Beschreibung
Als ,die originellste Schöpfung der ganzen Epoche' bezeichnete der französische Kunsthistoriker Emile Mâle die vor der Mitte des 13. Jh. geschaffenen Naumburger Stifterfiguren bei seinem Vergleich der französischen und deutschen Kunst während des Ersten Weltkriegs. Dabei stellte er der großen idealistischen Kunst französischer Kathedralskulptur die rauhe Wirklichkeit der Stifterfiguren im Naumburger Dom entgegen, die niemals, so Mâle, in Frankreich gearbeitet noch von einem französischen Bildhauer jemals gemeißelt worden sein könnten. Anders die Forschung im Ausstellungskatalog zum 'Naumburger Meister' von 2011. Die Autoren nehmen dort einen französischen Werktrupp als Schöpfer des Naumburger Westchors und seiner Skulpturen an, dessen Weg von der Île de France, der Picardie und der Champagne über die Grenzen Frankreichs hinaus nach Mainz, Naumburg und Meißen geführt habe. Auch in unserem Band wird die Skulptur dieser Orte ausführlich besprochen. Ein Vergleich der Naumburger Stifterfiguren mit den in bedeutenden Fragmenten erhaltenen Grabmälern im Zisterzienserkloster Altzelle vermag jedoch zu zeigen, dass die Ursprünge des Naumburger Meisters in der sächsischen Grabmalskunst liegen. Bildhauer von Altzelle oder einer anderen sächsischen Werkstatt haben - wahrscheinlich im Auftrag des Meißner Markgrafen Heinrich des Erlauchten - eine Zeitlang in Frankreich gelernt und gearbeitet, und so wird in vorliegendem Band die Skulptur im Naumburger Dom als sächsische Kunst unter französischem Einfluss beschrieben.
Autorenportrait
Gerhard Straehle wurde 2008 mit einer grundlegenden Arbeit "Der Naumburger Meister in der deutschen Kunstgeschichte" an der Ludwig-Maximilians-Universität München im Fach Kunstgeschichte bei Prof. Dr. Bernhard Schütz promoviert.