Beschreibung
Die Studie untersucht Migrationsprozesse russischer Juden. Dabei werden sowohl die Einwanderungspolitik als auch die Erfahrungsperspektive der Migranten in den Blick genommen. Dichte biografische Fallstudien eröffnen Einblicke in einen komplexen Umbauprozess sozialer Erfahrung und individueller Verortung. Seit 1991 werden Juden aus der ehemaligen Sowjetunion in Deutschland als "jüdische Kontingentflüchtlinge" aufgenommen. Franziska Becker lotet die Einwanderungspolitik und ihre rechtlichen und bürokratischen Rahmenbedingungen sowie ihre sozialen und kulturellen Kontexte aus. Dabei wird auch eine (deutsche) Strategie der Identitätszuschreibung vorgeführt, die eindeutig konstruktive und normative Züge trägt. Die Studie zeigt anhand biographischer Fallstudien, wie diese Zuschreibungsdiskurse im individuellen Migrationsprozess wirken, wie sie Migranten dazu herausfordern, ihre Lebensgeschichte reflexiv neu zu bewerten, um das Hiersein plausibel zu machen und zu legitimieren. Eindrückliche Porträts geben Aufschluss darüber, mit welchen Identitätserwartungen und Stereotypen russische Juden im Kontakt mit den Institutionen der Aufnahmegesellschaft wie Flüchtlingsheimen, Ausländerbehörden, der Sozialbürokratie und jüdischen Gemeinden konfrontiert werden und wie sich dabei ihre jüdischen Selbstbilder verändern. Die Studie setzt neue Akzente in der ethnologischen Migrationsforschung und lässt sich zugleich als Ethnografie des deutsch-jüdischen Verhältnisses lesen, eines für die Bundesrepublik zentralen Politikfeldes.