Beschreibung
Dr. Paul Kayser, 1845-1898, war im Kaiserreich einer der wenigen hochgestellten Beamten jüdischer Herkunft. Trotz brillianter Leistungen konnte er in der Wilhelminischen Gesellschaft nicht Fuß fassen, sondern starb schon mit 53 Jahren in totaler sozialer Isolierung. Seine Taufe erfolgte 1882 ohne Zusammenhang mit einem Karriereschritt. Dennoch wurde er deshalb sowohl von den Antisemiten als auch vom orthodoxen Judentum als charakterloser Ehrgeizling beschimpft. Er war von 1890 bis 1896 der erste Leiter der Kolonialabteilung im Auswärtigen Amt. Er trat zurück, weil er sich durch seine vergleichsweise humane Politik die entschiedene Gegnerschaft der Alldeutschen und der Hochfinanz zugezogen hatte. Nach ihm entgleiste die Kolonialpolitik zu einer reinen rassistischen Ausbeutung. Kayser war ein Anhänger des "Neuen Kurses" und wirkte beim Sturze Bismarcks mit. Auch von daher galt er als "treuloser Verräter". Sein Bild in der Geschichtsschreibung ist bis heute von solchen Angriffen verzeichnet. Sein Schicksal ist beispielhaft für das Scheitern der Integration der Juden.
Autorenportrait
Dr. Peter Seidel, Jahrgang 1947, ist seit 1973 als ärztlicher Psychotherapeut, Psychoanalytiker und Psychiater tätig. Sein Interessengebiet sind die religiösen Prägungen der Menschen und speziell auch die Mentalität im Wilhelminischen Kaiserreich.