Beschreibung
Aus dem Vorwort
In diesem an Wundern, sowohl des Zornes als auch der Barmherzigkeit Gottes, so reichem Jahrhundert hat man bislang keine schöneres als jenes erlebt, dessen Zeuge die Hauptstadt der Christenheit geworden ist, die es sodann der ganzen katholischen Welt verkündet hat. Die Bekehrung des Juden Ratisbonne ist ein Wunder der göttlichen Gnade an sich, aber vielleicht um so bewundernswerter durch die ihm vorausgehenden und folgenden Umstände. Ohne Zweifel wurden schon zu allen Zeiten, und besonders seit der Gründung der Erzbruderschaft zum heiligsten Herzen Mariä, manchmal ganz plötzlich verhärtete Gemüter und verblendete Geister von der Gnade Gottes berührt und erleuchtet. Gewöhnlich jedoch vollziehen sich diese Bekehrungen im Innersten des Gewissens des Sünders, oder sie werden höchstens einigen Verwandten oder engen Freunden anvertraut. In diesem Fall aber ist es ein öffentliches, feierliches und auffallendes Ereignis. Von einem Ausmaße, daß man in Rom, wo die kirchliche Autorität so bedacht und vorsichtig sich äußert, nicht gezögert hat, es mit der Bekehrung des heilige Paulus zu vergleichen.
Was diese Bekehrung jedoch besonders von anderen unterscheidet, bei denen einfach nur das Herz berührt und der Verstand überzeugt wurde, ist die Tatsache, daß hier die Intelligenz des Bekehrten urplötzlich und auf übernatürliche Weise erleuchtet wurde. Während seine Seele die göttliche Gnade in sich aufnahm, empfing sein Geist eine vollkommene göttliche Unterrichtung. In der Tat wußte er eine Stunde, eine Minute zuvor nichts, rein gar nichts über das Christentum, welches er als Jude unwillkürlich und instinktiv verachtete, aber er wußte auch nichts über den Judaismus, den er noch nie praktiziert und noch weniger studiert hatte. So geschah es, daß der junge Israelit von einer Sekunde zur anderen von einem völlig blinden, unwissenden Haß, der weder auf der Lektüre, auf Studien, Prüfungen noch irgendwelchen Reflexionen begründet war, zu einer klaren, umfassenden und tiefen Kenntnis der katholischen Lehre und Moral gelangte, und darüber hinaus eine Andacht entwickelte, die die Frucht vieler Jahre des Gebets und der Meditation schien. Diese spontan erlangte Erkenntnis einer Seele, die kurz vorher noch sinnlich, finster, ungläubig, ja fast atheistisch war und sich innerhalb weniger Minuten die Sprache der vollkommenen Frömmigkeit zueigen gemacht hat, mutet daher wie ein zweites Wunder im ersten an. Und was noch wunderbarer war: Dies alles ist die Folge eines schlichten Blicks der Mutter der göttlichen Gnade gewesen, denn wie der Bekehrte selbst gesagt hat: Sie hat nicht zu mir gesprochen, und doch habe ich alles verstanden.