Beschreibung
"Ich heiße Sylvie Meyer. Ich bin dreiundfunfzig Jahre alt. Ich bin Mutter zweier Kinder. Ich lebe seit einem Jahr von meinem Mann getrennt. Ich arbeite bei Cagex, einem Gummiunternehmen. Ich leite die Personalentwicklung. Ich bin nicht vorbestraft."
Sylvie Meyer ist eine einfache, starke Frau mit klaren Grundsätzen, und eine Arbeiterin, auf die man sich verlassen kann. Als ihr Mann sie verließ, sagte sie nichts, weinte nicht. Sie machte weiter wie zuvor. Kummerte sich um ihre beiden Söhne im Teenageralter. Versuchte nachts ein Bett auszufullen, das zu groß fur sie geworden war. Auch als ihr Chef Victor Andrieu sie neuerdings zwingt, die anderen Arbeiterinnen, ihre "Bienen", heimlich zu uberwachen, fugt sie sich. Sylvie will kein Opfer sein. Sie erstellt Kriterien und Listen fur zukunftige Entlassungen. Wieder handelt sie, wie von ihr erwartet, jedoch gegen ihr moralisches Empfinden.
Bis zu jenem Tag im November als die Ungerechtigkeit, die Gewalt der Welt und ihre eigene Einsamkeit sie einholen; als sie erkennt, dass sie seit Langem erstickt, bei der Arbeit und im Privaten da endlich rebelliert Sylvie und schreitet zur Tat. Sie verliert viel, doch fur eine kurze Weile fuhlt sie sich wieder lebendig und frei.
Nina Bouraoui verleiht ihrer Heldin in einem poetischen Monolog eine Stimme, wie sie in dieser Dringlichkeit und Unmittelbarkeit nur selten zu erleben ist. Sie erzählt die Geschichte einer Gefangenschaft und einer Befreiung: kraftvoll und doch diskret, voller Feingefuhl fur die seelischen Zwischentöne.
Autorenportrait
Nina Bouraoui, geboren 1967, ist eine der fuhrenden französischen Schriftstellerinnen ihrer Generation. Sie verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Algerien, mit Zwischenstationen in Zurich und Abu Dhabi, und lebt seitdem in Paris. Sie ist Preisträgerin des Prix Renaudot, Prix du Livre Inter und Prix Emmanuel Roblès, und Commandeur de l'ordre des Arts et des Lettres. Ihre Romane sind weltweit in zahlreiche Sprachen ubersetzt. "Geiseln" wurde mit dem Prix Anaïs Nin 2020 ausgezeichnet und fur den Prix des Cinq Continents nominiert. Nina Bouraoui schrieb "Geiseln" bereits 2016 noch vor der Burgerbewegung der Gilets jaunes und vor #MeToo "als Hommage an die wirtschaftlichen und emotionalen Geiseln, die wir alle sind".
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