Beschreibung
Die Finanzwissenschaft ist der Wirtschaftstätigkeit des Staates gewidmet und bildete neben Theoretischer und Praktischer Nationalökonomie die dritte Säule des im 19. Jahrhundert gültigen Lehrkanons der Volkswirtschaftslehre. Mit seiner Berufung nach Freiburg war Max Weber auch verpflichtet, eine Vorlesung über Finanzwissenschaft zu halten. Dies tat er 1894/95 und 1896/97. Mit dem vorliegenden Band kann die wissenschaftliche Öffentlichkeit erstmals anhand der handschriftlichen Notizen, die Weber nur als Gedächtnisstütze für den freien Vortrag niederschrieb, nachvollziehen, in welcher Weise und mit welchen Schwerpunkten er seine Lehraufgabe auf diesem ihm fremden Gebiet meisterte. Die Editoren versuchen, den intendierten Gedankengang des Autors zuverlässig zu rekonstruieren und herauszufinden, an welchen Stellen er den bekannten Lehrstoff lediglich rezipierte und wo bereits eigene, auf die spätere Herrschaftssoziologie und Sozialökonomik hindeutende Gedanken aufleuchten. Methodisch blieb Weber in der Darstellung der Realgeschichte der öffentlichen Finanzen dem Credo der historischen Schule verpflichtet, während er sich im Gegensatz zu den Meistern des Fachs, Lorenz von Stein und Adolph Wagner, mit theoretischen Überlegungen zurückhielt. Offenbar wollte er den Hörern vorrangig nützliche Kenntnisse für ihre künftige Tätigkeit in Staat und Verwaltung vermitteln.
Autorenportrait
Geboren 1864 in Erfurt; Studium der Jurisprudenz, Geschichte, Nationalökonomie und Philosophie in Heidelberg, Berlin und Göttingen; 1889 Promotion über die Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter; 1891 Habilitationsschrift über Römische Agrargeschichte; Ordinarius für Nationalökonomie in Freiburg (ab 1894) und Heidelberg (ab 1897); Mitherausgeber des Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik und Redakteur des Grundriß der Sozialökonomik; umfassende Beiträge zur Methodologie der Sozialwissenschaften, zur Politik des deutschen Kaiserreichs, zu Wirtschaft, Politik, Religion, Recht und Kunst in universalgeschichtlicher Perspektive; nach langem, krankheitsbedingtem Interim schließlich Professor für Gesellschaftswissenschaft, Wirtschaftsgeschichte und Nationalökonomie in München (ab 1919); gestorben 1920 in München.