Der vorliegende Band enthält den Text der zweistündigen Vorlesung, die Husserl im Sommersemester 1912 unter dem Titel Einleitung in die Phänomenologie in Göttingen gehalten hat. Das Thema der ursprünglich als Urteilstheorie angekündigten Vorlesung wurde kurzfristig geändert, da es nicht möglich sei, wie Husserl zu Beginn der Vorlesung erläutert, eine Urteilstheorie darzustellen, ohne weitgehende Kenntnis in Betreff gewisser allgemeiner Bewusstseinsgestaltungen vorauszusetzen. Neben einer Untersuchung von Bewusstseinsphänomenen wie äußere und innere Wahrnehmung, Erlebnis- und Zeitbewusstsein, Erinnerung, Erwartung, Aufmerksamkeit, Erfassung, Explikation und dergleichen liegt das Hauptaugenmerk der Vorlesung auf der Erläuterung der beiden Grundpfeiler der phänomenologischen Methode: der Wesensschau und der phänomenologischen Reduktion.
Die Vorlesung vom Sommersemester 1912 diente Husserl als Vorlage bei der Niederschrift seines transzendental-phänomenologischen Hauptwerkes, der Ideen I (Husserliana Bd. III/1), mit der er während der Vorlesungszeit, nämlich Ende Mai oder Anfang Juni 1912, begann. Inhaltliche Übereinstimmungen mit dem Vorlesungstext weisen der Erste Abschnitt der Ideen I (Tatsache und Wesen), der Zweite Abschnitt (Die phänomenologische Fundamentalbetrachtung) und teilweise der Dritte Abschnitt (Zur Methodik und Problematik der reinen Phänomenologie) auf. Die hier erstmals veröffentlichte Vorlesung Einleitung in die Phänomenologie aus dem Sommersemester 1912 bietet Forschern und Studenten interessante Einblicke in Entwicklung und Thematik von Husserls transzendentaler Phänomenologie.
Thomas Vongehr ist seit 2002 als Forscher, Archivar und Redakteur im Husserl-Archiv in Leuven (Belgien) tätig. Zuvor arbeitete er am Husserl-Archiv in Freiburg (Deutschland). Er hatte verschiedene Lehraufträge an den Universitäten Freiburg und Leuven. Er ist Mitherausgeber mehrerer Husserliana-Bände und Autor zahlreicher Artikel und Lexikoneinträge zur Husserl-Phänomenologie, insbesondere in den Bereichen Emotions- und Handlungstheorie sowie Geschichte der Phänomenologie.
Kapitel 1. Einleitung des Herausgebers.- Kapitel 2. Einleitung.- Kapitel 3. Empirische und eidetische Forschung. Phänomenologische Forschung als eidetische.- Kapitel 4. Die Phänomenologie als eidetische Wissenschaft und ihr Verhältnis zur empirischen Psychologie.- Kapitel 5. Phänomenologie als Eidetik des reinen Bewusstseins.- Kapitel 6. Die phänomenologische Reduktion als die für die Phänomenologie konstitutive Methode und ihre Bedeutung für die Erkenntnistheorie.- Kapitel 7. Das Forschungsfeld der Phänomenologie. Die für ihre Methode leitenden Unterscheidungen und die Hauptrichtungen phänomenologischer Arbeit.- Kapitel 8. Nachweis der Originalseiten.- Kapitel 9. Namenregister.