreichs, der englischen Armada entgegen führt, die zusammen mit ihren Alliierten vor Scapa Flow in einem riesigen Spalier und mit geladenen Kanonen auf ihre in Versailles ausbedungene Beute wartet. In den Monaten danach findet er sich im tiefen Loyalitätskonflikt wieder, zwischen den blutrünstigen ersten Exponenten der jungen Weimarer Republik Ebert und Noske, dem reaktionären Offizierskorps und der Revolution der Arbeiter, Soldaten und breiter Volksteile. Damit schließt sich für den Seeoffizier vorerst der Kreis, der mit seiner Geburt im Jahr der Reichsgründung 1871 im Haus eines Gymnasiallehrers im pommerschen Köslin begonnen und über die kindliche Faszination für die junge Marine zur Kadettenlaufbahn eines Marineoffiziers und von dort in die Weite der damaligen politischen, historischen und geographischen Welt geführt hat. 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkrieges hat es der Großneffe Jürgen Taegert unternommen, die umfangreichen und lebendig geschriebenen Erinnerungen seines Vorfahren einzulesen, zu kommentieren, aus Originalmaterial zu bebildern und erstmals herauszugeben. Es wird rasch deutlich, dass die kaiserliche Marine, die von Historikern bislang eher stiefmütterlich behandelt wird, seinerzeit Teil eines weltweit ausgespannten diplomatischen Netzwerks war und auch über den Matrosenaufstand und das Kriegsende 1918 hinaus aktiv in die deutsche Geschichte verwoben blieb. Mit Staunen nimmt man heute die weitreichenden internationalen Kontakte wahr, die in einer schon damals "globalisierten Welt" über alle Grenzen hinweg möglich waren und die uns erst heute, nach rd. 135 Jahren, wieder selbstverständlich werden. Zugleich wundert man sich, wie weit die Führenden in dieser sich damals bereits anbahnenden Weltgemeinschaft noch von demokratischen Überzeugungen entfernt waren und fragt sich, wieso es ihnen nicht möglich war, die "Urkatastrophe des 20. Jh.", den Ersten Weltkrieg, zu vermeiden und zu bewältigen. Der schmale "Pilotband" "Von Köslin bis Alexandrien" schildert zunächst die frühen Erfahrungen des angehenden Marineoffiziers Wilhelm Tägert. Ihm sollen sich in zwangloser Folge die weiteren inhaltsreichen Bände anschließen.
Autorenportrait
WILHELM LUDWIG GOTTLIEB TÄGERT wurde am 24.7.1871 als achtes Kind des Oberlehrers am Gymnasium in Köslin/Pommer und späteren Direktors des Realgymnasiums Siegen Dr. Joachim Christoph Wilhelm Tägert in Köslin geboren. Nach seinem Abitur trat der stattliche und gebildete Mann als Kadett und Offiziersanwärter in Kiel in die Kaiserliche Marine ein. An Bord des Segelschulschiffs "Niobe" und in der Marineschule erlernt er die Seemannschaft und die "Marine-Etikette" von der Pieke auf. Über den Dienst auf den noch hölzernen, getakelten Panzerschiffen geht der Weg zum großen Kreuzer und zum Artillerieschiff. Zugleich öffnet sich ihm bei den internationalen Übungsfahrten der Blick auf das damalige Weltgeschehen. Er lernt die internationalen Eminenzen und Exzellenzen kennen, die seinerzeit die öffentliche Meinung prägen und die Medienwelt beschäftigen. Kommandos führen ihn an die westafrikanische Küste, auf die kaiserliche Yacht "Hohenzollern" und bis nach Jerusalem und auf weiteren Schiffen in den gesamten ostasiatischen Raum. Viele Jahre arbeitet er im kaiserlichen Admiralstab in Berlin und bekommt dann in der unmittelbaren Vorkriegszeit Kommandos bei der Hochseeflotte übertragen. Nach einer zweiten Ostasienreise mit dem Schwerpunkt China und Japan erlebt er den Kriegseintritt auf einem Schlachtschiff. Von 1915-1917 ist er Marine-Attaché in der Türkei. Zeuge der deutschen Revolution wird er als Kommandant des Schlachtschiffs "Seydlitz", auf dem er die deutsche Flotte unmittelbar nach Kriegsende an die Engländer ausliefern muss. Er wird zum Konteradmiral ernannt und verlässt mit dem Charakter eines Vizeadmirals im Alter von 50 Jahren die Marine nunmehr der Weimarer Republik. Im Zweiten Weltkrieg muss er den Tod seines einzigen Sohnes Werner betrauern, der 1944 als Marineoffizier mit einem Torpedoboot auf See vermisst wird. Im Jahr 1946 schließt er seine inhaltsreichen, lebendig und mit einer großen Prise Humor geschriebenen Erinnerungen ab, die er seinen Enkeln widmet. 1950 stirbt er in seiner Wahlheimat in Rottach-Egern. Sein umfangreicher Nachlass an Schriften und Dokumenten zur Marinegeschichte ruht im Bundesarchiv in Freiburg.