Beschreibung
Die 1802 neu eingerichtete Kaiserliche Universität Dorpat-Ju?ev nahm in der Entwicklung von Kultur, Bildung und Wissenschaften in den Baltischen Provinzen und im Russischen Reich bis zu ihrer Schließung im Jahre 1918 einen hervorragenden Platz ein. In der deutschen Historiographie hat diese baltische Hohe Schule bislang keine wissenschaftlich ausreichende Gesamtdarstellung erfahren. Als Universität im nördlichen Europa trat die Universität Dorpat bis zu ihrer Reformierung und 1893 erfolgten Umbenennung in Universität Ju?ev im Gefüge der europäischen Universitäten als hauptsächlich deutschsprachige Wissenschafts- und Bildungseinrichtung in Erscheinung. Nach dem Verständnis von Kaiser Alexander I., ihrem Gründer, sollte die baltische Hochschule als Reichsuniversität dem Bemühen Rechnung tragen, Russland enger in die westlich-europäische Völkerfamilie einzugliedern, ohne die religiösen Grundlagen der Orthodoxie zu schmälern. Die wichtigsten geistigen Kräfte an der Universität waren in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens die europäische Spätaufklärung, die Philosophie des Deutschen Idealismus sowie die Deutsche Klassik und Romantik, die auf dem Erbe des Humanismus fußten. Der Universitätsbetrieb stand weitgehend im Zeichen innerer Autonomie, und der wirksam werdende Lehrkörper bestand vorwiegend aus heimischen deutschen Wissenschaftlern und solchen aus Deutschland. Durch aktive Berufungspolitik gelang es, in den Jahren des Bestehens der Universität Dorpat-Ju?ev auch zahlreiche erstklassig vorgebildete Professoren für eine Tätigkeit an der baltischen Universität zu gewinnen, die als Theologen, Rechts- und Staatswissenschaftler, Vertreter der Historischen und Sozialwissenschaften, der Naturwissenschaften und Medizinischen Wissenschaften wirkten, unter ihnen seit den neunziger Jahren verstärkt auch russische, ukrainische, polnische und andere Gelehrte, die die auf der Höhe der Zeit stehende Wissenschaft, Lehre und Forschung an der Universität Dorpat-Ju?ev bis zu ihrem Ausgang repräsentierten.
Autorenportrait
Der Autor: Erich Donnert, geboren 1928 in Altrohlau bei Karlsbad (Böhmen), emeritierter Professor für Allgemeine und Osteuropäische Geschichte an den Universitäten Jena, Leipzig und Halle; Gastprofessor in Russland, Schweden, den USA und in Österreich.